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Zwei Pflanzenarten wuchsen in Petrischalen auf Agar gemischt mit Mikroplastik, nach fünf bis zwölf Tagen erfolgte die Auswertung © Vasilii Koval/Shutterstock.com

Forschung

Mikroplastik an Pflanzenwurzeln

Ein Artikel von Renate Stoiber (bearbeitet) | 13.11.2020 - 10:37

In den vergangenen zehn Jahren haben sich Wissenschafter bemüht, die Auswirkungen von Mikroplastik zu verstehen. Mit Plastikflaschen, den Auswaschungen aus Milliarden an Fleecejacken oder den Inhaltsstoffen in Gesichtsreinigern häuft sich Mikroplastik an. Wie es Lebewesen wie Pflanzen beeinflusst, ist noch unklar.

Auf chemischer Ebene können Kunststoffe im Boden unterschiedliche Probleme verursachen. Schadstoffe können sich an Kunststoffe anbinden und so eine toxische Anreicherung verursachen, sie können aber auch wie in einem trojanischen Pferd in Pflanzen gelangen.

Dafür ist es entscheidend zu wissen, ob Mikroplastik – oder auch das noch kleinere Nanoplastik überhaupt in die Pflanzenzellen eindringen kann. Und hier liefert eine aktuelle Studie des Pacific Northwest National Laboratory (PNNL) und der Washington State University (WSU) gute Neuigkeiten: Mikroplastik kann nicht in die Pflanzenzellen eindringen. Allerdings sammelt es sich an den Wurzelspitzen an. Das kann gut für die zukünftige Reinigung von kontaminierten Umgebungen sein, ist aber kein gutes Ergebnis für Wurzelgemüse wie z. B. Karotten. (Wir berichteten schon auf unserer Webpage über Mikroplastik in Karotten)

Trojanisches Pferd Mikroplastik?

Das Thema Mikroplastik ist ein globales Problem. Bereits an allen Orten der Welt – von abgelegenen Berggipfeln bis in die Tiefen der Ozeane – konnten Partikel gefunden werden. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Forschung stark auf die aquatischen Bereiche konzentriert, aber an Land reichert sich laut Bericht des PNNL noch mehr an.

„Um Probleme mit Nano- und Mikroplastik in Pflanzen zu verstehen, müssen wir wirklich verstehen, was auf der chemischen und zellulären Ebene passiert“, so Carolyn Pearce, Geochemikerin bei PNNL und Co-Autorin der Studie. Mikroplastik könnte wie ein Trojanisches Pferd als Transportmittel für Schadstoffe dienen und diese im Boden anreichern sowie sie in Pflanzen einschleusen. „Wir haben deshalb untersucht, wo es sich auf Pflanzen ansammeln könnte, welche Materialien sich ansammeln und wie sie sich konzentrieren“, erklärt Pearce.

Die Größe ist wichtig

Mikroplastik ist nicht gleich Mikroplastik – es kann so groß sein wie ein Radiergummi oder so klein wie ein Bakterium. Nanokunststoffe sind sogar winzig und bis zu 100-mal kleiner als eine Pflanzenzelle – da ist es leicht vorstellbar, dass Pflanzen die Kunststoffpartikel absorbieren könnten.

Es gibt aber tatsächlich Größenbeschränkungen bezüglich des Durchgangs durch die Zellwände. Gesunde, ausgewachsene Pflanzen absorbieren meistens höchstens Partikel mit drei bis vier Nanometern (das ist kleiner als ein Virus). Einige Studien haben aber gezeigt, dass Pflanzen auch größere Nanopartikel absorbieren können, die bis zu 40 bis 50 nm groß sind. Aber passiert das auch mit Kunststoffen?

Um das zu testen, untersuchten die Forscher zwei Arten: Arabidopsis und Weizen. Sie pflanzten die Samen in Petrischalen mit Agar gemischt mit zwei verschiedenen Größen von Mikro- und Nanoplastikkügelchen (virusgroß und 25-mal größer). Die Pflanzen wuchsen dort fünf bis zwölf Tage lang, dann sollten Querschnitte der Wurzeln zeigen ob eine Aufnahme bzw. wo eine eventuelle Anlagerung erfolgte.

Das Ergebnis: Kein Mikroplastik – egal welcher Größe – wurde von lebenden Gewebezellen einer der beiden Arten absorbiert. „Wir haben Plastikansammlungen um die Wurzelkappenzellen und einige entlang der Oberfläche der Wurzel gesehen. Wir haben jedoch keine Hinweise auf Mikroplastikkügelchen innerhalb der Zellstrukturen oder zwischen den Zellen gesehen“, so Stephen Taylor, PNNL-Postdoktorand und Hauptautor der Studie.
Die Wurzelkappenzellen schützen die empfindlichen, wachsenden Teile der Wurzeln, sind kurzlebig und werden häufig abgestoßen. Fazit: Absorption ist kein Problem, aber die Bindung an die Wurzeln könnte es sehr wohl sein. Sie kann ein Problem für Wurzelfrüchte wie Karotten, Kartoffeln oder Rüben darstellen, denn sie waren auch über Waschen nicht zu entfernen.

Die Ergebnisse helfen Forschern aber nicht nur dabei, mehr darüber zu erfahren, ob Pflanzen Kunststoffpartikel absorbieren, sondern haben auch potenzielle Umweltanwendungen. Wenn sich Kunststoffe an der Wurzelspitze ansammeln, könnte man vielleicht Pflanzen nutzen, um Kunststoffe aus Ökosystemen zu entfernen. Außerdem können die Ergebnisse auch Anwendung in der Herstellung umweltfreundlicherer Kunststoffe finden, bei denen verhindert wird, dass sie von Pflanzen und Tieren absorbiert werden, so die Hoffnung der Wissenschafter.


Quelle: PNNL