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Pflanzen fördern je nach Bedingungen Wachstum oder Schutzmechanismen © mijiworld/Shutterstock.com

Forschung

Wie Pflanzen gezielt ihr Wachstum steuern

Ein Artikel von Denise Wachschütz | 10.06.2025 - 10:37

Ein Team von Biologen der Universität Bielefeld, geleitet von Dr. Tino Köster und Dr. Martin Lewinski, hat im Fachjournal New Phytologist neue Einblicke in die Steuerung von Genaktivitäten bei Pflanzen veröffentlicht. Im Mittelpunkt der Forschung steht das Protein At-RS31, das eine Schlüsselrolle dabei spielt, wie Pflanzen auf Umweltbedingungen reagieren und ihr Wachstum anpassen. Die Studie zeigt, dass At-RS31 mithilfe eines natürlichen Prozesses, dem sogenannten alternativen Splicing, gezielt Wachstums- und Stressreaktionen beeinflusst.

Dr. Tino Köster und Dr. Martin Lewinski, beide aus der Arbeitsgruppe von Professorin Dr. Dorothee Staiger an der Universität Bielefeld, sind die Hauptautoren einer neuen Studie, die kürzlich im angesehenen Fachjournal New Phytologist erschienen ist. In Zusammenarbeit mit Forschungspartnern aus Wien, Argentinien und Kanada untersuchte das Team, wie das pflanzliche Protein At-RS31 gezielt sogenannte alternative Splicing-Prozesse steuert – ein Vorgang, bei dem aus einem einzigen Gen durch unterschiedliche Schnittmuster verschiedene Eiweißvarianten entstehen können.

Schlüsselfigur in der pflanzlichen Genregulation

Anders als man vielleicht erwarten würde, arbeitet At-RS31 nicht im Hintergrund. Die Forscher verwendeten hochpräzise Analysemethoden wie iCLIP und RNAcompete, um genau zu bestimmen, an welchen Stellen im Erbgut der Modellpflanze Arabidopsis thaliana das Protein ansetzt. Die Ergebnisse zeigen: At-RS31 bindet an über 1.400 Gene – darunter viele, die das Wachstum über den sogenannten TOR-Signalweg regulieren, sowie solche, die an Stressreaktionen beteiligt sind, zum Beispiel durch das Pflanzenhormon Abscisinsäure (ABA).

„Diese Bindemuster zeigen, dass At-RS31 nicht nur einzelne Gene beeinflusst, sondern tiefgreifend in die pflanzliche Genregulation eingreift“, erklärt Dorothee Staiger. „Besonders spannend ist, dass sich bei einer Überexpression von At-RS31 die Stressreaktion der Pflanzen stark verstärkt – auf Kosten des Wachstums.“

Ein Schalter zwischen Wachstum und Überlebensmodus

At-RS31 funktioniert wie ein molekularer Schalter: Unter günstigen Bedingungen unterstützt es das Wachstum, bei Belastung – etwa durch Trockenheit – aktiviert es Schutzprogramme. Darüber hinaus beeinflusst es auch die Herstellung weiterer Splicing-Faktoren, was auf ein übergeordnetes Kontrollsystem innerhalb der Zelle hindeutet.

Die Studie macht deutlich, wie entscheidend alternatives Splicing für die Anpassungsfähigkeit von Pflanzen ist. Entgegen früherer Annahmen übernehmen bestimmte Proteine – darunter Serin/Arginin-reiche wie At-RS31 – nicht nur technische Aufgaben bei der Genverarbeitung, sondern wirken als aktive Regulatoren umfassender genetischer Programme.

Neben den biologischen Grundlagen sehen die Forscherinnen und Forscher auch praktische Anwendungsmöglichkeiten. „Ein besseres Verständnis dieser Regulationsmechanismen kann helfen, Nutzpflanzen robuster gegenüber klimatischen Stressfaktoren zu machen“, so Staiger. Mit ihrer Forschung leistet das Team aus Bielefeld somit einen wichtigen Beitrag zur Frage, wie Pflanzen auf Umweltveränderungen reagieren – und wie dieses Wissen künftig gezielt in der Landwirtschaft genutzt werden kann.


Quelle: Uni Bielefeld