Wer über Stauden als Topfkultur spricht, muss im gleichen Satz auch die notwendigen Maßnahmen zur Steuerung der Pflanzen beachten. Stauden erleichtern diesen Aspekt nicht gerade, denn jede Art stellt in dem Zusammenhang spezifische Ansprüche. Wachstums- und Entwicklungsrhythmen müssen bekannt sein, um Stauden mit wirtschaftlich vertretbaren Kulturzeiten als blühende Ware zu bestimmten Absatzzeiten anbieten zu können. Der Lebensrhythmus der Stauden ist im Wesentlichen durch den Wechsel von Wachstums- und Ruheperioden geprägt.
Die Pflanzen durchlaufen nach der Keimung oder Vermehrung mehrere Entwicklungsphasen, denen eine Ruheperiode folgt. Beginn und Ende der jeweiligen Entwicklungsphase hängen stark von den natürlichen jahreszeitlichen Witterungsbedingungen ab. Die Stauden reagieren dabei auf bestimmte äußere Faktoren mit physiologischer Signalwirkung wie Lichtmenge, Tageslänge, Wärmesumme, Temperaturschwankungen oder Wasserverfügbarkeit. Hier setzt in der Kultur auch die Möglichkeit der Blütensteuerung an. Die Entwicklungs-rhythmik ist häufig genetisch verankert und wird dann meist auch in der Kultur beibehalten. Für die Kultur von Topfstauden ist zum einen die Zeitdauer von Bedeutung, die eine Staude unter optimalen Kulturbedingungen bis zur Blütenentwicklung benötigt. Andererseits ist die Kenntnis des staudeneigenen Reaktionsmechanismus zur Steuerung der Blüte für den gewünschten Absatztermin wichtig. Aus wirtschaftlicher Sicht sind vor allem solche Arten und Sorten für die gesteuerte Topfkultur interessant, die bereits im ersten Kulturjahr sicher zur Blüte kommen (beispielsweise Scabiosa, Coreopsis, Nepeta).
Steuerungsmöglichkeiten
Als Steuerungsinstrumente spielen bei der Topfstaudenkultur insbesondere die Wachstumsfaktoren Licht, Temperatur und Wasserführung eine entscheidende Rolle. Sie dienen der Einleitung und Beendigung von Ruheperioden (sog. „Aktivitätswechsel“) sowie der Umstimmung der Pflanzen von der vegetativen zur generativen Phase. Im Bereich Licht bestehen Steuerungsmöglichkeiten durch die Tageslänge (Kurz- oder Langtag) und die Lichtmenge (Assimilationslicht). Die Aufnahme des blühinduzierenden Signals erfolgt über die Laubblätter.
Bei der Temperatur kann die Steuerungsmöglichkeit durch eine Absenkung (Vernalisation), Erhöhung (Treiben) oder die Wärmesumme erfolgen. Die Aufnahme des Vernalisationsreizes erfolgt über die Sprossspitze.
Letztendlich besteht auch durch die Wasserführung eine Option zur Steuerung. Bekannt ist das zeitliche Trockenhalten der Pflanzen bei gleichzeitiger Reduktion der Nährstoffversorgung. Das löst bei den Pflanzen eine Notblüte aus, die dann unter den nachfolgend normalen Kulturbedingungen zu einem entwickelten Blütenstand heranwächst.
Die Kenntnis von Ruheperioden ist bei Stauden ein wichtiger Faktor, um Steuerungsinstrumente ansetzen zu können. Bei der „primären Wachstumsruhe“ stehen ausschließlich die jahreszeitlich festgelegte arten- und sortentypische Rhythmik im Vordergrund. Dagegen wird die „sekundäre“ oder auch „Zwangsruhe“ durch äußere Faktoren wie zu geringe oder zu hohe Temperaturen bei gleichzeitig sehr trockenen Bedingungen ausgelöst.
Zur Brechung der primären Wachstumsruhe benötigen viele Stauden eine Phase niedriger Temperaturen (Vernalisationsbedürfnis). Kalt ist allerdings immer im Verhältnis zur optimalen Wachstumstemperatur zu sehen. Ist das Kältebedürfnis erfüllt, können die zum Ende der Vegetationszeit gebildeten Ruheknospen meist durch eine Temperaturerhöhung vorzeitig zum Austrieb gebracht werden. Oft ist das Kältebedürfnis allerdings mit einem Bedarf an bestimmte Tageslängen gekoppelt.
Eine Zwangsruhe kann dagegen jederzeit durch Änderung der Kulturbedingungen beendet werden. Das Phytohormon Gibberellin kann das Kältebedürfnis teilweise und in manchen Fällen sogar ganz ersetzen und den Austrieb von Ruheknospen fördern. Es wird jedoch in der Regel aufgrund der unerwünschten Auswirkungen auf das Streckenwachstum der Topfpflanzen nicht eingesetzt.
Zeitpunkt der Blütensteuerung
Grundsätzlich ist bei Stauden die Blütenbildung erst möglich, wenn die Pflanze durch vegetatives Wachstum eine bestimmte arten- und sortenspezifische Größe erreicht hat. Bei einigen Stauden ist die Blühreife an veränderten Blattformen erkennbar.
Häufig bestimmen auch die Anzahl der Laubblätter oder die gebildete Blattfläche die Blühreife. Für die Kultur ist das insofern wichtig, als erst gegen Ende der Jugendphase Maßnahmen zur Förderung der Blütenbildung und -entwicklung greifen. Erst dann sind die Pflanzen in der Lage, auf blühinduzierende Signale wie Tageslänge, Lichtmenge, Kältereiz oder Trockenstress zu reagieren. Allgemeine Regeln lassen sich aber nicht ableiten. Die Reaktionsmechanismen sind sehr art- und sortenspezifisch.
Die Gärtner-Praxis
Abgeleitet vom Verhalten der Stauden können in der gärtnerischen Praxis einige Maßnahmen zur Blütensteuerung herangezogen werden. Zunächst ist die Wahl geeigneter Stauden ausschlaggebend. Dabei kommen solche in Frage, die keine festgelegte Ruhephase benötigen. Hier sind insbesondere die Züchter gefragt.
Durch die Wahl des Vermehrungszeitpunktes oder auch der Vermehrungsart können Steuerungsfunktionen ausgeübt werden. Für eine schnelle Kultur kann auch der Zukauf von Sämlingen zum Pikieren als Tuff in den Endtopf, das Stecken blühinduzierter Stecklinge zu mehreren in den Endtopf oder das Topfen von bereits vorbehandeltem Ausgangsmaterial interessant sein.
Zur Vernalisation muss die Temperatur in der Regel mindestens 5 °C unter die optimale Wachstumstemperatur sinken. Praxisüblich sind Temperaturen unter 10 °C. Ohne Laub überwinternde Stauden lassen sich auch gut in dunklen Räumen kühlen. Die Regulierung der Tageslänge oder Lichtmenge ist relativ einfach durch die praxisüblichen Verfahren zur Tagesverlängerung, Verdunklung oder Belichtung möglich. Ebenso erfordert das begrenzteTrockenhalten bei gleichzeitiger Reduktion der Nährstoffversorgung zur Auslösung der Notblüte im Wesentlichen nur das gärtnerische Geschick des Kultivateurs. Das funktioniert beispielsweise bei Aster alpinus, Campanula carpatica oder Coreopsis hervorragend.