"Stauden-Musterstadt"
Bert Griffioen denkt mittlerweile nur noch in Quadratmetern. Das vereinfacht die Sache und ist wohl auch ein Teil des Erfolgsgeheimnisses. Wenn eine Gemeinde an ihn herantritt, um eine Verkehrsinsel oder den Kreisverkehr zu begrünen, läuft alles pauschal. Und wer bei Griffioens unkonventionellen Methoden bei Planung und Pflege ungläubig den Kopf schüttelt, den überzeugt er mit schon realisierten Projekten vor Ort.Die Gemeinde Leiden, südwestlich von Amsterdam gelegen, hat sich mittlerweile zu einer Art "Stauden-Musterstadt" entwickelt. Auf unserer Rundfahrt zeigt er sowohl Flächen, die im vergangenen Jahr bepflanzt wurden, als auch ein 30-jähriges Staudenbeet, welches schrittweise mit Neupflanzungen aufgefüllt wurde.
Zweites Standbein
Dass Griffioen viel Zeit in die Minimierung der Pflegekosten investiert hat, geschah natürlich nicht ganz uneigennützig. Griffioen Wassenar BV gehört zu den größten Staudenlieferanten Europas, inzwischen beliefert er mit einem Sortiment von 850 Arten Gartencenter und Baumärkte in zwölf Ländern. Die Landschaftsgestaltung als zweites Standbein macht ihm aber sichtlich Spaß, auch weil es einiges Umdenken erfordert. "In diesem Bereich kommen wir mit maximal 35 Staudenarten aus, wir wollen nicht das zwanghaft Ausgefallene, sondern das, was funktioniert."
Außergewöhnlich wirken dagegen auf den ersten Blick seine Pflegekonzepte, die nicht nur einmal von der ausführenden Firma einfach abgelehnt wurden. "Zwischen März und April ist ein radikaler Rückschnitt erforderlich. Oft kam es vor, dass ich bei der Gemeinde angerufen habe, um zu fragen: Habt ihr schon geschnitten? Die Antwort war positiv, trotzdem habe ich es noch einmal kontrolliert. Da haben sie doch tatsächlich 10 Zentimeter stehen lassen. Wenn ich von Rückschnitt spreche, dann meine ich auf 1-2 Zentimeter!" Dieser Radikalschnitt (Abmähen) setzt natürlich die entsprechende Pflanzenvorauswahl voraus, allerdings senkt sie die Pflegekosten ungemein. Eine spätere Teilung der Stauden kommt aus Kostengründen nicht in Frage.
Deckung in Rekordzeit
Unkrautentfernung stellt einen immensen Kostenfaktor bei Staudenpflanzungen dar. Der radikale Schnitt im Frühjahr ist das erste Gegenmittel, da er eine extreme Wüchsigkeit zur Folge hat. Darüber hinaus wird bei der Planung etwas großzügiger kalkuliert, auf den Quadratmeter kommen mindestens acht Pflanzen (11 cm Topf).Um eine vollständige Bodenbedeckung innerhalb der ersten Saison zu garantieren (und das tut Griffioen), werden ausschließlich Sorten mit großen Blättern (z. B. Salvia nemorosa 'Mainacht') gepflanzt. Neben der geringen Unkrautmenge hat dies vor allem einen psychologischen Vorteil: Die Anwohner identifizieren sich mit der Grünfläche (weniger Müll), neben Verkehrsflächen entstehen nicht die klassischen "Abkürzungspfade". Andere Klassiker wie Vinca (zu langsam) oder Carex (unzureichende Winterhärte) haben sich dagegen nicht bewährt. Ein weiteres Auswahlkriterium ist die Salzverträglichkeit der jeweiligen Stauden, hier zeigt Griffioen eine stark betroffene Leidener Durchfahrtsstraße: "Im vergangenen Jahr haben wir eine Zählung vorgenommen, insgesamt wurde 32-mal gestreut." Der durchwegs üppigen Vegetation ist das nicht anzumerken.
Die Basis muss stimmen
Nichts funktioniert ohne das passende Substrat. Durch jahrzehntelange Erfahrung in seinem Staudenbetrieb hat Griffioen die entsprechende Mischung für den öffentlichen, pflegeextensiven Raum entwickelt, der Naturdünger auf Knochenmehlbasis sorgt für den sogenannten "Jump Start" im Frühjahr.
Überhaupt hat die Weiterentwicklung des Substrats einen hohen Stellenwert. "Wir haben uns innerhalb der vergangenen Jahre gezielt auf Torfersatzprodukte konzentriert. Von den drei Materialien, die wir haben testen lassen, scheint eines tatsächlich unsere Erwartungen zu erfüllen. Ab dem nächsten Jahr werden wir dieses Substrat schon in großen Mengen einsetzen können."
Zeitfaktor
Bei seinem Plädoyer für die Staude stellt Bert Griffioen vor allem den Faktor Zeit in den Vordergrund. "Eine Staudenpflanzung wird für einen Zeitraum von durchschnittlich zehn Jahren angelegt. Natürlich ist die Anfangsinvestition vergleichsweise höher als bei einer niedrigen Gehölzpflanzung. Auch können einzelne Jahre betrachtet durch Bewässerung oder besonderen Pflegeaufwand herausstechen. Bei der Analyse sollte deshalb mindestens ein Zeitraum von drei Jahren gewählt werden."Margareth Hop vom Institut "Applied Plant Research Wageningen" bestätigt diese Einschätzung: Über einen Zeitraum von zehn Jahren sind pflegeextensive Stauden (3050 €/100 m2) vom finanziellen Aufwand vergleichbar mit Rasenflächen und sogar bis zu 30 % günstiger als Gehölzflächen (4150 €/100 m2).
Angesprochen auf den vielerorts vorhandenen Trend zu Begonien und Sommerblumen (z. B. in Wien) geht Griffioen noch einen Schritt weiter: "Auch hier ist bei richtiger Vorbereitung und Pflege kein großer Unterschied auszumachen. Wichtig ist vor allem eines: Das Rezept von hier ist nicht 1 zu 1 in jede Stadt und Klimazone übertragbar, allerdings lässt sich das durchaus ändern."
In Leiden sind die Staudenbeete im Idealfall elf Monate attraktiv, im Januar wird mit kleinen Zwiebelblumen gestartet, die bis in den März für farbige Akzente sorgen. Von April bis teilweise sogar November geben dann die blühenden Stauden den Ton an.
Strenge Auswahl
Um wirklich kostensparende UND attraktive Staudenlösungen zu erreichen, muss man sich zunächst vom Staudenimage der vergangenen Jahrzehnte lösen. Margareth Hop wird noch immer mit dem klassischen Vorurteil "Stauden sind ein pflegeintensiver Luxus“ konfrontiert. „Natürlich werden wir nicht Delphinium oder Paeonia verwenden." Innerhalb von fünf Jahren Forschung (2004-2008) haben sich klare Richtlinien für die Verwendung im öffentlichen Raum herauskristallisiert: Neben dem schmückenden Charakter und der für den Straßenverkehr idealen Höhe (40 bis 90 cm) ist vor allem die Robustheit, Winterhärte und Salztoleranz entscheidend. Um den Unkrautdruck zu minimieren, ist der schnelle Schluss der Vegetationsdecke Voraussetzung, eine Teilung soll nicht erforderlich sein.
Mittlerweile hat sich Griffioen schon so spezialisiert, dass er den vollen Erfolg garantiert und seinen Einflussbereich im Westen Hollands Stück für Stück erweitert. Auch international ist man angesichts der Ergebnisse und Vergleichszahlen durchaus schon hellhörig geworden. Griffioen hat das sicher auch seiner offensiven Art zu verdanken, denn was überzeugt mehr, als eine Garantie wie diese: "Wenn aus unserer Pflanzung Stauden gestohlen werden, dann akzeptieren wir das einfach mal als Kompliment und ersetzen sie wieder!"