Gemeinsame Forderung für mehr soziale Gerechtigkeit oder Aufspringen auf die derzeit boomende Nachhaltigkeitswelle?
Die bevorstehende Einführung des Blumengütesiegels FAIR FLOWERS FAIR PLANTS (FFP) durch die internationale Blumen-Handelsorganisation Union Fleur, des neben FLP-Flower-Label-Programm und FAIRTRADE 3. ökosozialen Gütesiegels auf dem österreichischen Blumenmarkt, war Anlass, zum „Runden Tisch“ zu laden.
Round Table
Auf Initiative von Ass. Prof. Dr. Johannes Balas von Institut für Garten-, Obst- und Weinbau der Universität für Bodenkultur wurde am 21. April 2006 in den Räumen der Universität zum Thema „Sozialer als Sozial?- FLP, FAIRTADE, FFP, Stärkung sozialer Gerechtigkeit oder Reaktion auf einen neuen Hoffnungsmarkt?“ diskutiert. Mögliche Auswirkungen auf das KonsumentInnen vertrauen war ein weiterer wichtiger Punkt. Neben den VertreterInnen der drei Gütesiegel waren beteiligt: MitarbeiterInnen der Fach-Gewerkschaft Agrar – Nahrung – Genuss ANG, des österreichischen Blumenbüros, des Vereins für Konsumenteninformation (VKI), des Lebensministeriums, der Berufsschule für Gartenbau und Floristik, der österreichischen Floristikbranche sowie des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte.
Fassler: "Menschenrechte stärken"
Karin Lukas, Mitarbeiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte betonte, dass die unabhängige Überprüfbarkeit der Standards, worauf die Gütesiegel beruhen, entscheidend sei. Diesbezüglich seien einheitliche Richtlinien, die durch den so genannten ISO-Prozess forciert werden sollen, notwendig. Beim derzeitigen Dschungel unterschiedlicher Standards sei man davon aber noch weit entfernt.
Margot Fassler von FLP hielt fest, dass ein ökosoziales Gütesiegel als Instrument zu dienen habe, um Menschenrechte zu stärken. Deshalb sei es notwendig, dass Menschenrechtsorganisationen die Trägerschaft innehätten. Vermarktungs- und Verkaufsargumente stünden bei NGOs nicht an vorderster Stelle, was jedoch bei Handelsorganisationen ihrer Profession entsprechend der Fall sei. Deshalb sei es notwendig, dass die Trägerschaft eines ökosozialen Gütesiegels bei unabhängigen Organisationen wie NGOs bleibe, damit ihre Qualität gesichert sei.
Uwe Meier: "Kulturverträglichkeit" von FLP
Uwe Meier vom Institut für Pflanzenschutz im Gartenbau in Braunschweig und Mit-Entwickler des Verhaltenskodex von FLP erläuterte die notwendige Verknüpfung von wirtschaftlichem Erfolg, Sozialverträglichkeit und Naturverträglichkeit durch die so genannte „Kulturverträglichkeit“ oder „Agrarethik“. Diese Verknüpfung sei für ein hochwertiges Gütesiegel unverzichtbar.
Georg Gruber von FAIRTRADE Österreich hielt zunächst fest, dass FAIRTRADE laut unabhängiger Studien tatsächlich zu tief greifenden Verbesserungen in den Ländern des Südens führe. Im speziellen Fall des fairen Handels von Blumen sieht er keine unüberbrückbaren Hindernisse für zukünftige Kooperationsmöglichkeiten mit FLP.
Ein Unterschied zu FLP sei, dass FAIRTRADE ein Prämiensystem vorsehe, womit Güter wie Moskitonetze und Dienstleistungen wie Computerkurse finanziert werden könnten, die den ArbeitnehmerInnen Entwicklungschancen böten. Zudem würden nicht nur die ProduzentInnen sondern alle beteiligten Unternehmen entlang der Handelskette zur Einhaltung der FAIRTRADE Kriterien verpflichtet.
Steffek: FFP ist Qualitätsgütesiegel
Emil Steffek als Vertreter von FFP erläuterte, dass FFP als einheitliches Konsumentengütesiegel gedacht sei: alle vertretenen Zertifikate am Blumenmarkt sollten als FFP-Gütesiegel an die Konsumenten verkauft werden, auch FLP und FAIRTRADE. Verhandlungen über eine Kooperation von FLP und FFP seien bedauerlicherweise gescheitert, FFP sei aber weiterhin gesprächsbereit. Die unabhängige Überprüfbarkeit der Kriterien des FFP sei durch die Mitwirkung von VertreterInnen von Gewerkschaften wie der internationalen Landarbeitergewerkschaft IUF und holländischer NGOs in den maßgeblichen FFP Gremium gegeben. Zudem sei bei Verstoß gegen die Richtlinien auch ein Ausschluss aus dem FFP möglich. Dadurch sei die Qualität des Gütesiegels FFP gesichert.
FFP für holländischen Markt
Im Anschluss an die Präsentation von FLP, FAIRTRADE und FFP fand eine offene Diskussion statt, in der über Gemeinsamkeiten und Differenzen der vertretenen Gütesiegel gesprochen wurde.
Bei der entscheidenden Frage, welche Faktoren für einen Zusammenschluss aller drei Gütesiegel weiterhin hinderlich seien, wurde festgehalten, dass FAIRTRADE ausschließlich für Produkte aus den Ländern des Südens stehe, FLP und FFP aber auch für europäische Produzenten offen sei: im Sinne volkswirtschaftlicher und ökologischer Verträglichkeit müsse darauf geachtet werden, dass es zu keiner künstlichen Importrate käme.
FLP forderte zum wiederholten Mal, dass FFP im europäischen Probelauf auf dem holländischen Markt einführt werden solle und das aus zwei Gründen: erstens, weil derzeit fast nur holländische Produzenten das FFP – Zertifikat erworben hätten und damit für heimische Produzenten verschärfte Konkurrenz drohe, wenn FFP auf dem österreichischen und deutschen Markt aktiv beworben würde; zweitens, weil sich FLP durch den holländischen Probelauf ein Bild von der Möglichkeit der Implementierung von Menschenrechten durch FFP machen und danach eine fundierte Entscheidung für oder gegen eine Kooperation mit FFP treffen könne. Die Qualität des neuen Labels sei erst einzuschätzen, wenn sicher sei, dass die VertreterInnen der Gewerkschaften und NGOs mit ihren Forderungen nach menschenwürdigen Arbeitsbedingungen auch durchdringen könnten.
Sozialer als Sozial?Gemeinsame Forderung für mehr soziale Gerechtigkeit oder Aufspringen auf die derzeit boomende Nachhaltigkeitswelle?
Als Antwort auf diese Frage muss wohl noch einige Zeit gelten, dass geeignete Bewertungsmöglichkeit bezüglich der Möglichkeiten der einzelnen Gütesiegel, die menschenrechtliche und ökologische Situation im Sinne des Südens und des Nordens zu verbessern, rasch entwickelt werden müssen. Entscheidend wird sein, dass alle beteiligten Gruppen, die soziale und ökologische Zertifikate herausgeben, darauf achten, das Vertrauen der KonsumentInnen, die mit einem gesiegelten Produkt eine etwas gerechtere Welt unterstützen möchten, nicht zu missbrauchen. Eine gerechtere Welt lässt sich nicht allein durch Instrumente wie Zertifikate oder Gütesiegel erzeugen, sie erfordert eine gerechte Haltung von allen Beteiligten.