Die Kastanienminiermotte (Cameraria ohridella) trat in Österreich erstmals 1993 auf. Zur Bekämpfung des Schädlings wurde ab 1995 das selektiv wirkende Fraßgift Diflubenzuron (Dimilin) eingesetzt. Als Alternative dazu wurde vor zwei Jahren die Methode Treex 200 SL vorgestellt. Bei dieser Methode werden 10 bis 20 Löcher mit 8 mm Durchmesser rund um den Stamm in das Kambium der Bäume gebohrt, durch welche eine Insektizid-Fungizid-Kombination direkt in den Saftstrom injiziert wird. Der Wirkstoff gelangt mit dem Saftstrom in die Blätter und wirkt dort als Fraßgift. Pro Baum werden 30 bis 40 ml des Insektizid-Fungizid-Cocktails eingesetzt.
Embolie-Gefahr
Laut Ing. Peter Riedel, Stadtgartenoberamtsrat in Wien, wurden Stamminjektionen gegen Ende der 80er Jahre in den USA entwickelt, ursprünglich um gegen die Platanennetzwanze vorzugehen. Die Erfolge waren wenig zufrieden stellend, deshalb sei man in Österreich von der Injektionsmethode wieder abgekommen.
Der Hauptkritikpunkt an der Injektionsmethode ist das Anbohren der Stämme. „Bei jeder Injektion dringt Luft ein“, erklärt Riedel, „ dabei kommt es zu einer Art Embolie – vor allem bei Bäumen, die nicht sehr vital sind. Das Holz verfärbt sich und die Verfärbung breitet sich aus. Jede Verletzung ist eine potenzielle Zutrittspforte für Sporen.“ Dass die Injektionsmethode zur Bekämpfung der Kastanienminiermotte „wieder aufgewärmt wurde“ verwundert Riedel.
„Physiologisch bedenklich“
Dr. Christian Tomiczek, Leiter des Instituts für Waldschutz des BFW lehnt die Injektionsmethode grundsätzlich ab. „Ein Großteil der behandelten Bäume wird früher oder später von Wundfäuleparasiten befallen.“ Dies hätten auch großflächige Versuche in Polen gezeigt, bei denen ein Großteil der behandelten Rosskastanien chronisch bis akut geschwächt wurde. Wenn der Baum das Insektizid selbst durch die Leitungsbahnen befördert, könne es sein, dass ein Teil zurückfließe und durch die Bohrlöcher wieder austrete. Dadurch könnten Menschen in Kontakt mit dem Gift kommen.
Auch DI Jörg Obenaus, Abteilungsleiter bei ISS Facility Services Grünraum hält die Injektionsmethode für baumphysiologisch bedenklich: „Jede Bohrung ist eine Verletzung des Baumes.“ Die Rosskastanie sei ein schlechter Kompartimentierer, der Wunden nicht gut abschottet. Zudem habe sie einen hohen Splintholzanteil und sei dadurch besonders insekten- und pilzgefährdet.
Kaum Substanzverlust
Dkfm. Zivojin Rilakovic führt seit 2005 Versuche mit Treex 200 SL in Wien und Niederösterreich durch. „Ja, die Bäume werden dabei verletzt“, gibt Rilakovic zu. „Ob die Verletzung langfristige Folgen hat, ist umstritten. Ich gehe davon aus, dass dies nicht der Fall ist.“ Die Wunden, die der Rosskastanie beim Baumschnitt zugeführt werden, seien wesentlich größer als die Wunden bei Bohrungen. Wenn eine Kastanie einen Ast verliere, verliere sie 10 bis 20 Kilo auf einmal. Der Substanzverlust durch Bohrungen sei dagegen unbeträchtlich. „Ob der Baum durch die Bohrungen leidet, muss jeder Baumbesitzer selbst beurteilen.“ Dass Menschen durch den Kontakt mit dem Insektizid-Fungizid-Gemisch verletzt werden können, bestreitet Rilakovic. Dazu sei die Menge des Wirkstoffes - 30 bis 40 ml – zu gering.
Ist Behandlung notwendig?
Den Schaden, den die Miniermotte an der Rosskastanie anrichtet, beurteilt Tomiczek als gering. Beobachtungen aus den vergangenen 10 Jahren hätten gezeigt, dass bei den befallenen Bäumen kein Rückgang der Jahresringbreite zu bemerken war. Eine Behandlung sei deshalb nicht unbedingt erforderlich. Riedel hingegen weist darauf hin, dass befallene Bäume zu Notblüten und Notaustrieben neigen. Dies sei sehr wohl ein Zeichen dafür, dass die Rosskastanie unter dem Miniermottenbefall leide. Vor allem, wenn der Baum unter Stress steht, was im Stadtklima grundsätzlich der Fall sei, müsse man à la longe mit einem Absterben rechnen.
Mehr zum Thema Kastanienminiermotte im Gärtner + Florist 10/5 mit Schwerpunkt „Baumschule, Baumpflege“ (Erscheinungstermin 19.5). Anmerkungen und Meinungen zum Thema sind der Redaktion willkommen.