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Nützliche Räuber und Parasiten

Ein Artikel von DI Michaela Tebaldi | 19.04.2006 - 16:26
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Ob als Larve, Puppe oder adultes Tier – je nach Art können Nützlinge in jedem Lebensstadium als Schädlingsbekämpfer aktiv werden. Die biologische Alternative
Die Nützlingsberatung der steirischen Landwirtschaftskammer z. B. hat es sich zum Ziel gesetzt, Aufklärungsarbeit auf diesem Gebiet zu leisten und bietet sowohl für Zierpflanzen- als auch für Gemüsebaubetriebe Einzel- bzw.- Gruppenberatungen an.
Im Gemüsebau funktioniert der Einsatz von Nützlingen im Rahmen der integrierten Produktion bereits sehr gut.
Doch auch im Zierpflanzenbau muss man sich Gedanken über Alternativen machen, da immer weniger wirksame chemische Pflanzenschutzmittel für den Gartenbau zugelassen sind.
Dazu kommt, dass verschiedene Schädlinge gegen die wenigen vorhandenen Pflanzenschutzmittel resistent werden und deren Wirksamkeit dadurch enorm reduziert bzw. zunichte gemacht wird.
Aus diesen Gründen – und weil die Kunden nicht nur bei Gemüse, sondern mittlerweile auch bei Zierpflanzen nach biologischen Produkten verlangen – macht es Sinn, über biologische Schädlingsbekämpfung im Zierpflanzenbau nachzudenken.

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Umgang mit Nützlingen
Grundsätzlich sollte man eines nicht außer Acht lassen: Nützlinge sind Tiere und nicht vergleichbar mit chemischen Pflanzenschutzmitteln. Demzufolge können sie auch nicht auf gleiche Weise eingesetzt werden. Mit dem Einsatz von Nützlingen muss schon sehr früh begonnen werden, da hier die vorbeugende Wirkung von spezieller Bedeutung ist.
Schon mindestens drei Monate bevor die ersten Nützlinge ausgesetzt werden, sollte man beim Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln auf Produkte zurückgreifen, die als nützlingsschonend ausgewiesen sind. Nützlinge reagieren nämlich äußert empfindlich auf Pflanzenschutzmittel.
Weiters ist eine regelmäßige Kontrolle der Kulturen unerlässlich. Wenn ein Schädlingsbefall zu spät erkannt wird, ist der Einsatz von Nützlingen oft nicht mehr oder eingeschränkt wirksam. Stark befallene Pflanzen müssen umgehend entfernt und die Nützlinge gezielt ausgebracht werden. Um schon rechtzeitig einschreiten zu können, ist der Einsatz von gelben und blauen Leimtafeln sinnvoll.
Um einen Schaden erkennen zu können, muss man einerseits über die Biologie und Auswirkungen der Schaderreger und andererseits über die Biologie der Nützlinge informiert sein. Hygiene ist Voraussetzung
Will man Nützlinge erfolgreich im Gewächshaus einsetzen, so muss das oberste Gebot Hygiene heißen. Betriebs- und Pflanzenhygiene sind also Grundvoraussetzungen für den Umgang mit Nützlingen. Damit ist das Erkennen und Ausschalten aller möglichen Infektionsquellen vor und während der Kultur gemeint: Kulturflächen, Gefäße, Gewächshauseinrichtungen, Werkzeug, Substrat/Boden, Pflanzen, Luft und Wasser. Auf diesen Wegen schleichen sich pilzliche und tierische Erreger sowie Bakterien und Viren in die Kulturen ein.Lückenlose Kontrolle
Rainer Wilke vom Pflanzenschutzdienst in Bonn rät dazu, nach einer Hygienecheckliste vorzugehen, um sämtliche ‘undichten’ Stellen beseitigen zu können.
Die Liste reicht vom Klima bis zur Applikationstechnik.
Klima: Funktioniert der Klimacomputer bzw. die Messungen? Wird das Auftreten von Krankheiten und Schädlingen durch das herrschende Klima begünstigt?
Substrat: Ist das Substrat optimal für die Kultur? War die Lagerung korrekt? Wurde das Material vor dem Einsatz analysiert?
Wasser: Wird das Wasser regelmäßig analysiert? Könnten Krankheiten über das Wasser übertragen werden? Treten im Bestand Vernässungsstellen auf? Wann wird bewässert? Die Pflanzen sollten abends trocken sein, um die Luftfeuchte so niedrig wie möglich zu halten.
Düngung: Ist die Konzentration des Düngers genau bemessen und der Kultur und Jahreszeit angepasst? Erfolgt eine Kontrolle über Bodenanalysen?
Kultureinrichtungen: Sind Gewächshaus, Geräte, Stellflächen, etc. sauber?
Saat- und Pflanzgut: Wissen Sie über die Widerstandsfähigkeit der kultivierten Pflanzen Bescheid? Ist das Ausgangsmaterial gesund?
Befallskontrollen: Kennen Sie das Aussehen der Schädlinge in den verschiedenen Lebensstadien? Gibt es regelmäßige Kontrollen der Kulturen, die schriftlich protokolliert werden (Person, Datum, etc.)? Werden Gelb- und Blautafeln bzw. Lichtfallen eingesetzt?
Infektionsquellen: Werden befallene Pflanzen umgehend beseitigt? Werden die Abfälle getrennt von den Produktionseinrichtungen gelagert? Werden Werkzeuge, Geräte, Paletten, Kisten, etc. vor Gebrauch gereinigt?
Applikationstechnik: Wird für jeden Schaderreger die entsprechende Applikationstechnik gewählt? Ist eine gleichmäßige Benetzung der Pflanze ohne Abtropfverluste möglich? Funktionieren die Pflanzenschutzgeräte einwandfrei? Wissen Sie, wie die Pflanzenschutzmittel korrekt angewendet werden müssen?

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Räuber und Parasiten
Schädling und Nützling stehen entweder in einer Räuber-Beute- oder einer Parasit-Wirt-Beziehung. Als Räuber sucht der Nützling den Schädling aktiv auf, ohne dass er selbst die Kultur schädigt.
Als Parasit legt er seine Eier in den Schädlingen ab, der so von innen aufgefressen wird.
Bei einigen Kulturen gibt es bereits gut funktionierende Nützlingskonzepte. Dazu zählen bei den Beet- und Balkonpflanzen z. B. Cyklamen, Topfchrysanthemen oder Poinsettien, bei den Schnittblumen Gerbera, Rosen und Chrysanthemen.Raubmilben & Co
Gegen Thripse, Spinn- und Weichhautmilben können Amblyseius (Raubmilbe) oder die Florfliegenlarve Chrysoperla, die auch bei Blattläusen hilft, eingesetzt werden. Beide Nützlinge sind Räuber. Die Raubmilbe ernährt sich vorzugsweise von Eiern und Larven der gemeinen Spinnmilbe und kann pro Tag zehn Beutetiere fressen.
Bei Blattläusen stehen neben Chrysoperla drei weitere Nützlinge zur Verfügung: Die Schlupfwespen Aphidus ervi und Aphidus colemani parasitieren adulte Blattläuse, indem das Weibchen ihre Eier in den Tieren ablegt. Die Gallmücke Aphidoletes ist hingegen als Räuber unterwegs. Sie injiziert den Blattläusen ein Gift, das die Tiere lähmt. Danach wird die Blattlaus ausgesaugt. In einem Leben tötet die Gallmücke zwischen 20 und 80 Blattläuse.
Beim Auftreten von Minierfliegen haben sich die beiden Parasiten Dacnusa sibirica und Diglyphus isaea (Schlupfwespen) bewährt. Beide Nützlinge legen ihre Eier in die Larven der Minierfliege, die sie vorher betäuben.
Die Erzwespe Encarsia formosa bekämpft die Weiße Fliege. Der Nützling parasitiert die Larven und Puppen der Fliege. Danach entwickelt sich die Weiße Fliege noch bis zum Nymphenstadium, bevor sie sich schwarz verfärbt und die adulte Encarsia nach einigen Tagen schlüpft.
Die Raubmilbe Phytoseiulus kommt bei der Bekämpfung von Spinnmilben zum Einsatz. Pro Tag kann der Räuber rund fünf Spinnmilben bzw. 20 Jungtiere oder Eier aussaugen.Lassen Sie sich beraten
Damit der Einsatz von Nützlingen optimal funktioniert, ist es wichtig, die Tiere bei der Lieferung genau zu kontrollieren und sobald als möglich – am besten abends – auszubringen.
Außerdem raten die Experten dazu, einen Nützlingsbeauftragten im Betrieb zu bestimmen, der mit der Umsetzung des biologischen Verfahrens betraut ist. Erfahrungsgemäß lassen sich so die besten Erfolge erzielen.
In jedem Fall ist es aber ratsam, vor einer Umstellung auf biologische Schädlingsbekämpfung eine Fachberatung in Anspruch zu nehmen bzw. regelmäßige Beratungstermine mit den zuständigen Stellen zu vereinbaren.

Allgemeine Hinweise

• Vor dem Nützlingseinsatz sollten Gewächshaus und Kulturen frei von chemischen Pflanzenschutzmittelrückständen sein
• Hygiene: Alle möglichen Infektionsquellen schon im Vorfeld ausschalten
• Während des Nützlingseinsatzes nur ‘nützlingsschonende’ Pflanzenschutzmittel einsetzen
• Regelmäßige und genaue Kontrollen der Kulturen auf Schädlings- bzw. Krankheitsbefall
• Befallene Pflanzen sofort entfernen
• Kenntnis über den Lebenszyklus und das Aussehen von Schädlingen und Nützlingen
• Fachliche Beratung erleichtert den Nützlingseinsatz

Ausbringung von Nützlingen

• Kontrolle der gelieferten Nützlinge
• Nützlinge bis zum Ausbringen dunkel und kühl lagern (nicht unter 8 °C)
• Ausbringung der Nützlinge noch am gleichen Tag (Abend)
• Informationen genau lesen
• Verpackung erst vor Ort öffnen und kontrollieren
• Nützlingsgebinde mind. 1 Woche an der Pflanze lassen
• optimale Klimabedingungen:
über 15 °C, beste Vermehrung bei 20-27 °C
Tagelängen über 8 Stunden
Relative Luftfeuchtigkeit über 60 %