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Pflanzenbestäuber tragen mehr zur Artenvielfalt bei als wir glauben. (Symbolfoto) © Christine Harding/Shutterstock.com

Forschung

Rückgang von Pflanzenbestäubern bedroht Artenvielfalt

Ein Artikel von Alexandra Pickner (bearbeitet) | 28.10.2021 - 08:15

In dem Projekt des Synthesezentrums sDiv am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) geht es um die erste globale Einschätzung zur Bedeutung von tierischen Bestäubern für Pflanzen in natürlichen Ökosystemen. Daran waren 21 Wissenschafter von fünf Kontinenten beteiligt. Die globale Erfassung der Pflanzenbestäubung zeigt eine Wissenslücke in unserem Verständnis der Abhängigkeit der Pflanzen von tierischen Bestäubern. Die gemeinsame Forschung schließt diese Lücke. Das ist notwendig, um Trends in der Artenvielfalt und Häufigkeit von Bestäubern mit den Folgen für Pflanzen auf globaler Ebene zu verknüpfen. Viele Pflanzen werden von Tieren bestäubt, allerdings haben die meisten Pflanzen auch eine gewisse Fähigkeit zur Selbstbefruchtung. Sie sind somit in der Lage einige Samen ohne Bestäuber zu bilden. Auf die Frage, wie wichtig Bestäuber für Wildpflanzen auf globaler Ebene sind, gab es bis jetzt noch keine eindeutige Antwort. Als Indikator für die Bedeutung der Bestäuber für die Pflanzen diente den Forschenden ihr Beitrag zur Samenproduktion – ermittelt durch den Vergleich der Samenproduktion in Abwesenheit von Bestäubern gegenüber der Samenproduktion in Anwesenheit von Bestäubern. Daten dazu gab es bereits, allerdings verteilten sich diese auf Hunderte Forschungsarbeiten, die wiederum den Fokus auf verschiedene Pflanzenarten gelegt hatten.

Viele Forschende begannen alle Daten zu einer neuen Datenbank zusammenzufassen. Sie enthält Daten aus 1.528 separaten Experimenten, die 1.392 Pflanzenpopulationen und 1.174 Arten aus 143 Familien von allen Kontinenten außer der Antarktis repräsentieren. Das Ergebnis zeigt, dass ohne tierische Bestäuber ein Drittel der Blütenpflanzen keine Samen produzieren würden und die Hälfte einen Rückgang der Fruchtbarkeit um 80 % oder mehr erleiden würde. Auch wenn die Selbstbefruchtung der Pflanzen weit verbreitet ist, bei Wegfallen der Fremdbestäubung durch Tiere ist kein Ausgleich möglich.

Die Untersuchungen zeigen, dass viele Arten von Bestäubern in ihren Populationensgrößen stark zurückgegangen und einige sogar ausgestorben sind. Die Erkenntnis, dass eine große Zahl von Wildpflanzenarten von Bestäubern abhängig ist, zeigt, dass ein Rückgang der Bestäuber erhebliche Störungen der natürlichen Ökosysteme verursachen könnte. Die Bestäuber müssen nicht zwangsläufig völlig verschwinden, auch wenn sich das zahlenmäßige Verhältnis zwischen verschiedenen Bestäuber-Arten verschiebt, ist mit Folgewirkungen auf die Pflanzen zu rechnen. Dann werden betroffene Pflanzenarten in ihrer Zahl zurückgehen und das wiederrum wirkt sich negativ auf unterschiedliche Tierarten sowie menschliche Populationen aus, die von diesen Pflanzen abhängig sind. Somit sind Bestäuber nicht nur für die Pflanzenproduktion, sondern auch für die Artenvielfalt wichtig. Pflanzen, die nicht auf Bestäuber angewiesen sind und als „problematische Pflanzen“ gelten, könnten sich noch stärker ausbreiten. Eine weitere beunruhigende Erkenntnis ist, dass wenn selbstfruchtende Pflanzen die Landschaft dominieren, sich zusätzlich negative Folgen für tierische Bestäuber ergeben, weil selbstfruchtende Pflanzen in der Regel weniger Nektar und Pollen produzieren. Noch ist es nicht zu spät, viele Pflanzen sind langlebig, Bestäuber-Arten können noch angesiedelt werden, bevor es zu einem Aussterben der Pflanzenart kommt.
Derzeit fehlt es an qualitativ hochwertigen Langzeitüberwachungsdaten zu Bestäubern, z.B aus Afrika. Man hofft, dass es verstärkt zu Forschung in diesem Bereich kommt, damit die Rückgänge in der Zahl der tierischen Bestäuber erkannt werden und die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt gemildert werden können.
Die Erkenntnisse sind das Ergebnis einer aktuellen Studie, die von einem globalen Forschungsnetzwerk mit Beteiligung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung und der Universität Konstanz durchgeführt wurde.


Quelle: idiv