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Begomoviren und das Tobamovirus bedrohen Tomaten und Kürbisgewächse immer mehr, ein EU-Projekt will jetzt Lösungen erarbeiten © Stephen Barnes/Shutterstock.com

Europa

Projekt zur Bekämpfung viraler Krankheiten

Ein Artikel von Renate Stoiber (bearbeitet) | 07.10.2021 - 11:27

Derzeit sind die gefährlichsten Begomoviren, die Tomaten und Kürbisgewächse befallen, das Tomato Yellow Leaf Curl Virus (TYLCV) und das Tomato Leaf Curl New Delhi Virus (ToLCNDV), die beide durch Weiße Fliegen übertragen werden. Seit den 1990er Jahren richtet TYLCV in spanischen und italienischen Gewächshäusern und Feldern verheerende Schäden an, ToLCNDV wurde 2012 zum ersten Mal in Europa nachgewiesen und infizierte Zucchini in Spanien.

In den vergangenen Jahren hat sich ein weiterer Erreger als ernsthafte Bedrohung für Tomaten herausgestellt: das Tobamovirus, das als Tomato Brown Rugose Fruit Virus (ToBRFV) bekannt ist und z. B. durch Verletzungen an Pflanzen mechanisch übertragen wird. Dieses Tobamovirus sucht nicht nur Südeuropa, sondern auch Nordeuropa heim: Ausbrüche haben Deutschland, die Niederlande, Großbritannien, Frankreich und Belgien befallen sowie vor kurzem auch einen Betrieb in Österreich.

Diese Pflanzenviren sind natürlich nicht durch europäische Grenzen begrenzt und betrafen bereits auch  Tomaten- und Kürbisgewächse in EU-Nachbarländern und bei Handelspartnern wie Marokko, Israel und Indien. Das EU-finanzierte Projekt Virtigation zielt darauf ab, Tomaten und Kürbisgewächse vor diesen Viruserkrankungen zu schützen.

Wertschöpfungskette ist gefährdet

Infizierte Pflanzen entwickeln oft schwere Symptome, die eine Verringerung der Photosynthese und eine Störung des pflanzlichen Hormonhaushalts und der Wachstumsphysiologie der Pflanze verursachen. Während die Begomoviren ToLCNDV und TYLCV durch die Weiße Fliege schon schnell übertragen werden, zirkuliert das mechanisch übertragene Tobamovirus ToBRFV noch schneller. Warme Wetterbedingungen und das zunehmende Auftreten von Pestizidresistenzen bei Insekten beschleunigen vermutlich die Ausbreitung. Intensive Produktionspraktiken, wie Beschneiden und Spalieren, gefolgt von mehreren Ernten, beschleunigen auch die Verbreitung von ToBRFV.

Bis heute gibt es wenige praktikable Mittel, um die durch diese Pflanzenviren verursachten Schäden zu bekämpfen. Gegenwärtig kommen meistens chemische Pestizide gegen die virusübertragenden Vektoren zum Einsatz, wodurch Erzeuger, Verbraucher und die Umwelt chemischen Rückständen ausgesetzt sind. Wenn keine wirksamen und umweltfreundlichen Lösungen gefunden werden, ist die gesamte Wertschöpfungskette gefährdet.

Biobasierte Innovationen zur Reduktion von Pestiziden und Ernteverlusten

Als Reaktion auf die globalen Virusbedrohungen zielt das Projekt Virtigation darauf ab, die Ernteverluste um bis zu 80 % zu reduzieren. In Europa und Israel versucht man sogar Ernteausfälle komplett zu vermeiden. Darüber hinaus möchte das Projekt, den Einsatz chemischer Pestizide zur Bekämpfung von Pflanzenviren und deren Insektenvektoren zu halbieren oder sogar ganz zu eliminieren.

Es sollen mehrere biobasierte Lösungen entstehen, die allein oder in Kombination auf die Viren und Weiße Fliegen, die die Krankheiten übertragen, in Tomaten- und Kürbisgewächsen abzielen. Das Projekt wird integrierte Schädlingsbekämpfungsstrategien entwickeln, darunter Pflanzenimpfstoffe auf der Grundlage von Kreuzschutz, natürliche Virusresistenz durch klassische Züchtungstechniken, Biopestizide wie Pflanzenextrakte, die auf virale Insektenvektoren abzielen, und die nachhaltige Desinfektion von kontaminiertem Boden und Substrat.

Darüber hinaus ist das Projekt bestrebt, ein tieferes Verständnis der Pflanzen-Virus-Vektor-Interaktionen zu ermöglichen, inklusive der Auswirkungen des Klimawandels. Es wird auch fortschrittliche Diagnosewerkzeuge wie die Sequenzierung des viralen Genoms entwickeln, um die Früherkennung von Virusvarianten zu ermöglichen und Bedingungen und Faktoren, die zu Ausbrüchen führen, weiter zu identifizieren. Schließlich werden die von Virtigation vorgeschlagenen Lösungen in industriell relevanten Feldversuchen validiert, die dem Technology Readiness Level – TRL 5 entsprechen.

Das EU-geförderte Projekt bringt 25 Partner aus Wissenschaft, Industrie, Forschungs- und Technologieorganisationen, landwirtschaftlichen Beratungsdiensten und KMU aus 12 Ländern zusammen: Belgien, Spanien, Luxemburg, Großbritannien, Italien, Niederlande, Frankreich, Deutschland, Österreich, Israel, Marokko und Indien. In Österreich ist der RTDS - Verein zur Förderung der Kommunikation und Vermittlung von Forschung, Technologie und Innovation beteiligt. Er leitet das Work Package (WP) 6 zu Verbreitung, Nutzung und Kommunikation, ist auch an der Gesamtleitung (WP7) beteiligt und leitet dort das Daten- und Innovationsmanagement. Die Gesamtleitung übernimmt das Department Biosysteme der KU Leuven (Belgien).

Projektwebseite in Cordis (EU-Kommission)


Quellen: Virtigation, RTDS