Die größten Herausforderungen unserer Zeit sind das Insektensterben sowie der Rückgang der biologischen Vielfalt. Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und Käfer finden, durch die Zerstörung vieler natürlicher Lebensräume, immer weniger Nahrung. Darunter leidet ihre wichtige Funktion als Bestäuber von Wild- und Kulturpflanzen. Besonders in landwirtschaftlichen geprägten Regionen lässt sich dies gut erkennen.
Wie sich die Saatgutauswahl bei der Wiederherstellung von naturnahen Lebensräumen aus kultivierten und genutzten Bodenoberflächen, auf die Förderung der Insektenvielfalt auswirkt, haben Forscher der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster jetzt untersucht. Dabei spielt nicht nur die Pflanzenart, sondern auch die geografische Herkunft der Samen eine wichtige Rolle. Sie nimmt Einfluss auf die Insektenvielfalt und darauf, wie oft die Bestäuber die Blüten besuchen.
Dass Insekten für unser Ökosystem sowie für unser Überleben unverzichtbar sind, wissen die meisten. Weil Insekten in landwirtschaftlich geprägten sowie dicht verbauten Siedlungen und Städten wenig Nahrung sowie Brutmöglichkeiten finden, sollen mit unterschiedlichen Projekten, wie Wildblumenstreifen die Bestäuber unterstützt werden.
Beim Anlegen von Wildblumenstreifen oder anderen Lebensräumen sollte berücksichtigt werden, dass Pflanzenarten keine gleichförmigen Einheiten sind, da sich ihre Populationen genetisch unterscheiden. Diese Differenzierung ist meist auf die Anpassung der lokalen Umgebung zurückzuführen. Eine Wiesen-Flockenblume, die in Meeresnähe wächst und somit kaum Frost ausgesetzt ist, wird daher weniger frostbeständig sein als eine Wiesen-Flockenblume, die in den Bergen wächst. Die Unterschiede sind in vielen Pflanzenmerkmalen sichtbar und können die bestäubenden Insekten beeinflussen.
„Je nach Herkunft blühen einige Populationen früher als andere. Bei der Einrichtung von Habitaten für Bestäuber werden diese innerartlichen Unterschiede bislang wenig berücksichtigt und die Pflanzen werden meist unabhängig von ihrer Herkunft ausgewählt. Wir haben daher getestet, ob die Herkunft der Pflanzen die Bestäuber beeinflusst“, erklärt Dr. Anna Lampei Bucharová vom Institut für Landschaftsökologie der WWU und Leiterin der Studie.
Die geografische Herkunft des Saatguts spielt eine bedeutende Rolle. In einem Feldexperiment bildeten die Forscher kleine experimentelle Pflanzengemeinschaften, die genau die gleiche Artenzusammensetzung hatten, sich aber in der Herkunft unterschieden: Die Populationen stammten aus dem Raum Münster, aus der Umgebung von München und aus dem Großraum von Frankfurt an der Oder. Anschließend erfassten sie die Anzahl und Zeitfolge der Pflanzenblüten, beobachteten die Bestäuber, die diese Gemeinschaften besuchten, und verglichen die Häufigkeit und Vielfalt der Bestäuber in den Gemeinschaften unterschiedlicher Herkunft.
Es stellte sich heraus, dass die Herkunft der Pflanze die Bestäuber beeinflusst, sowohl wie oft bestäubende Insekten die Blüten besuchen als auch die Insektenvielfalt. „Der Effekt kann beträchtlich sein – auf den Blüten einer Herkunft beobachteten wir doppelt so viele Besuche von Bestäubern wie auf Blüten einer anderen Herkunft. Besonders wichtig dabei ist die Phänologie der Pflanzenblüte – also die zeitliche Abfolge der Blüte“, erklärt Insektenforscher Dr. David Ott, Co-Autor der Studie. Die Pflanzen einiger Herkunftsgebiete blühten früher und intensiver und dadurch war die Interaktion zwischen Insekten und der jeweiligen Blüte größer.
Die Forschungsergebnisse sind besonders für Renaturierungsprojekt von Bedeutung. Die Forscher sind sich sicher, dass Deutschland gute Voraussetzungen bietet, um eine herkunftsbasierte Renaturierungsstrategie umzusetzen. Denn regionale Ökotypen vieler Arten sind im sog. Regiosaatguts-System leicht verfügbar. Dieses System stellt für viele Arten regionales Saatgut für bis zu 22 Regionen in Deutschland her. Die Ressourcen für Insekten kann durch entsprechende Pflanzenherkünfte nachhaltig verbessert werden.
Quelle: WWU