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Eine Hummelkiste im Einsatz im Erdbeerfeld am Familienbetrieb Räss. © BVT

Schweiz

Hummeln als Pflanzenschützer

Ein Artikel von Red. | 07.10.2020 - 10:19

Schon vor rund 30 Jahren wurden Hummeln für den kommerziellen Anbau von Obst und Gemüse eingesetzt. Im häufig windstillen Gewächshaus bestäuben Hummeln effizient Tomaten. Die Vibration ihres kräftigen Körpers ermöglicht es den Hummeln, die Pollen aus den Staubblättern zu „schütteln“. Bee Vectoring Technology (BVT) ist ein kanadisches Unternehmen, das die Fähigkeiten der Insekten mit einer gezielten Ausbringung eines natürlichen Pflanzenschutzmittels kombiniert. Gärtner und Florist berichete bereits. Im Frühjahr 2020 wurde diese Technologie erstmals auf dem Bio-Beerenhof Räss Wildbeeren in Benken eingesetzt.  

Einfaches Prinzip

Am Ausgang ihres Nestes kommen die Hummeln mit einem Pulver in Kontakt, welches dann während ihren Bestäubungsflügen an den Blüten abgestreift wird. Der natürlich vorkommende Pilz (Clonostachys rosea) ist in diesem Pulver enthalten und besiedelt die Pflanze, auf der die Hummel landet. Dadurch wird die Pflanze vor anderen pathogenen Pilzen geschützt. Kulturen können so vor Graufäule, die durch den Pilz Botrytis cinerea verursacht wird, geschützt werden. Der Schutz durch C. rosea ist möglich, weil dieser als Gegenspieler die phytopathogenen Pilze unterdrücken kann. Laut BVT kann C. rosea auch pflanzenstimulierend wirken, aber auf keinen Fall schädlich.

In der Landwirtschaft ist C. rosea vor allem gegen Pilze aktiv, die unerwünschte Nekrosen verursachen. So wurde bereits die Wirkung gegen Pilze der Gattung Fusarium, Sclerotinia oder Rhizoctonia festgestellt. Das kanadische Unternehmen züchtet die Erdhummeln (Bombus terrestris) und stellt auch die notwendigen Hummelkisten zur Verfügung. Nachdem der Dispenser mit dem Pulver in der Kiste integriert ist, nehmen die Erdhummeln das Pulver automatisch auf. Es ist eine effiziente und sparsame Methode zur Anbringung des natürlichen Pflanzenschutzmittels, das genau dort eingesetzt wird, wo es gebraucht wird. Die Technologie benötigt kein Wasser und der Boden wird nicht durch Maschinen beeinträchtigt.

Geringer Aufwand, hoher Ertrag

Der Familienbetrieb Räss kultiviert verschiedenste Beerenarten wie Himbeeren, Erdbeeren, Aronia, Goji und Schisandra. Es konnten Versuche vom Frühjahr bis Sommer 2020 durchgeführt werden. Im April wurden die Erdbeeren und Mitte Mai die Himbeeren „getestet“. Es wurden vier Parzellen definiert: ohne Behandlung, mit Standardbehandlung, nur mit BVT und eine Kombination aus BVT und Standardbehandlung. Das Ergebnis war: Mit BVT konnten 90-95% qualitativ hochwertige Beeren geerntet werden und bei der Standardbehandlung ohne BVT waren es 70-80%. Der Aufwand einer Standardbehandlung mit, dem im Biolandbau zugelassenen Pflanzenschutzmitteln ist deutlich höher als mit BVT. Nur eine halbe Stund bis Stunde musste wöchentlich für das Wechseln der Schalen aufgewendet werden.
Eine Bewilligung vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) musste eingeholt werden, da das Pulver- Produkt mit dem Namen „Vectorite CR-7“ in der Schweiz noch nicht als Pflanzenschutzmittel zugelassen ist. 2018 wurde ein Dossier von „Vectorite CR-7“ dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) übermittelt, um für die Aufnahme in die Liste der erlaubten Pflanzenschutzmittel zu kommen.
Ziel ist, das Produkt im Biolandbau und in der IP-Produktion gut zu etablieren. Pflanzenschutzmittel werden die Hummeln nicht vollständig ersetzen können, aber vielleicht den Einsatz verringern. Die Gefahr von pathogenem Pilzbefall bei anhaltenden nassen Wetter ist nämlich groß.

Fliegende Helfer

Anfänglich besteht das Erdhummelvolk aus 80 bis 90 Individuen, kann sich bis auf 300 Individuen vergrößern und dann bis zu 10 Mio. Blüten bestäuben. Der Bestand korreliert mit der Anzahl der Blüten, die im Laufe des Frühjahrs zunehmen. Im Herbst sterben alle Tiere, außer die Jungkönigin. Im Gegensatz zu Honigbienen sind Hummeln in der Lage sich mit Flügelmuskulatur selbst zu wärmen und fliegen daher schon bei einer Außentemperatur von 6°C - Honigbienen erst bei 10°C. Am Anfang werden zwei bis vier Hummelvölker eingesetzt. Im Laufe des Sommers und nach Bedarf können weitere Völker hinzukommen, um eine vollständige Bestäubung und Ausbringungen des Pflanzenschutzes zu ermöglichen.


Quelle: lid.ch