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Es klingt paradox, Herbizide können aber das Pflanzenwachstum verbessern © Canetti/Shutterstock.com

Hormesis

Herbizide stärken Pflanzenwachstum?

Ein Artikel von Renate Stoiber (bearbeitet) | 05.08.2020 - 13:14

Auch wenn es seltsam klingt, aber Unkrautbekämpfungsmittel wie auch das umstrittene Produkt Glyphosat können tatsächlich das Pflanzenwachstum günstig beeinflussen – in niedriger Dosierung. Den ensprechenden Vorgang nennt man Hormesis, dessen Effekt beschränkt sich aber nicht nur auf eine simple Förderung des Wachstums, wie PD Dr. Regina Belz, Agrarökologin der Universität Hohenheim, Stuttgart/D, betont. Der Effekt ist vielschichtig und hängt von vielen Faktoren ab.

Auswirkungen auf Landwirtschaft, Umwelt und Evolution

Wie Paracelsus bereits die Grundregel für die Entwicklung von Heilmitteln formuliert macht die Dosis das Gift. Das gilt auch für Pflanzen, sofern die Konzentration nicht zu hoch ist, können giftige Substanzen wie Herbizide und Pestizide oder auch Umweltschadstoffe (z. B. Ozon) das Pflanzenwachstum sogar fördern. Belz beschäftigt sich mit ihrem Team schon länger mit dem als Hormesis bekannten Effekt, der auch durch natürliche Metabolite von Pflanzen ausgelöst werden kann.

Sie hat die Vermutung, dass der Stress durch den Giftstoff eine Reaktion in den Zellen auslöst, die zu einer Art Abhärtung führt. Das macht die Pflanze widerstandsfähiger gegen erneute Stresseinwirkungen. Besonderes Augenmerk legt die Forscherin auf die Auswirkungen, die das Phänomen auf die Pflanzenproduktion, Unkrautbekämpfung und andere Pflanzen hat, die nicht Ziel der Bekämpfungsmaßnahmen sind.

Belz sieht hier zwei wichtige Aspekte: Einerseits könnten Landwirte niedrige Herbizit-Dosierungen nutzen, um den Ertrag von Kulturpflanzen zu fördern und sie stressresilienter zu machen. Andererseits tritt Hormesis aber auch bei regulären Anwendungen auf, wenn Kulturen z. B. durch ungünstige Wind- und Wetterverhältnisse versehentlich niedrigen Dosierungen ausgesetzt sind.

Hormesis begünstigt Resistenzbildung

Die Untersuchungen zu den wirtschaftlichen, ökologischen und evolutionären Auswirkungen sind sehr begrenzt. Im aktuellen Forschungsprojekt „HerbBi – Herbizid-vermittelte biphasische Reaktinen in Pflanzen“ stehen deshalb die hormetischen Nebenwirkungen von Herbizidanwendungen im Mittelpunkt. Die Tatsache, dass das Phänomen auch beim meistverwendeten und umstrittenen Wirkstoff Glyphosat auftritt, macht ihn zu einem interessanten Versuchsobjekt.

Die ersten Ergebnisse der Versuche in Labor und Gewächshaus zeigen, dass herbizidresistente Unkräuter begünstigt werden und sie die erhöhte Resilienz an die Nachkommen weitergeben. Ausserdem sind die Samen dieser Pflanzen oft zahlreicher, größer und schwerer. Das verschafft den Keimlingen einen weiteren Vorteil. Herbizid-Hormesis kann also die Evolution und Dynamik von Herbizidresistenz erheblich begünstigen. „Bis man weiß, ob und wie sich die Hormesis in der Landwirtschaft und der Umwelt langfristig auswirkt, ist noch viel Forschungsarbeit notwendig. In Anbetracht der Herbizidmengen, die jährlich ausgebracht werden, sollten wir jedoch die Herbizid-Hormesis in seiner vollen Wirkung verstehen“, so das Fazit von Belz.


Quelle: Universität Hohenheim