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Regionalität hat Priorität

Ein Artikel von Ulrike Fassler | 01.10.2015 - 15:16
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In der Natur gibt es keinen Abfall. Alles wird wieder in den ökologischen Kreislauf zurückgeführt“, so beschreibt Michael Höller aus Großweikersdorf/NÖ seine Faszination von der Nutzung natürlicher Energiequellen. Bereits in seiner Kindheit wurde im elterlichen Gartenbaubetrieb mit Holz geheizt. Heute führt Höller gemeinsam mit seiner Frau einen eigenen Gartenbaubetrieb, den er seit 30 Jahren primär mit Biomasse beheizt. „Holz ist in unserer Region einfach verfügbar“, erklärt er auch den regionalen Vorteil der kurzen Wege. Außerdem verfügt das Unternehmen neben zugekauftem Holz noch über ein landwirtschaftliches Unternehmen, aus welchem man ebenfalls Material beziehen kann. Auf einer Freilandfläche von 15 ha ziehen die Höllers ­darüber hinaus derzeit eine zukunftsversprechende Nutzpflanze, die sich genauso wie Holz verbrennen lässt und für den Energiesektor als Ergänzung interessant werden könnte.

Firmenportrait
Im Gartenbauunternehmen werden auf einer Gewächshausfläche von 4,7 ha Primeln, Violen, Roggerl, Beet- und Balkonpflanzen sowie Topfpflanzen wie Herbstzauber, Aster, Chrysanthemen und Weihnachtssterne produziert. Im Gemüsesektor ist der Betrieb auf die Aufzucht von Gemüsejungpflanzen spezialisiert. Neben Unterglasproduktion werden auf einer Fläche von 1,5 ha auch im Freiland Kulturen gezogen. Ca. 3/4 des Umsatzes werden im Frühjahr gemacht. Die Produkte werden zu 10 % im Direktverkauf und zu 90% über den Großhandel an Großmärkte, Handelsketten und Gärtner verkauft. 20 Mitarbeiter und 20 Saisonarbeiter sind bei Höller beschäftigt.

Energieeffizienz­optimierung steht an erster Stelle
Um den unterschiedlichen klimatischen Ansprüchen seines umfangreichen Kulturenmix gerecht zu werden, hat das Unternehmen bei der Errichtung und Ausstattung der Gewächshäuser, welche im Verlauf der Jahre in Etappen erweitert wurden, immer auf eine möglichst effiziente Ausstattung mit rationeller Infrastruktur geachtet. Sowohl Kalt- als auch Warmhäuser wurden errichtet. Um freilandähnliche Verhältnisse zu ermöglichen, entschied man sich bei vielen Gebäudekomplexen für Cabrio-Dächer bzw. großzügige Lüftungsklappen. Je nach den gewünschten Lichtbedingungen sind die einzelnen Häuser mit Einfachglas oder mit Folie gedeckt. Um Energieverluste so gering wie möglich zu halten, wurden manche Seitenwände auch mit Doppelstegplatten ausge­stattet.
Ebenso viel Wert wurde auf die Ausstattung der Häuser mit Energie-, Verdunklungs- und Schattierungsschirmen gelegt. All diese Maßnahmen sollten vor einer Investition in ein neues Heizsystem an erster Stelle stehen, um Energie zu sparen, weiß Höller aus Erfahrung, denn damit lässt sich bereits eine Menge an Einsparungen von Wärmeenergie bei gleichzeitigen Produktionssteigerungen bewirken.  

Sorgfältige Investitionsplanung ist Voraussetzung
Für den großen Schritt einer Investition in ein Biomasse-Heizsystem sollte man auf professionelle Beratung setzen und genau vorplanen und kalkulieren, empfiehlt der Geschäftsführer. Die Investition ermöglicht nur jenen Verdienst, welcher durch die Materialersparnis eines vergleichbaren Energieträgers wächst, fasst er seine Erfahrungen mit Biomasse kurz. Sehr wichtig ist außerdem für den einwandfreien Betrieb die ständige Verfügbarkeit bzw. Lagerbarkeit des Materials – d. h. sowohl ein verlässlicher Lieferant als auch genügend Platz müssen gegeben sein. Für die Beratung und für Förderansuchen sind in Österreich die Landwirtschaftskammern die erste Anlaufstelle.

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Technische Details
Höllers Unternehmen ist mit einem RRK-Biomasseheizkessel für Holz der Firma Binder, Bärnbach/Stmk. in der Leistungskategorie von 3,5 MW ausgestattet. Voraussetzung für einen optimalen Verbrennungsvorgang in der Brennkammer des Feuerungssystems ist ein möglichst geringer Feuchtegehalt des Brennstoffs. Das Holz sollte daher nur mehr einen Feuchtegehalt von höchstens 30% haben. Aus diesem Grund lagert Höller das Material als Langholz ein Jahr lang im Freien, bevor dieses gehäckselt wird, denn auf diese Weise kann das Holz am besten trocknen.
Die Errichtung eines Pufferspeichers ist für den Beirieb eines Heizsystems auf Biomassebasis dringend anzuraten, denn das Glutbett in einem Ofen muss langsam aufgebaut werden. Wenn rasch Wärmebedarf besteht, kann dieser folglich aus dem im Unternehmen installierten und 1000m3 Wasser fassenden Speicher bezogen werden, ohne den Ofen zu belasten. Mit seinem Volumen kann der Speicher für  eine Nacht als Reserve dienen. Um Leistungsspitzen rasch decken zu können, ist es auch ratsam, die ehemalige Ölheizung als Reserveheizung weiterhin installiert zu lassen.

Neue technische Entwicklungen
Die Verbrennungstechnik im Kessel ist im Wesentlichen gleich geblieben, jedoch die Steuerung der Verbrennung konnte in den vergangenen Jahren verbessert werden. Neue Entwicklungen bei den Binder-Feuerungssystemen ermöglichen durch Rauchgasrückfuhr in die Brennkammer eine erhöhte Wärmerückgewinnung aus dem Kamin. Durch die damit bewirkte Nachverbrennung der Asche im Rauchgas konnte eine weitere Reduktion des Feinstaubgehaltes  und zugleich eine allgemeine Wirkungsgraderhöhung der Verbrennungsleistung erreicht werden.   
Auch die vollautomatische Selbstreinigungsleistung des Wärmetauschers per Abgasventilator wurde erhöht, was die Ablagerungen in den Rohrleitungen reduziert und einen geringeren Wartungsaufwand, einen gleichbleibenden Wirkungsgrad und somit eine längere Lebensdauer der Infrastruktur zur Folge hat. Nur 1-2 mal pro Jahr muss eine händische Reinigung durchgeführt werden. Das gesamte Heizsystem läuft computergesteuert.

Sidapflanze in der Testphase
Die Bereitschaft zu Innovationen zeichnet den Betrieb Höller aus. Einer Vorstellung bedarf die bereits erwähnte Energiepflanze, mit welcher die Familie seit 5 Jahren Erfahrung sammelt. Sida hermaphrodita heißt diese Pflanze  aus der Staudenfamilie der Malvengewächse. Sie stammt ursprünglich aus Nordamerika, ist seit längerer Zeit in Polen vertreten und wird seit 2010 bei uns in Österreich verwendet. Bis zu 25 Jahre kann von dieser Nutzpflanze  geerntet werden. Als nachwachsender Rohstoff  weist sie ähnliche Eigenschaften auf wie Kiefern- und Fichtenholz. Aufgrund ihres tiefverzweigten Wurzelsystems ist sie sehr widerstandsfähig gegen Trockenheit. Auch auf schlechte Böden reagiert sie nur mit Ertragsminderung, nicht jedoch mit Verderb. Bei der Ernte, welche  zu Jahresbeginn vorgenommen wird, verfügt diese nur mehr über den geringen Feuchtegehalt von 10–15 %, was ihre Brennbarkeit sehr begünstigt. Weiters hat die Pflanze ein großes Potenzial als Futter-, Heil-, Technik-, Honig- und Bodenschutzpflanze. Noch einen Vorteil hat Sida: Sie benötigt keine chemische Behandlung. Nach vier Jahren war nur eine Nachdüngung mit Stickstoff erforderlich, berichten die Höllers.

Zusammenarbeit mit der AGES
In Zusammenarbeit mit der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES), der Universität für Bodenkultur, der Holzforschung Austria , der Bioenergy 2020+ und zahlreichen weiteren Wirtschaftspartnern wird seit eineinhalb Jahren im Rahmen eines 3-jährigen Forschungsprojektes die Einsetzbarkeit und die thermische Ver­wertbarkeit der vielfältig nutzbaren ­
Pflanze getestet. Dem im Unternehmen Höller ermittelten Ergebnis zufolge ver­fügt Sida über einen Heizwert von ­
15,79 MJ/kg. Eine Firma in Deutschland lässt sich vom Betrieb mit Sida für die thermische Verwertung beliefern. Im pelletierten Zustand erwartet man sich noch bessere brennstofftechnische Eigenschaften. Nächstes Jahr soll das geerntete Pflanzenmaterial, welches in trockenem Zustand ein Gewicht von 100kg/1m3 erreicht, daher erstmals in gepresster Form als Pellets getestet und in dieser Form auf dem Markt verkauft werden.

Daten & Fakten

Höller - Die Gärtnerei am Berg
Industriestr. 15
3701 Großweikersdorf
Tel. 02955/7566
Fax 02955/7703
www.gaertnerei-am-berg.at

Firmenorganisation:
Inhaber und Geschäftsführer:
Michael Höller, 20 Mitarbeiter und 20 Saisonarbeitskräfte

Firmenchronologie:
• 1966: Gründung des Unternehmens
• heute wird auf 4,7 ha Gewächshausfläche und 1,5 ha Freilandfläche produziert
• von 60 ha landwirtschaftlicher ­Fläche werden 15 ha für die Produktion von Energiepflanzen genutzt (mit steigender Tendenz)

Produkte und Dienstleistungen:
Beet- und Balkonpflanzen, Topfpflanzen, Gemüsejungpflanzen

Absatz:
90 % über Großhandel (Großmärkte, Handelsketten, Gärtnereien), ­ 10 % Direktverkauf

Ziele des Forschungsprojektes SIDecA

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Im Rahmen des Projektes SIDecA (Sida: Intelligent Densified Energy for Austria) wird die gesamte potenzielle Wertschöpfungskette der Pflanze Sida hermaphrodita L. Virginiamalve – von der Saatgutentwicklung und Kulturführung über die Rohstoffaufbereitung bis hin zur Untersuchung verschiedener energetischer Nutzungsmöglichkeiten – aufgearbeitet und ökonomisch bewertet.

Ein wesentliches Projektziel besteht in der Reduzierung der Herstellungskosten des Sida-Rohstoffes durch Aussaat. Ebenso wird an einer verwertungsoptimierten Begründung und Kulturführung gearbeitet.

Zu den weiteren Aufgaben zählen die Optimierung von Verfahren zur Behandlung der Sida-­ Biomasse, um die Energiedichte zu erhöhen und die Eigenschaften für die thermische Verwertung zu verbessern. Die Identifizierung von technologischen Anforderungen zur Verbesserung der Einsetzbarkeit von Sida bei der thermischen Verwertung sowie die ökonomische Bewertung der unterschiedlichen Verwertungsschienen von Sida als Energiepflanze sind ebenso wichtige Projektziele.

Potenzial des Rohstoffes SIDA
Sida baut mit seinen 250 –350 cm langen Stängeln eine beträchtliche Menge an Biomasse auf. Ab dem zweiten bis dritten Jahr entsteht ein robuster Strauch mit 8-12 Stängeln. Am Ende des Vegetationsjahres fallen die Blätter ab und harte, markhältige, braune Stängel mit einem geringen Feuchtigkeitsgehalt bleiben am Feld stehen.

Auf guten Böden können Trockenmasseerträge von 20 t/ha erreicht werden. Aufgrund der langsamen Jungendentwicklung ist im ersten Jahr eine intensive mechanische Unkrautbekämpfung – zwischen und innerhalb der Reihen – notwendig. Ab dem 2. Etablierungsjahr ist keine Unkrautbekämpfung mehr notwendig. Gegen Krankheiten und Schädlinge sind die Pflanzen nur wenig anfällig. In Österreich gibt es vereinzelt bereits praktische Erfahrungen. In Nieder- und Oberösterreich haben in den vergangenen Jahren 10 Betriebe Sida – insgesamt 11,5 ha – ausgepflanzt.

Quelle: AGES