1367243718156.jpg

© Institut für Baumpflege Hamburg

Mittel für den Wundverschluss

Ein Artikel von Dr. Horst Stobbe Prof. Dr. Dirk Dujesiefken Dipl.-Holzw. Dennis Wilstermann, Institut für Baumpflege Hamburg | 06.05.2013 - 08:00
1367243718156.jpg

© Institut für Baumpflege Hamburg

Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass Wundverschlussmittel eine Infektion der Wunde zwar nicht verhindern, aber unter Umständen die Wundreaktionen des Baumes unterstützen können. Dies gilt vor allem für Verletzungen in der Vegetationsruhe. Ein Anstrich des Wundrandes gemäß ZTV-Baumpflege (2006) bewirkt eine z. T. deutliche Verminderung von Kambialnekrosen und eine stärkere Überwallung im Vergleich zu unbehandelten Wunden.
Neuere baumbiologische Erkenntnisse zeigen, dass die wesentlichen Wundreaktionen des Baumes zunächst von der eindringenden Luft in das Holzgewebe initiiert werden. Erst anschließend erfolgt eine Infektion der Wunde und die Mikroorganismen besiedeln das vom Baum aufgegebene Gewebe. Nach dem CODIT-Prinzip erfolgen die Wundreaktionen in vier Phasen; die vierte Phase ist die vollständige Einkapselung des Schadens durch den Überwallungswulst. Ist eine Fäule eingekapselt, stirbt der Erreger ab und ist dann kein Problem mehr für den Baum. Die baumeigenen Wundreaktionen in Form von Kambialnekrosen, Überwallung und Abschottung werden beeinflusst von Baumart, Jahreszeit sowie Wundgröße und -art. Eine Wundbehandlung kann die oben genannten Reaktionen beeinflussen, so dass jede Behandlung an Bäumen, die das Erreichen der Phase 4 des CODIT-Prinzips und somit die vollständige Einkapselung des Schadens fördert, als positiv für den Baum zu bewerten ist.

 

13669631337440.jpg

© Institut für Baumpflege Hamburg

Wundverschlussversuche mit Polyurethan
Der Einsatz von Polyurethanschäumen zur Wundbehandlung wurde in den 1980er- und 1990er-Jahren untersucht. In diesem Fall sollten Hohlräume von Bäumen ausgeschäumt werden – ein Verfahren, das aufgrund eines sehr begrenzten Anwendungsbereiches nicht bis zur Marktreife weiterentwickelt wurde. Interessant an diesen Untersuchungen war jedoch, dass Polyurethan offenbar eine sehr engräumige Abschottung im Holz bewirkt. Die Ursache hierfür ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die Verminderung der Luftembolie in das verletzte Holzgewebe, wodurch eine effektivere Abschottung im Vergleich zu einer Nichtbehandlung entsteht.
Die Erkenntnisse aus dem CODIT-Prinzip sowie die Ergebnisse der Untersuchungen von Baumwunden mit einer Poly­urethan-Behandlung lassen vermuten, dass ein Wundverschlussmittel auf Polyurethan-Basis die Wundreaktionen von Bäumen effektiver unterstützen kann als herkömmliche Mittel. Aus diesem Grund hat die Firma Flügel GmbH, Osterode, ein Wundverschlussmittel auf Polyurethan-Basis entwickelt.
Ziel dieser Untersuchung war es, die Wundreaktionen nach Behandlung mit einem derartigen Präparat sowie mit einem handelsüblichen Mittel und einer Kontrolle vergleichend zu untersuchen. Hierfür wurden jeweils zwölf Bäume der Gattungen Ahorn (Acer pseudoplatanus), Buche (Fagus sylvatica) und Esche (Fraxinus excelsior) ausgewählt und verwundet. Eine Wunde wurde mit LacBalsam, zwei weitere wurden je mit einem von der Firma Flügel zur Verfügung gestellten Präparat behandelt. Hierbei handelt es sich um ein Zwei-Komponenten-System aus Polyurethan, welches in unterschiedlichen Verhältnissen vor Ort gemischt und auf die Wunden aufgestrichen wurde (Variante A und B). Beide Anstriche sind transparent. Zum Vergleich verblieb stets eine Wunde unbehandelt als Kontrolle.

13669631265767.jpg

© Institut für Baumpflege Hamburg

Versuchsergebnisse
Die Versuche ergaben, dass bei mehreren Wunden und insbesondere bei Esche die Wundverschlussmittelvarianten A und B innerhalb des Holzkörpers effektivere Wundreaktionen bewirken. Normalerweise kommt es nach Freilegung des Holzkörpers zur Luftembolie und die Parenchymzellen im Wundbereich sterben ab. Wie weit die Zellen absterben und nachfolgend das Gewebe sich verfärbt, hängt von der Effektivität der Abschottung ab. In jedem Fall sind die ersten Millimeter bis Zentimeter unter der Wundoberfläche von der Luftembolie betroffen und diese bewirkt anschließend eine farbliche Veränderung im Gewebe. Bei mehreren Wunden war dies aber nicht der Fall, sodass dort, wo die Wundverschlussmittelvarianten A und B direkt auf die Wundfläche aufgetragen wurden und in engem Kontakt zur Wundfläche standen, makroskopisch nahezu keine oder nur eine deutlich verringerte und auch farblich andere Reaktion innerhalb des Holzkörpers festgestellt wurde. Insgesamt sind vor allem bei der Esche, aber auch an einzelnen Wunden der Buchen und Ahornbäume, die Verfärbungslängen deutlich reduziert, d. h. die Kompartimentierung war engräumiger. Die verwendeten Wundverschlussmittelvarianten A und B auf Polyurethan-Basis haben offenbar das Potenzial, die Abschottung zu fördern.
Diese können offensichtlich besonders bei der schwach abschottenden Baumart Esche die Effektivität der Kompartimentierung deutlich erhöhen. Darüber hinaus können Kambialnekrosen geringfügig reduziert und die Bildung von Überwallungswülsten leicht gefördert werden. Phytotoxische Reaktionen wurden nicht festgestellt. Die Befunde lassen erwarten, dass diese Mittel bei schwach abschottenden Baumarten, größeren Verletzungen sowie nach Schnittmaßnahmen in der Vegetationsruhe die negativen Auswirkungen von Verletzungen auf Bäume reduzieren können. Die Phase 4 des CODIT-Prinzips kann hierdurch schneller oder auch überhaupt erst erreicht werden.

Produktneuheit auf PU-Basis wird derzeit überarbeitet
Die Konzeptionierung des neuen Wundverschlussmittels auf PU-Basis erfolgte von der Firma Flügel im Jahr 2008. Die Rohstoffe und das finale Produkt wurden dabei auf Eignung und gefahrgutrechtliche Einstufung überprüft und die nachfolgenden Untersuchungen beim Institut für Baumpflege in Hamburg ergaben positive Reaktionen der Bäume. Die Ergebnisse wurden im September 2012 publiziert. Das marktfähige Produkt wurde auf der GaLaBau in Nürnberg von der Firma Gefa vorgestellt.
Für einen Rohstoff beider Komponenten des Wundverschlussmittels erfolgte jedoch 2012 eine gefahrgutrechtliche Neueinstufung mit der Folge, dass das finale Produkt mit T = giftig kennzeichnungspflichtig ist. Dies kommt faktisch einem Vermarktungsverbot gleich. Aus diesem Grund kann zurzeit keine Markteinführung dieses neuen Produkts erfolgen. Diese neue Einstufung hat auch Auswirkungen auf andere Produkte auf PU-Basis (z. B. Bootslacke, PU-Schäume), die sich bereits auf dem Markt befinden. Hinsichtlich des neuen Wundverschlussmittels wird jetzt von Seiten der Firma Flügel nach einem alternativen Rohstoff für dieses Produkt gesucht.

13669630444477.jpg

© Institut für Baumpflege Hamburg

13669630512398.jpg

© Institut für Baumpflege Hamburg