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Vitale Bio-Zierpflanzen haben Zukunft

Ein Artikel von Werner Oschek | 02.07.2008 - 14:17
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Mehrwert "Bio"
Noch immer können sich Bio-Zierpflanzen vom Massenangebot abheben, zumal der Bio-Markt boomt. Wichtig ist die Kommunizierung des Mehrwerts bei der Vermarktung der Bio-Zierpflanzen.
Ein weiterer Faktor ist der immer stärker eingeschränkte Einsatz chemischer Mittel. Bio-Anbauer dagegen haben sich bereits an neue Produktionsmethoden gewöhnt und sind damit den konventionell wirtschaftenden Gärtnern einen Schritt voraus.

Gebündelte Erfahrung
Immer mehr Gärtner interessieren sich für die Umstellung auf den Bio-Anbau. Vor diesem Hintergrund wurde im Januar 2007 die Anbaugemeinschaft Bio-Zierpflanzen gegründet. Mit in der Anbaugemeinschaft sind Ball Deutschland als Jungpflanzenlieferant, der Gartenbaubetrieb Klaus Bongartz, der als Pionier im ökologischen Anbau bezeichnet werden kann, Gartenbau Ruffen, das Erdenwerk-Stender, die Mack-Bio-Agrar GmbH, Bioplant Naturverfahren GmbH, Sautter & Stepper Biologischer Pflanzenschutz, Pöppelmann, Andrea Terhoeven-Urselmans und Bioland NRW.
Beratend unterstützt wird die Anbaugemeinschaft von Marion Ruisinger und Rainer Wilke vom Pflanzenschutzdienst Bonn.

Hermann-Josef Schumacher, ehemaliger Direktor des Gartenbauzentrums Straelen/Köln-Auweiler sowie der Versuchsleiter und Berater Ökologischer Gartenbau Martin Herbener, waren mit Hauptinitiatoren und haben maßgeblichen Anteil am Gelingen der Anbaugemeinschaft. Diese ließ im Gartenbauzentrum Straelen/Köln Auweiler im vergangenen und diesem Jahr einen Probe- und Sichtungsanbau durchführen, um festzustellen, ob die Produktion qualitativ hochwertiger Ware im Bio-Anbau möglich ist und welche Unterschiede es zum konventionellen Anbau gibt.

Mehrere Bio-Stufen
Der Bio-Anbau erfolgt unter Einhaltung strenger Vorschriften. Bei Einhaltung der niedrigsten Stufe nach EU-Verordnung dürfen die Betriebe das achteckige Bio-Label verwenden, so Martin Herbener, Versuchsleiter und Berater Ökologischer Gartenbau vom Gartenbauzentrum Straelen/Köln-Auweiler. Darüber hinaus gibt es Anbauverbände wie Demeter, Bioland oder Naturland, die weitere Einschränkungen bei den Produktionsmitteln und –verfahren vorgeben. Die Bio-Zierpflanzen, die im Gartenbauzentrum produziert werden, sind von Bioland anerkannt. Das verwendete Substrat darf nach deren Kriterien maximal 50 % Torf enthalten.

Weitere Bestandteile des Substrates, das in den ersten beiden Jahren von Stender geliefert wurde, sind Kompost und Holzspäne. Stender hat jedoch die Produktion von Substraten für die Bio-Produktion eingestellt, da ein Werk idealerweise ausschließlich Bio-Substrate herstellen sollte, um die Vorgaben mit hundertprozentiger Sicherheit zu erfüllen. Nachfolgelieferant wird Klasmann-Deilmann sein.

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Dünger als Basis
Jeder verwendete Dünger muss zertifiziert und pflanzlichen oder tierischen Ursprungs sein, erlaubt ist auch Kalium-Sulfat. Im Stendersubstrat befand sich als Dünger der vom Erdenwerk entwickelte Profi Vital ST, der in einer Winter- und Sommerformulierung erhältlich war. Von den 700 mg N/l Substrat waren 60 % pflanzenverfügbar. Nach vier bis fünf Wochen musste flüssig nachgedüngt werden.

Der 12er-/13er-Topf enthält rund 1l Substrat. Für die flüssige Nachdüngung stehen organische Mittel zur Verfügung. An erster Stelle steht hier Vinasse, ein Abfallprodukt aus der Zuckerrübenindustrie. Nachteil des Mittels, das verdünnt werden muss, ist die Neigung zum Verkleben, weshalb Leitungen nachgespült werden müssen. Nicht geeignet ist Vinasse für Ebbe-Flut-Systeme. Ein weiterer Nachteil ist, dass das Mittel schnell vergärt und dann wie Gülle stinkt, also nicht für den Endverkaufsbereich geeignet ist.

Daneben gibt es Organic feed in zwei Formulierungen (8:3:3 und 6:5:5). Im Gartenbauzentrum wurde die ersten drei Wochen die N-betonte Variante eingesetzt, damit die Pflanzen gut starten konnten und danach mit der ausgeglicheneren Formulierung gearbeitet. Es wurde jeden zweiten Tag gedüngt und in der Kulturphase auf 200 Netto-m2 2 l Dünger verwendet. Das Mittel vergärt ebenfalls relativ schnell und wurde daher immer kurzfristig bei Bedarf angesetzt.

Wuchsfreudig statt knuddelig
Der Hemmstoffeinsatz ist in der Bio-Produktion grundsätzlich nicht erlaubt. Daher ist die Verwendung kompaktwachsender Sorten zwingend erforderlich. Auch muss der Blick des Verbrauchers dafür geöffnet werden, dass Bio-Pflanzen kräftiger wachsen. Im Verkauf sollte darauf hingewiesen werden, dass die Bio-Pflanzen nicht so kompakt und knuddelig sind wie die mit Wuchshemmstoffen behandelten, also längere Triebe haben. Dafür wachsen sie beim Konsumenten freudig weiter.

Beim Pflanzenschutz dürfen ebenfalls nur zulässige Mittel verwendet werden. Im Frühjahr besteht Schadensdruck durch Zuflug von Blattläusen. Hier werden Schlupfwespen aus einer offenen Zucht im Gewächshaus eingesetzt. Die offene Zucht erfolgt auf Gräsern, bei denen den Schlupfwespen zunächst auf einkeimblättrige Pflanzen fixierte Läuse als Nahrung dienen, welche also nicht auf die Beet- und Balkonpflanzen gehen. Diese Möglichkeit besteht jedoch bei der Produktion von Gräsern nicht.

Innere Stärkung
Pflanzenstärkungsmittel kommen in einer Kombination zum Einsatz. Die Ausbringung erfolgt über das Gießwasser und einmal pro Woche durch die Überkopfbewässerung. Zum Einsatz kommen Biplantol agrar, das einer grundsätzlichen Steigerung der Widerstandskraft dient sowie Biplantol mykos zur Steigerung der Widerstandkraft gegenüber pilzlichen Erkrankungen. Biplantol contra X2 ist ein Mittel zur Aroma-Therapie, das zur Erhöhung der Widerstandskraft gegen beißende und saugende Schadinsekten eingesetzt wird.
Weiters kommen der Bodenhilfsstoff BonaVita mit Mikroorganismen und Envirepel, ein Mittel, das auf Basis von Knoblauch hergestellt wird, zum Einsatz. Da die Verkaufsware frei von Schädlingen sein muss, wird teilweise Neudosan Blattlausfrei auf Basis von Kaliseife und 50 % Sonnenblumenöl gespritzt.

Ausnahmeregelung
Im Gegensatz zur Bio-Gemüse-, Bio-Stauden- oder Bio-Topfkräuterproduktion dürfen bei Bio-Zierpflanzen konventionell produzierte Stecklinge verwendet werden, da bisher keine Stecklinge aus Bio-Produktion verfügbar sind. Erforderlich ist hierzu eine Ausnahmegenehmigung von Unternehmen, die die Zertifizierung von Bio-Betrieben durchführen, wie der ABCERT. Wenn es biologisch erzeugtes Saatgut gibt, muss dieses verwendet werden. Falls dies nicht verfügbar ist, kann mit Ausnahmegenehmigung konventionelles Saatgut verwendet werden. Dies darf aber keinesfalls gebeizt sein. In einer Datenbank (www.organicxseeds.com) werden alle verfügbaren, ökologisch vermehrten Sorten von Pflanz- und Saatgutunternehmen eingestellt.

Das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) engagiert sich seit Jahren auf dem Gebiet des Ökolandbaues und gibt eine Betriebsmittelliste für den ökologischen Landbau heraus.

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Absatzsituation
Im ersten Jahr wurden im Gartenbauzentrum gängige Beet- und Balkonpflanzen, wie u. a. Pelargonien und Impatiens, produziert. Es hat sich dabei herausgestellt, dass es wichtig ist, im Vorfeld den Absatz zu organisieren und Besonderheiten sowie Raritäten und keine Massenware zu produzieren, da es bei dieser schwierig ist, bessere Preise zu erlösen.

Weiters sollte größere Ware produziert werden, um sich von der Masse abzuheben. Für die Anbauplanung im zweiten Jahr wurde daher mit dem Gartencenter Dinger, Köln, abgesprochen, welche Produkte für sie interessant wären. Bernd Reeke, Geschäftsführer Ball Deutschland, ist überzeugt, dass bei der Produktion von Bio-Zierpflanzen aus dem breiten Produktangebot sich ausreichend Sorten für eine biologische Produktion eignen.

So reichen beispielsweise vier Argyranthmum-Sorten aus, um eine ansprechende, bunte CC-Karre zu laden. Wichtiger als eine breite Palette ist dem Gartencenter Dinger, kompakte Ware über einen längeren Zeitraum anbieten zu können, also dass mehrere Sätze in gleicher Qualität kultiviert werden.

Kompaktheit ist Trumpf
Oberste Priorität hat die Auswahl kompakter Sorten, da Probleme auftreten, wenn die Pflanzen sich bei einem längeren Vermarktungszeitraum zu stark strecken. Hier ist ein Aufgabenfeld für Züchtung, die dies auch schon aktiv bearbeitet. Eventuell kann ein- bis zweimal gestutzt werden. Zum Teil ist es auch günstiger, später mit der Kultur zu starten, da die späten Sätze im Langtag sofort in Blüte kommen.

Im Testanbau wurde zudem kühler mit einer Heiztemperatur von 12 bis 14 °C kultiviert. Nachteil bei den Gewächshäusern in Köln-Auweiler ist die Doppelverglasung der Dachfläche, wodurch weniger Licht auf die Kultur kommt. Optimal wäre sicherlich eine UV-durchlässige Folieneindeckung.

Investition in die Zukunft
Die Produktion der Bio-Ware ist teurer als konventionelle Ware. Zwar werden Kosten für chemische Spritzmittel eingespart, doch verursachen die Pflanzenstärkungsmittel und Bodenhilfsstoffe Kosten und die Pflanzen haben einen höheren Flächenbedarf.Wichtig ist der Anbaugemeinschaft, Basisarbeit zu leisten, um Gärtnern die Umstellung zu erleichtern.

Es ist ihnen bewusst, dass es lange dauert, bis sich die lokale Bio-Produktion durchgesetzt hat, doch ist diese für die Zukunft eine Chance, so Bernd Reeke. Bei der Prüfung der Sorten sind insbesondere Martin Herbener und Dietmar Probst in der Anbaugemeinschaft engagiert und aktiv tätig. Die Öko-Gemüsebauabteilung in Auweiler unterstützt sie dabei, soweit dies arbeitstechnisch passt, mit Rat und Tat.