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Neuheiten im Tomatensortiment

Ein Artikel von Roland Ebel | 04.02.2008 - 14:43
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Durch Importe aus Holland und Spanien sowie hochtechnisierte Massenproduktion innerhalb Österreichs schien die Tomatenvielfalt von einst schon verloren gegangen. Allerdings ist hier seit einiger Zeit eine Trendwende in Sicht, so Carola Rabl-Schuller, Pressesprecherin des Vereins Arche Noah, die sich der Kulturpflanzenvielfalt verschrieben hat, gegenüber „Gärtner und Florist“:
„Sogar die großen Ketten folgen nun dem Trend, den Arche Noah schon vor längerem gesetzt hat, denn ein größeres Sortiment an Paradeisersorten ist heute für ein immer breiteres Publikum unverzichtbar geworden.“

Süß im Trend
Tatsächlich unterstreicht ein Blick in die Gemüseabteilungen großer Supermärkte diese These, wobei eines eindeutig festzustellen ist: Die Aufsteiger unter den Paradeisern sind die kleinen Sorten. Cocktail- und die noch kleineren Kirschtomaten weisen einen höheren Zuckergehalt als größere Typen auf. Das ist aber noch lange nicht alles: An Rispentomaten beispielsweise kommt kaum ein Produzent mehr vorbei.
Außerdem ist es zu einer wahren Explosion an Formen und Größen von Paradeisern gekommen. Ganz ehrlich: Wer hätte sich noch vor wenigen Jahren gedacht, einmal ganz selbstverständlich gelbe Paradeisersorten im Supermarkt zu finden?

„53 % der Befragten gaben an, an Neuheiten im Sortiment interessiert zu sein, auf weitere 23 % trifft das bei einem bestimmten Verwendungszweck zu“, referierte Bernhard Brückner vom IGZ in Berlin im Dezember 2006 beim Seminar „Modellfrucht Tomate“ in Wien. Er ließ damit aufhorchen, dass es den „Durchschnittskonsumenten“, den die Marketingexperten so gerne hätten, einfach nicht gibt, sondern dass die Vorlieben der einzelnen Kunden äußerst vielfältig sind.

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Sensorische Analyse
Helga Auerswald und Angelika Krumbein vom Institut für Gemüsebau in Großbeeren (Deutschland) befassten sich schon vor einiger Zeit mit Ursachen für Konsumentenpräferenzen bei Gewächshaustomaten. Angewandte Methode war dabei die sensorische Analyse, bei der das Gemüse einerseits von einer besonders geschulten Prüfergruppe (sie kann das sensorische Profil eines Produkts objektiv ermitteln) bewertet wurde - und andererseits die Beurteilung „normaler“ Konsumenten erfolgte. Das ist notwendig, weil gewöhnliche Kundenbefragungen meist zwar die Sortenpräferenzen der Menschen klar aufzeigen, die Gründe für diese Vorlieben jedoch häufig im Dunkeln bleiben.

Die Untersuchungen zeigten unter anderem, dass Tomaten, die als zu sauer wahrgenommen wurden, oder eine bittere Note aufwiesen, bei den potenziellen Käufern wenig Anklang fanden. Dabei spielt es offenbar durchaus eine Rolle, um welche Säure es sich handelt: Sorten mit verhältnismäßig wenig Apfelsäure (Apfelsäure/Citronensäure-Verhältnis unter 0,04) kamen weitaus besser an als Sorten mit einem hohen Apfelsäure-Anteil (Verhältnis über 0,17).

Form, Farbe, Mundgefühl
Je gleichmäßiger die Tomaten geformt und gefärbt waren, desto besser gefielen sie den Konsumenten. Sogar die Beurteilung des „Mundgefühls“, also des Eindrucks, den die Probanden beim Verspeisen einer Sorte hatten, verlief annähernd 1:1 zur Festigkeit des Paradeisers. Was gut schmeckt, schaut auch gut aus – die geschmacklich bevorzugten Sorten gefielen auch äußerlich am besten. Ähnliches stellte auch Brückner bei seinem Vortrag in Wien fest: „Bei der Kaufsentscheidung orientieren sich 88 % der Konsumenten an der Ausfärbung, 86 % an der Festigkeit und 75 % am Geschmack“.

Der Zuckergehalt einer Tomate alleine sagt aber noch nichts über die Süße aus, weil diese in der Wahrnehmung stark von der Säure und der Saftigkeit der Frucht abhängt. In einer Umfrage der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden (Gemüse 10/2007) stellte man fest, dass diese Vorliebe für Süßes umso stärker durchschlug, je jünger der Proband war.

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Tomaten für Hobbygärtner
Rabl-Schuller von der Arche Noah informiert, dass bei ihren Käufern von Jungpflanzen für den Hausgarten neben Form und Farbe „die Verarbeitungsmöglichkeiten, der Ertrag und die frühe Reife mancher Sorten“ weitere Entscheidungskriterien sind.
Die Kunden von Arche Noah streben ferner nach resistenten Sorten, schließlich „muss nicht alles, was alt ist, auch robust sein“. Diese Hobbygärtner sind übrigens keine Konkurrenz für den Direktverkauf der Paradeiser, weil „jeder nur eine begrenzte Menge - meist früh reifender Sorten – im eigenen Garten stehen haben kann“.

Die Interessenten an seltenen Tomatensorten teilen sich ziemlich gleichmäßig zwischen urbaner und ländlicher Herkunft auf, dabei spielen Alter und Geschlecht keine Rolle. Die höheren Preise für Saatgut und Jungpflanzen werden für die Sicherheit, damit biologische und heimisch produzierte Ware erstanden zu haben, in Kauf genommen, weiß man bei Arche Noah.
Bemerkenswert sind die Erfahrungen, die man in vergangener Zeit gemacht hat, wie Rabl-Schuller ausführt: „Neuere Kunden sind begeistert von der Farben- und Formenvielfalt bei Tomaten.“

Rückbesinnung auf Rot
„Alte "Arche Noahs" hingegen fragen sich schön langsam: Wo sind die schönen roten Sorten hingekommen?“ Das bedeutet, dass Hobbygärtner, die mit Arche Noah schon lange in Kontakt sind, „fast schon wieder auf dem Weg zurück zu runden und roten Tomaten sind“. Dieser Trend sei, so die Arche Noah Pressesprecherin, seit ca. zwei Jahren feststellbar, wobei aber auch hier „rote Sorten nur dann interessant sind, wenn sie geschmacklich ansprechend sind“. Möglicherweise ist die Arche Noah bei dieser Rückbesinnung auf die klassische Form und Farbe des Paradeisers auch wieder ein Trendsetter.

Vielleicht laufen die zahlreichen Untersuchungen zum Thema ja einer Mode hinterher, die längst schon am Abklingen ist. Eine Aussage wird aber stets Gültigkeit haben: Die Vorlieben mögen wechseln, aber ein g'schmackiger Paradeiser verkauft sich immer gut!