Nicole Tillinger untersuchte in einer Kooperation der Austrian Research Centers Seibersdorf und der HBLFA für Gartenbau Schönbrunn zwei Jahre lang den Einfluss von Sortenwahl, Kulturund Vermarktungsverfahren unter österreichischen Verhältnissen auf die innere Qualität von Tomaten.
Anbauempfehlung für alle
Das Ziel war klar definiert: Es sollten für Produzenten, Handel, aber auch für den Konsumenten praxisorientierte Anbauempfehlungen ausgegeben werden. Dazu wurden drei verschiedene Versuche durchgeführt, bei denen die Qualität der Tomatenernte dabei jeweils anhand des Gehalts der Früchte an wichtigen Pflanzeninhaltsstoffen beurteilt wurde.
Die Ergebnisse
Im ersten Jahr (2004) wurden neun Hybridtomatensorten, die am österreichischen Markt Bedeutung haben (Long-Life Sorten genauso wie Cherry-, Rispenund Cocktailtomaten) mit sieben ausgefallenen Spezialsorten verglichen. Die Inhaltsstoffe wurden zu sechs Reifestufen an der Schale, am Fruchtfleisch und im Fruchtgelee des Paradeisers gemessen. Dabei wurde herausgefunden, dass es ab der Reifestufe 3 zu einem Anstieg des Gehalts an Vitamin E kommt.
Rote Salattomaten sind besonders reich an wertvollem Lycopin. Gerade in den letzten Jahren wurde Lycopin stets an vorderster Stelle genannt, wenn es um die gesundheitsfördernde Wirkung der Tomate ging. Umgekehrt zeigten andersfärbige, z.B. grüne Sorten, einen hohen Anteil an Carotin, besser als Provitamin A bekannt.
Einflussfaktor Reifung
Bei allen Sorten stieg der Anteil an Provitamin A in der ersten Hälfte des Reifungsprozesses kontinuierlich an, um dann konstant zu bleiben. Am meisten davon wurde im Gelee der Früchte gemessen. Sowohl das Provitamin A als auch das zuvor erwähnte Lycopin zählt man zu den Carotinoiden. Diese sind, nach den Versuchsergebnissen zu schließen, in allen roten Sorten recht gleichmäßig verteilt.
Außerdem wurde nachgewiesen, dass die Schale aller Sorten (zwischen denen es in dieser Hinsicht kaum Unterschiede gab) am meisten Ascorbinsäure (VitaminC) enthält.
Gesündere Tomaten im Freien
Im Versuchsjahr 2005 wurde der Einfluss verschiedenster Produktionsverfahren (erdloser Anbau unter Glas, Folienanbau, Freilandkultur) auf dieselben Qualitätsmerkmale ermittelt. Dabei ging der Freilandanbau als klarer Sieger hervor, insbesondere was den Gehalt an Vitamin C und Lutein anbelangt.
Einfluss bei der Lagerung
Im selben Jahr wurde der Effekt unterschiedlicher Lagerungsbedingungen auf die Inhaltsstoffe des Paradeisers untersucht. Die Früchte wurden bei 12 °C und bei 26 °C gelagert. Es wurde festgestellt, dass Lycopin bei warmen Temperaturen vermehrt enthalten ist, besonders wenn es sich um Salattomaten handelt. Auch beim Provitamin A sorgten die Lagerungstemperaturen von 26°C für höhere Werte. Auffällig war zudem, dass die Unterschiede zwischen den Sorten bei 12°C minimal waren, während sich einige Sorten, darunter die Salattomate „Caransa“, bei 26°C deutlich von den anderen abheben konnten.
Wassergehalt unverändert
Eine weitere Erkenntnis aller drei Versuche war es, dass der Wassergehalt über den gesamten Reifungsprozess der Tomate annähernd konstant war. Deutlich zeigte sich, dass im Freiland die gesündere Ware produziert wird, was vielleicht eines Tages zu einer Renaissance dieses aufwändigen Kulturverfahrens führen wird. Einige Sorten weisen weitaus höhere Qualitäten auf, wenn sie bei Raumtemperatur gelagert werden. Man wird sehen, inwieweit diese aufschlussreichen Ergebnisse Auswirkungen auf die Praxis haben.
Den idealen Paradeiser gibt es nicht
Bernhard Brückner vom IGZ in Berlin widmete sich in seinem Vortrag beim Seminar „Modellfrucht Tomate“ dem Thema der Qualitätsdefinition. Zentrale Fragestellungen waren dabei, ob der Konsument die Qualität von Tomaten wahrnehmen kann und ob es überhaupt einen Sinn macht, zwischen guter und schlechter Qualität zu unterscheiden.
Die Hauptkritikpunkte
Vier von fünf Kunden beklagten sich darüber, dass das aktuelle Angebot an Paradeisern zu hell ist, 68% beschwerten sich über den Geschmack, 57% befanden die angebotenen Tomaten als zu weich, 34% als zu fest und 31% waren mit dem Preis unzufrieden. Größe, Verpackung und Rotfärbung spielten bei der Kritik an der angebotenen Ware eine untergeordnete Rolle. Bei der Verkaufsentscheidung orientierten sich 88% der Konsumenten an der Ausfärbung, 86% an der Festigkeit und 75% am Geschmack.
Konsumenten sind anders
Der Wissenschafter unterscheidet beim Konsumenten zwischen zwei Gruppen, den Festund den Weichliebhabern. Dazu gibt es noch einen Typus, der mittelfeste Paradeiser bevorzugt. In Summe ergibt das, rein was die Festigkeit anbelangt, drei unterschiedliche ideale Tomaten.
Insgesamt gibt es, was die sensorischen Merkmale der Tomate betrifft, auch drei verschiedene Verbrauchersegmente:
- Segment I, dem 44% der Konsumenten angehören, möchte Früchte mit einheitlicher Form, ohne Risse, Riefen und eingesunkenem Blütenansatz sowie bitteren Nachgeschmack. Lieblingssorten sind für diese Kunden „Minnie“ oder „Superwest100“.
- Das Verbrauchersegment II (24% der Befragten) bevorzugt saftige Paradeiser mit einheitlicher Farbe, die einen starken, fruchtigen Geruch und Nachgeschmack haben und liebt die Sorte „Mickey“ ebenso wie „Superwest 100“.
- Das Segment III (32%) lehnt zu süße Tomaten ab. Diese Käufer schätzen es nicht, wenn die Ware zu glänzend und zu prall ist und verabscheuen zu intensiven Geschmack und Geruch. Diese Konsumenten sind mit „Minnie“ sehr zufrieden und greifen auch ganz gerne zu „Pronto“.
Als Motiv für Bio-Konsumenten nannte Brückner weniger die Prozessqualität (Verzicht auf Pflanzenschutzmittel, etc.) als vielmehr die Produktqualität, also letztlich das Aussehen und den Geschmack des Paradeisers.
Einkaufsmotivationen
Bei Kunden wie Produzenten hat in den vergangenen 50 Jahren ein starker Wertewandel stattgefunden; ging es anfangs noch um den Ertrag (Kaufmotiv: „Ich habe Hunger“), orientierte man sich ab den Sechzigern an der Qualität („Ich habe Appetit“) und ab den Achtzigern am Herstellungsprozess und den Umweltauswirkungen („Ich bin verunsichert“). Heute steht der Zusatznutzen des Produktes im Vordergrund, denn der Kunde will in erster Linie Spaß daran haben.
Brückner resümierte, dass der Verbraucher von heute die Qualität der Ware sehr wohl direkt wahrnimmt, dass diese aber nicht allein im Produkt liegt, sondern beispielsweise auch in der Verpackung, im Erlebnis (daher werden Buschtomaten neuerdings häufig mit Stiel angeboten) und in ethischen Aspekten.
Daraus lässt sich der Schluss ableiten, dass ein geschickter Tomatenproduzent, der die räumlichen und standortspezifischen Voraussetzungen dazu hat, am besten eine große Palette an unterschiedlichen Tomatensorten produziert, wobei die Qualität aber in jedem Fall in Ordnung sein muss.
Paradeiserseminar: Überraschende Erkenntnisse
DI Wolfgang Palme moderierte das „Paradeiserseminar“. Die Themen reichten von der Botanik der Tomate bis zu zerstörungsfreien Messverfahren.
Der Vorstand des Instituts für Botanik der Universität Wien, Prof. Dr. Anton Weber, beleuchtete die Tomate aus botanischer Sicht. Besonders interessant war dabei die jüngste molekularbiologische Erkenntnis, dass die Tomate zur Gattung Solanum, also zu den Erdäpfeln, gezählt wird. Der Paradeiser heißt jetzt wieder Solanum lycopersicum statt Lycopersicum esculentum; wieder deswegen, weil schon der Pionier der Pflanzensystematik, Karl von Linné, die Tomate zu den Kartoffeln gezählt hat.
Auffällig ist außerdem, dass die Tomatenblüte keinen Nektar produziert, was einer Pflanze viel Energie abverlangt, sondern stattdessen lange Staubbeutel (so genannte Antheren) ausbildet, was den Insekten Pollenreichtum suggeriert. Da der Pollen nicht klebrig ist, haftet den Insekten, die der Kulturtomate zur Selbstbestäubung verhelfen, nur wenig davon an. Deshalb ist der Einsatz von Hummelvölkern unter Glas besonders sinnvoll.
Der zweite Vortrag widmete sich dem komplexen Thema der Carotinoidbiosynthese während der Reifung der Tomate. Referent Giovanni Giuliano vom Casaccia Research Center erklärte die Wirkung von Carotinoiden. Insbesondere Licht ist ein positiver Regulator für die Entstehung der Carotinoide, so der italienische Wissenschafter. Eine enge Beziehung gibt es zwischen Farbe und Geschmack der Frucht, betonte Giuliano.
Abschließend machte Manuela Zude vom deutschen Leibnitz-Institut für Agrartechnik auf zerstörungsfreie optische Messverfahren zur Bestimmung von Fruchtinhaltsstoffen aufmerksam. Es geht dabei um eine „elektronische Nase“, die die Reife von Obst und Gemüse feststellen kann. Die Früchte werden dabei mit einer Halogenlampe durchleuchtet, die das Farbspektrum bestimmt.
Beim Paradeiser gibt es bislang noch Probleme bei der Messung, hervorgerufen durch Überlagerungen im Farbspektrum. Trotzdem ist die „elektronische Nase“ Farbkarten deutlich überlegen, weil mit letzteren im mittleren Farbbereich keine exakte Bestimmung des Reifezustandes möglich ist, machte Zude deutlich.