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Massenauftreten des Frostspanners

Ein Artikel von Ing. Gerald Stiptschitsch | 16.09.2005 - 10:14
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Im Frühjahr waren im Wald und in Parkanlagen erhöhte Aktivitäten von Raupen zu verzeichnen. Blattdächer wurden schütter, Blätter durchlöchert und Raupenkot rieselte zu Boden. Besonders stark betroffen waren Obstbäume, Ahorn, Hainbuchen, Eschen, Eichen und Linden. Die Schädlinge treten regional unterschiedlich auf, sie gehören jedoch weitgehend zum Frostspannerkomplex. Das sind vor allem der Große (Erannis defoliaria) und der Kleine (Operophtera brumata) Frostspanner, der Schneespanner (Apochemia pilosaria), der Eichenwickler (Tortrix viridana) und der Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea).

Kleiner groß unterwegs

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Die Raupen des Kleinen Frostspanners sind etwa 2 cm groß, hellgrün und besitzen helle Streifen. Sie sind heuer besonders stark aufgetreten und haben den größten Schaden verursacht. Der Angriff auf die Laubblätter erfolgte durch das Weibchen bereits im Herbst des Vorjahres, das z. B. in Rindenvertiefungen einzeln ihre 100-200 Eier ablegte, die dann dort überwinterten. Die Eier sind länglich oval, 0,5 mm groß, anfangs grün und später orangerot gefärbt. Aus ihnen schlüpfen im Frühjahr die Raupen, die nur am sechsten und zehnten Segment Bauchfüße besitzen. Die Puppe ist braun und etwa 8 mm lang.
Spannerraupen sind sehr einfach zu erkennen, da sie sich fortbewegen, indem sie einen „Buckel" machen und sich dann wieder strecken.
Konfrontiert wird man mit den Raupen im Frühjahr – dann, wenn die kleinen Tierchen schlüpfen und sich gleich über die frisch ausgetriebenen Blätter hermachen. Die Raupen seilen sich dann bis Ende Mai sattgefressen mit einem Spinnfaden von den Bäumen ab und spinnen sich im Boden unterhalb der Bäume in 10 cm Tiefe in Puppenkokons ein, wo sie den Sommer über verbringen. Im Herbst schlüpfen sie, um sich in den Baumkronen zu paaren und ihre Eier in die Rinde der Bäume zu legen. Dabei beginnen oft erst nach den ersten Nachtfrösten die Frostspanner zu fliegen, was ihnen ihren Namen eingebracht hat. Gelegentlich steht in der Literatur, dass Frost die Voraussetzung für das Schlüpfen der Falter ist, was jedoch zahlreiche Zuchterfahrungen widerlegen. Typisch beim Frostspanner ist, dass die Weibchen keine Flügel besitzen. Dieses Phänomen tritt auch bei anderen Nachtfaltern wie z. B. dem Schlehenspinner auf.

Trockener Sommer führte zu übermäßigem Aufkommen

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Einigen Expertenmeinungen zufolge ist der Jahrhundertsommer 2003 Grund für die massenhafte Vermehrung. Für die Menschen in den betroffenen Regionen ist das verstärkte Aufkommen eine Plage und sie fühlen sich durch den Kahlfraß vielfach schon im Frühjahr in den Herbst hineinversetzt. Experten zufolge tritt eine übermäßige Population des Frostspanners alle acht Jahre auf. Die Form dieser enormen Verbreitung ist jedoch neu. Neben den Raupen des Frostspanners ist auch ein verstärktes Auftreten von Eichenwicklern und Schwammspinnern bemerkbar.

Im Allgemeinen gut verträglich

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Für den Baum ist der Raupenfraß dann kein Problem, wenn die Blattmasse des Baumes nicht vollständig zerstört wird, da im Juli aus den schlafenden Knospen meist neue Blätter austreiben. Anders beim Kahlfraß, wo sämtliche Blätter des Baumes gefressen werden. Tritt diese Situation nicht zwei Jahre hintereinander auf und verlaufen die weiteren Witterungsbedingungen normal, führt dies nicht zum Absterben des Baumes. Ausnahmen sind „ringporige Laubhölzer" wie Eichen und dann, wenn die Entlaubung wiederholt und mit Trockenheit und Hitze auftritt. Da sich der Baum von diesen Angriffen nicht mehr erholen kann, stirbt er in der Regel ab. Durch massives Auftreten der Raupen kommt es aber besonders an Aufforstungen zu Schäden.

Vorbeugung statt Bekämpfung

Viele Gemeinden haben mit Experten der Universität für Bodenkultur Kontakt aufgenommen, um sich über eine Bekämpfung der Raupen zu informieren. Von einer Spritzung der Bäume wird jedoch abgeraten. Wirksam wäre nur der Einsatz hochgiftiger Insektizide, was aber nicht nur den Frostspanner, sondern auch zahlreiche nützliche Insekten betrifft und sich das Gift auch in der Nahrungskette vieler Singvögel ansammelt. Viele Bäume haben ohnehin gute Chancen, sich von dem Kahlfraß zu erholen. Durch den heißen Sommer vor zwei Jahren sind aber viele Laubgehölze noch geschwächt, was ihnen eine extreme Kraftanstrengung abverlangt. Wenn Pflanzenschutzmittel zur Bekämpfung der Raupen angewendet werden müssen, empfiehlt sich der Einsatz „umweltschonender", biotechnischer oder biologischer Präparate. Darunter fallen etwa Häutungshemmer oder Bacillus thurengiensis-Präparate. So schlimm der Befall im Frühjahr auch ist, wirklich Sinn macht eine Bekämpfung daher nur im Herbst durch eine vorbeugende Unterbindung der Eiablage.

Auf den Leim gegangen

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Im kommenden Herbst sollen so genannte Leimringe ausgelegt werden, die die Weibchen daran hindern, auf den Bäumen ihre Eier zu legen. Da die Weibchen mit ihren Flügelstummeln flugunfähig sind, machen sie sich zu Fuß auf den Weg nach oben. Dazu steuern sie die nächstgelegenen senkrechten Strukturen an – das können auch Holzpfähle oder Hauswände sein. Dort erfolgt auch die Begattung durch die nachtaktiven männlichen Falter.Leimringe fangen jedoch die Weibchen auf ihren Weg nach oben ab.Diese werden dabei in ca. 50 cm Höhe eng am Stamm anliegend angebracht.
Obstplantagen sind häufig eingezäunt, daher eignet sich hier als Bekämpfungsmaßnahme der Einsatz von Hühnern. Sie fressen im Mai und Juni die Raupen bzw. scharren auch die Puppen aus dem Boden. Im Garten wirkt sich auch das Fördern von Nützlingen – vor allem Vögel – positiv aus. So benötigt etwa ein Meisenpaar für die Aufzucht der Brut bis zu 30 Kilo Raupen.

Neben den hier näher besprochenen Kleinen und Großen Frostspannern existieren weitere Frostspannerarten – etwa der Orangegelbe Frostspanner (Operophtera fagata) oder der Buchenfrostspanner (Agriopis aurantiaraata). Die Biologie und Bekämpfung der Tiere ist ähnlich, auch wenn sich Falter und Raupe deutlich in ihrem äußeren Erscheinungsbild unterscheiden.

Kleiner Frostspanner

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Operophtera brumata
Häufiger Nachtfalter, der in Europa weit verbreitet ist und an Laubgehölzen in Wald, Garten und Obstkulturen anzutreffen ist. Die Falter erscheinen etwa ab Mitte Oktober. Die Vorderflügel des männlichen Falters sind graubraun, die Hinterflügel einheitlich hellgrau. Die Flügel der weiblichen Falter sind zu Stummeln zurückgebildet, so dass sie flugfähig sind.
Verwechslungsmöglichkeiten: Zur Flugzeit gibt es kaum andere verwechselbare Arten. Der Große Frostspanner fliegt etwas früher.
Raupenfutterpflanzen: Beinahe alle Laubgehölze, inkl. Obstbäume.
Überwinterung: Als Ei. Bekämpfung: Zum Schutz der Bäume werden zur Flugzeit am Stamm Leimringe angelegt.

Großer Frostspanner

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Erannis defoliaria
Nachtfalter, der zahlreich vorkommt und in Vergangenheit zu schädlichen Massenvermehrungen an Laubbäumen geführt hat. Er kommt in Europa überall vor, wo es ausreichend Laubgehölze gibt. Die Falter fliegen vom Spätherbst bis in den Dezember hinein - oft erst nach den ersten Nachtfrösten.
Verwechslungsmöglichkeit: Unter Berücksichtigung der Flugzeit keine. Der Kleine Frostspanner fliegt noch später.
Raupenfutterpflanzen: Laubgehölze inkl. Obstbäume.
Überwinterung: Als Ei

Gel-Manschette

Gel statt Leim – das ist die neue Strategie der österreichischen Firma Calantis gegen Frostspanner. Das neu entwickelte wasserfeste, temperaturunempfindliche und witterungsbeständige Gel stellt wie der herkömmliche Leim eine unüberwindliche Barriere für Frostspanner und deren Larven dar. Da das Gel nicht klebt, verschmutzt es aber viel weniger und bleibt länger wirksam. Positiver Nebeneffekt: Die Handhabung wird sauberer und einfacher. Das neue Gel der Firma Calantis wird nicht wie bisher auf Papier aufgetragen, da dieses nicht "insektendicht" zu befestigen ist und der oft verwendete Draht seine Spuren am Stamm hinterläßt. Statt dessen wird eine elastische und atmungsaktive Manschette mittels Kunststoffclip befestigt. Der Baum wird geschont, die Montage vereinfacht und kriechende Insekten viel effektiver zurückgehalten.
 
Weitere Informationen: www.calantis.com

Eichenprozessionsspinner

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Aber nicht nur harmlose Insekten haben sich prächtig vermehrt, auch der Eichenprozessionsspinner schlüpft zahlreicher als sonst: „Von dem sollten Waldbesucher unbedingt die Finger lassen“, warnt Schröder. Die behaarte und recht große Raupe sitzt an Eichen und hat mit Gift gefüllte Mikrohärchen, die sich auch durch den Wind verteilen. „Wenn diese die Haut berühren, ist das wie ein Wespenstich. Manche Menschen reagieren allergisch darauf. Auch Asthma kann ausgelöst werden.“ Die Raupenart sei vor allem im Raum Bietigheim-Bissingen, Vaihingen/Enz und Illingen verbreitet. Die Gesundheitsämter seien bereits verständigt und betroffene Waldregionen abgesperrt.

Befallsbeispiele

Schwerpunkt des Befalls ist vor allem Ostösterreich, da vor allem Wälder in wärmeren Regionen betroffen sind.
 
Stellvertretend für den Osten ist der Befall in Maria Enzersdorf/NÖ sehr ausgeprägt. Dort haben sich die Raupen des Frostspanners heuer extrem bemerkbar gemacht – zum Leidwesen vieler Baumbesitzer. Klaus Jungwirth von der Umweltabteilung der Gemeinde hat sich mit Experten der Universität für Bodenkultur in Kontakt gesetzt, die jedoch von einer Spritzung der Bäume abgeraten haben.
 
Bereits im Mai 2004 wurde in den Bezirken Graz, Graz-Umgebung, Weiz, Hartberg, Leibnitz und Radkersburg starker Raupenraß an Eichen, Hainbuchen, Eschen und vielen andere Laubbäume verzeichent.
 
Auch im Südwesten Deutschlands haben die Raupen die Laubwälder im Frühjahr kahl gefressen. Auch dort macht sich der Jahrhundertsommer 2003 bemerkbar, durch den sich die Raupen so ungewöhnlich stark vermehrt haben.