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Das Gras der Extreme

Ein Artikel von Dietrich Strümpfel, DI Stephanie Knoblich | 20.05.2005 - 10:44
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Es gibt nur wenige andere Pflanzen wie den Bambus, die den ganzen Globus umspannen und mit einer Vielfalt von mehr als 1.500 Arten und Sorten zu finden sind. Archäologische Funde zeigen, dass der Bambus bereits vor der Eiszeit in Europa beheimatet war.

Der Weg nach Europa. Ausgehend von der zentralen Rolle, die Bambus seit Jahrtausenden in den Hochkulturen von China und Japan spielt, wird in zahlreichen Studien versucht, die Wege, die den Bambus nach Europa geführt haben, nachzuzeichnen.
Herodot, Strabo und Marco Polo sind frühe Chronisten – und doch ist es vornehmlich das 19. Jahrhundert, das zu den ersten bedeutenden Importen von Bambus führt.
Entdecker, „Pflanzenjäger“ und Händler bringen die ersten Exemplare zusammen mit Tausenden anderer Bäume, Sträucher und Gewächse in die Botanischen Gärten, wie Kew Gardens bei London. Hier werden sie studiert und gesichtet, bis sie in den Parks und Gärten des Adels und Großbürgertums ihren ersten Standort finden.

Wirtschaftsinteresse wächst. Eine romantische Reisebeschreibung aus dem 19. Jh. stimmt ein in die Entstehungsgeschichte des Parks der Bambouseraie in Südfrankreich. Weitere Spuren führen nach Italien und in die Schweiz.
Bambus als Rohstoff stellt eine mögliche Symbiose von Ökologie, wirtschaftlichen Interessen und Nachhaltigkeit in Aussicht. Einige Beispiele von neuen Anwendungsbereichen in Industrie und Forschung verdeutlichen die wachsende Bedeutung von Bambus auch als Alternative zur Produktion von Tropenholz.
Die Importe von Bambusarten im 19. und 20. Jh. sind spärlich bis in die 80er-Jahre und vollziehen sich vom großen Publikum fast unbemerkt. Über 70 % der heute zur Verfügung stehenden Sorten sind erst in den vergangenen 25 Jahren eingeführt worden.

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Blüte bremste die Bambusbegeisterung. Der große Siegeszug der Fargesien wird gebremst durch deren Blüte. Jetzt erstmals wird aber Bambus generell in seinem gesamten Zusammenhang erfasst – vom Import über natürliche Blühprozesse bis zu seinem Platz in europäischen Gärten. Zum ersten Mal wird man aufmerksam für Phyllostachys und andere Sorten, deren Blüte kaum schadet. Neue Einführungen aus den Ursprungsländern und zunehmende Pflanzenproduktion gehen Hand in Hand mit einer wachsenden Zahl von Bambusliebhabern.

Wo stehen wir heute? Wellness, Komfortsteigerung, exotische Oasen, Feng Shui – Bambus entspricht dem neuen Zeitgefühl. Spektakuläre Bambusverwendungen weltweit, Gartenschauen und Zoos geben Beispiele.
Doch die ‚Modewelle Bambus’ scheint abgeebbt. Heute geht es vielmehr darum, Bambus besser zu verstehen, einzusetzen und zu pflanzen. So wie Rhododendron, Päonie und Forsythie, die auch aus Asien zu uns kamen, sollte Bambus heute selbstverständlicher Teil jedes Baumschulsortiments sein und entsprechend seiner charakteristischen Eigenschaften ausgewählt und fachgerecht gepflanzt werden. Für europäische Gestalter ist er Herausforderung und zeitgemäße Antwort zugleich.

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Keine Monotonie von Bambusanpflanzungen. Die durch den botanischen Exkurs deutlich werdenden vielseitigen Erscheinungsbilder der Bambusarten geben die Möglichkeit, Bambus an sehr differenten Plätzen im Garten, im öffentlichen Raum oder auf Terrassen wirkungsvoll und dauerhaft einzusetzen. Die Differenzierung in horstig wachsend und ausläufertreibend ist nur ein kleiner, jedoch nicht unwesentlicher Teil des Habitus, sind doch besondere Schutzmaßnahmen oder Standortwahlen zwingend geboten. Zudem gibt es zahlreiche Partner zu Bambus – ob das nun ausläufertreibende Astern oder die Trockenheit vertragende Polygonum sind. Sie haben gemeinsam, dass sie mit dem starken Wurzeldruck und der extremen Trockenheit zurechtkommen. Ein besonderes Augenmerk soll auf Großflächenkombinationen mit kleinem, bodendeckendem Bambus gerichtet werden.

Pflanzkombinationen. Wer mit Stauden arbeitet, muss sich immer wieder aufs Neue und intensiv mit der Pflanze auseinandersetzen und vor allem sehr gut beobachten, denn jeder Standort hat wieder andere Gegebenheiten. Mit Stauden dauerhaft Freude zu bereiten ist, so man die Materie beherrscht, relativ einfach, doch das Wichtigste ist hier das Wissen um den richtigen Standort. Bambus hingegen wächst nahezu überall kann aber in seiner wichtigen Vergesellschaftung mit anderen nur gewinnen. Viele Stauden haben es dabei jedoch schwer und müssen unter enormen Wurzeldruck und Trockenheit durch den Bambus leiden. Nicht viele Pflanzen eignen sich daher für die Kombination mit dem Riesengras.

Einsperren. Rhizombildender Bambus benötigt eine Sperre mit einer Mindesthöhe von 70 cm. Anstelle spezieller Rhizom-Barrieren, die im Handel erhältlich und aus Kunststoff sind, können Betonstreifen eine sinnvolle Alternative sein.
Bei Rhizomsperren ist immer zu beachten:
- Der Einbau erfolgt gleichzeitig mit der Anpflanzung.
- Die Größe der Barriere richtet sich nach dem vorhandenen Platz, soll aber mindestens 1,5 m im Durchmesser betragen.
- Die Barrieren sollen schräg nach oben/nach außen erfolgen, damit die Rhizome , die an die Barriere anstoßen, nach oben hin abrutschen und hinaus wachsen. Dies ist wichtig, da sie bei falscher Neigung nach unten getrieben werden.
- Die oberste Kante soll sichtbar bleiben, um damit zu verhindern, dass einzelne Rhizome über diese Barriere hinüber wachsen.
- Es reicht nicht, die Enden der Barriere einfach zu überlappen. Sie müssen verschraubt oder verklemmt werden, damit die Rhizome nicht zwischen die Fugen wachsen können.
- Bei kleinen Rhizombarrieren im Durchmesser muss künstlich, dauerhaft zugewässert werden, um ein Austrocknen zu verhindern (Tröpfchenbewässerung).

Bambusgarten

„Bambus muss man sehen und anfassen können“, ist die Meinung der drei Organisatoren und Sponsoren der Veranstaltung „Jahr des Bambus 2005“ auf Schloss Dyck/D.
Mehr als 30 Sorten Bambus werden auf 800 m² von Dietrich Strümpfel präsentiert. Als kleiner Bruder des größten Bambusgartens Europas, der Bambouseraie in Frankreich, beträgt die Höhe einzelner Bambusse bereits 10 m.
Einzelne Kunstobjekte bedeutender Künstler werden das Gesamtbild des Gartens, der mittels einer Lehrbaustelle durch das GaLaBau-Unternehmen Drillges erstellt wird, bereichern und für internationale Aufmerksamkeit sorgen.

Nicht viele Stauden vertragen die Nähe zum Ausläufer treibenden Bambus. Eng wird es vor allem dann, wenn Stauden zusammen mit dem Bambus „in den Ring“ steigen, der als Rhizom-Barriere dient. Nachfolgend eine kleine Auswahl an Möglichkeiten, die sich in Kombination mit dem Bambus sehr gut bewährt haben. Viele haben anfangs ein gutes Leben, müssen sich aber gegen den Bambus ins Zeug legen und halten zumindest die ersten zehn Jahre.
Aster ageratoides var. ovatus f. yezoensis ‘Asran’ – Schattenaster
Aster ageratoides var. ovatus ‘Adustus Nanus’ – Schattenaster
Aster macrophyllus – Großblattaster
Clematic x jouiniana ‘Praecox’ – Weiße Strauchclematis
Convallaria majalis – Maiglöckchen
Corydalis lutea – Gelber Lerchensporn
Cyclamum cilium – Anatolien-Alpenveilchen
Euphorbia cyparissus – Zypressen-Wolfsmilch
Fragaria moschata – Moschus-Erdbeere
Geranium nodosum – Schatten-Storchenschnabel
Liriope musoari – Breitblättriges Liliengras
Ophiopogon kansuense – Breitblättriger Schlangenkopf
Patrinia gibbosa – Goldbaldrian
Polygonum compactum ‘Roseum’ – Rosenknöterich
Salvia glutinosa – Klebriger Salbei