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Für Straßenbäume ist die Sonne mitunter ein negativer Standortfaktor, Stammanstriche schützen vor Temperaturschwankungen © Bonsales/Shutterstock.com

Stammschäden sind keine „Kleinigkeit“

Ein Artikel von DI Christiane Bartal | 06.09.2012 - 13:15

Es erscheint absurd, Bäume vor der Sonne schützen zu müssen. Grundsätzlich tut das ein Baum natürlich selbst, alleine schon durch seine Schatten spendende Baumkrone. Normalerweise stockt ein Baum auch im Wald, im schützenden Bestand seinesgleichens. Für Straßenbäume etwa ist die Sonne aber ein mitunter negativer Standortfaktor. Haben sie schon mit widrigen Standortverhältnissen und einer geringen Nährstoff- und Wasserversorgung zu kämpfen, kommt nun noch die für einen Baum, deren Stamm astfrei sein muss, zu starke und vor allem immer intensiver werdende Sonnenstrahlung hinzu. Nicht ohne Grund bildet ein frei stehender Baum üblicherweise eine bis fast zum Boden reichende Beastung aus. Ebendies darf so mancher Baum im vom Menschen beeinflussten Umfeld nicht. Es ist außerdem wissenschaftlich bewiesen, dass einzelne Sorten unterschiedlich anfällig auf witterungsbedingte Stammschäden sind.

Wenn der schützende Baumschulbestand fehlt ...
Die Ursache für die plötzlich am Endstandort auftretenden Stammschäden ist der abrupte Standortswechsel des Jungbaumes. Der frisch aus der Baumschule kommende Jungbaum ist verwöhnt – sein empfindlicher Stamm wurde in der Baumschule von den benachbarten Bäumen vor intensiver Sonneneinstrahlung und starken Temperaturschwankungen geschützt. Am Straßenstandort findet er sich schonungslos gegenüber der Einwirkung von Sonne und Frost exponiert wieder. Immerhin kann die ungeschützte Stammoberfläche im Sommer Temperaturen von bis zu 45 °C erreichen – zu viel für das empfindliche Kambiumgewebe des Baumes.Früher wurde die Nordseite der Jungbaumstämme deshalb mit einem „Nordpunkt“ markiert – diese Seite des Stammes ist weniger gegen Sonneneinstrahlung abgehärtet als die exponierte Südseite. Anhand des Punktes konnte der Baum am Endstandort wieder richtig positioniert werden. Sonnenbedingten Stammschäden wurde so weitgehend vorgebeugt.

„Sonnenbrand“ ist auch für Bäume gefährlich
Die Schadensausprägung von Sonnenschäden beginnt beispielsweise in einem sehr heißen Sommer als kleine unregelmäßig plattige Stellen an der süd- oder südwestseitigen Rinde, die sich in den darauffolgenden drei Jahren zu deutlichen Rindennekrosen ausweiten. Der typische Schaden, ein nekrotisierter trockener Rindenstreifen, der meist auch dunkler als das umgebende Gewebe ist, wird aber i. d. R. erst im fortgeschrittenen Stadium als „Sonnenbrand“ erkannt.

Im Unterschied zu echten Frost­rissen laufen die Nekrosen meistens nach oben und unten spitz aus und erstrecken sich wesentlich länger in Richtung Baumkrone, oft genau bis zum schattierenden Kronenansatz. Spröde Rindenteile haften lange fest am Holzkörper und fallen oft erst nach Monaten oder Jahren stückweise ab, sodass erst lange nach Beginn der Schädigung das freigelegte Splintholz sichtbar wird.
Abgesehen von den Gewebeschäden der Rinde fällt das Dickenwachstum an den betreffenden Stellen geringer aus, was einen unschön abgeflachten Stammumfang zur Folge hat. Der Grund dafür ist eine Schädigung oder sogar Zerstörung der Wachstumsschicht, des Kambiums. In diesen Stammbereichen entstehen aufgrund der unterschiedlichen Wachstumsverhältnisse Spannungen und infolge dessen sekundär auch Rindenrisse.

Schäden durch Frost
Der typisch frostbedingte Schaden ist ein einzeln auftretender, stammaxial durchgehender und verschieden langer Rindenriss am Südpunkt des Stammes oder leicht in südwestlicher Richtung. Die Rissbildung vollzieht sich interessanterweise nicht, wie man vermuten möchte, während der Stunden extremer Tiefsttemperaturen in der Nacht oder in der Früh, sondern zur Mittagszeit an windstillen und strahlungsintensiven Wintertagen. Durch die intensive Besonnung erwärmt sich die Rinde und taut partiell auf. Die Rinde platzt plötzlich und geräuschlos auf.
Sog. „echte“ Frostrisse sind daran zu erkennen, dass sie nicht direkt an der Erdoberfläche beginnen und auch nicht in den Boden bis in den Wurzelbereich hinein reichen.

Weitreichende Folgen
Die meisten durch Sonnenbrand stark geschädigten Bäume vergreisen vorzeitig oder wachsen schlecht weiter. Die Standfestigkeit kann derart beeinträchtigt sein, dass bereits kürzlich gepflanzte Bäume wieder entfernt werden müssen.
Schadhafte Stammbereiche, ob durch Sonnennekrosen oder Frostrisse verursacht, sind willkommene Eintrittspforten für sämtliche Schadorganismen – sowohl pilzlicher als auch tierischer Art. Der Gemeine Spaltblättling (Schizophyllum commune) nutzt beispielsweise solche „Wunden“, um in das Stamminnere zu gelangen und dort die gefürchtete Weißfäule zu verursachen. Auch der Rotpustel-Pilz (Nectria cinnabarina) schreckt nicht vor Stammwunden zurück. Hat sich erst einmal ein holzzerstörender Pilzbefall etabliert, kann der Baum die Schadstelle nicht mehr vollständig schließen – erhöhte Bruchgefahr ist die Folge. Bei Jungbäumen mit schwacher Abschottung („Kompartimentierung“), z. B. der Rosskastanie oder der Birke, dehnen sich die geschädigten, verfärbten Holzbereiche keilförmig in Richtung Stammmitte aus.
Die Folgen zeigen sich nicht nur unmittelbar am Stamm. Unter dem geschädigten Stammquerschnitt leidet auch der Saftfluss und somit die Versorgung der Krone. Frühzeitige Laubverfärbungen und Blattnekrosen sind die Folge.

Stammanstriche schützen vor Temperaturschwankungen
Im Fachhandel werden mehrere als Rindenschutz ausgewiesene Produkte auch für Ziergehölze angeboten. Aus dem Erwerbsobstbau sind helle Stammanstriche seit langem bekannt und wurden durch neuere Untersuchungsergebnisse bestätigt.
Die Schutzwirkung durch die hellen Anstriche erfolgt dadurch, dass auftreffende Sonnenstrahlung durch die weiße Oberfläche größtenteils reflektiert und so eine Aufheizung des Stammes verhindert wird. Voraussetzung dafür ist eine vollständige und anfangs flächendeckende Deckkraft der Farbe und eine Haltbarkeit für mindestens 5 Jahre. Durch das Dickenwachstum entstehen langsam feine Risse, die sich erweitern, bis die Farbe schließlich nicht mehr zu erkennen ist – der Baum kann sich langsam an die Sonneneinwirkung gewöhnen.

Derartige Anstriche werden aber nicht nur bei Jungbaumpflanzungen angewendet – auch bei schützenswerten Altbäumen, deren Stamm- und Astpartien z. B. durch Kronenausbrüche plötzlich sonnenexponiert sind, bewähren sich weiße Stammfarben.