1214907565.jpg

© Stiptschitsch

Alternativen zu invasiven Neophyten

Ein Artikel von Dr. Swen Follak | 01.07.2008 - 14:50
1214907565.jpg

© Stiptschitsch

Umdenken erforderlich
Wichtige Voraussetzungen sind die Stärkung des Problembewusstseins aller Beteiligten und dass solche Arten durch weitere Anpflanzungen nicht zusätzlich gefördert werden. Für jede Art gibt es zahlreiche Alternativen, die sich in Habitus und Aussehen ähneln.

Eingeführt
Seit dem Beginn der Neuzeit (nach 1492) wurden zahlreiche Pflanzenarten (so genannte Neophyten) aus fremden Gebieten nach Österreich eingeführt. Der bewusste Import war und ist der wichtigste Einführungsweg und ist zumeist ökonomisch motiviert: Neue Arten für die Kultur in der Land- und Forstwirtschaft, für Gärten und Parks oder Aquarien wurden benötigt. Zurzeit gibt es ca. 1.100 Neophyten in Österreich und es kommen laufend neue Arten hinzu. Ein Fünftel der Arten konnte sich bisher in der freien Natur dauerhaft etablieren und in vorhandene Pflanzengesellschaften eingliedern.

Attraktiv und nützlich, aber auch problematisch
Der Nutzen vieler eingeführter Pflanzen für den Garten- und Landschaftsbau ist unbestritten. Landschaftsgärtner und Gartenbesitzer schätzen insbesondere exotische Pflanzen, denn sie sorgen in den Gärten oder städtischen Grünanlagen mit ihrer Erscheinung für Ästhetik und Atmosphäre.

Es gibt auch ganz praktische Gründe. Viele dieser Pflanzen sind nicht nur attraktiv, sondern auch widerstandsfähig gegenüber Staub, Trockenheit und Luftverschmutzung und werden als Straßenbäume, Windschutz oder zur Flächenbegrünung angepflanzt. Allerdings zeigt eine Minderheit von ihnen invasiven Charakter, d. h. sie beeinträchtigen die natürliche Artenvielfalt (Verdrängung einheimischer Arten), schädigen die menschliche Gesundheit und/oder verursachen ökonomische Schäden. Zurzeit werden 35 Arten in Österreich aus naturschutzfachlicher Sicht als invasiv bzw. potenziell invasiv eingestuft und rund drei Viertel dieser Neophyten sind Garten- und Zierpflanzen.

1214907538.jpg

© Stiptschitsch

Zierpflanzen und Gehölze
Es gibt auch zahlreiche Arten, die als Zierpflanzen eingeführt wurden und heute in der Landwirtschaft als Unkraut vorkommen und daher bekämpft werden müssen, so z. B. das Franzosenkraut (Galinsoga spp.). Zu den invasiven Neophyten gehören die Goldruten-Arten (Solidago canadensis, S. gigantea), die großflächige und artenarme Bestände zumeist auf Ruderalstandorten bilden können. Ähnliches gilt für Topinambur (Helianthus tuberosus) und den Japan-Knöterich (Reynoutria japonica) auf Standorten an naturnahen Fließgewässern. Beide Arten treten auch als Unkraut in landwirtschaftlichen Kulturen auf.

Neopyhtische Gehölze, wie die Robinie (Robinia pseudoacacia), die Späte Traubenkirsche (Prunus serotina) und der Götterbaum (Ailanthus altissima), breiten sich punktuell stark in Naturschutzgebieten wie in den Donauauen, aus. Als potenziell invasive Arten werden die häufig im Garten verwendete Vielblättrige Lupine (Lupinus polyphyllus) und die Gewöhnliche Mahonie (Mahonia aquifolium) eingestuft, denn sie treten unbeständig oder etabliert, aber nicht invasiv auf. Sie verursachen jedoch in naturräumlich vergleichbaren Regionen im benachbarten Ausland durch invasives Auftreten in naturnahen Lebensräumen Probleme.

Vom Garten in die Natur
Der "Sprung" vom Garten in die Natur ist einfach und gelingt den Pflanzen häufig unbemerkt, denn für die Ausbreitung sorgt neben Wind, Tieren oder eine effektive vegetative Vermehrung auch der Mensch. Bestes Beispiel ist der Schmetterlingsstrauch (Buddleja davidii). Dieser vermehrt sich durch Samen – bis zu drei Millionen Samen werden pro Pflanze produziert –, aber auch vegetativ durch unterirdische Ausläufer.
Darüber hinaus ist das gedankenlose Wegwerfen von Pflanzenmaterial in freier Natur ein wichtiger Ausbreitungsweg. Doch eines ist auch unverkennbar: Die Bedeutung des Garten- und Landschaftsbaus für die Verbreitung von Neophyten wird weiter zunehmen. Insbesondere Hausgärten und sonstige Pflanzungen im Siedlungsraum gelten als dominierende Diasporenquellen. Ein Beispiel ist der Blauglockenbaum (Paulowinia tomentosa), der im urbanen Siedlungsraum der großen Städte Österreichs bereits verwildert vorkommt und sich mittel- und langfristig weiter ausbreiten wird. Dazu gehört auch die ostasiatische und in mehreren Kultursorten gepflanzte Sommerspiere (Spiraea japonica), die sich bereits lokal im östlichen oberösterreichischen Alpenvorland eingebürgert hat.

1214907596.jpg

© Stiptschitsch

Klimawandel
Eine wichtige Rolle spielt auch der zu erwartende Klimawandel. Die Auswirkungen sind zwar vielfältig und in ihrer Gesamtheit nicht überschaubar, einzelne Aspekte sind jedoch augenfällig. Bereits heute kann eine zunehmende Etablierung immergrüner und wärmeliebender Gehölze, z. B. des Kirsch-Lorbeers (Prunus laurocerasus), in der freien Natur beobachtet werden.
Durch Gartenhandel und -kultur sowie angetrieben durch wechselnde (Mode-) Trends wird vielen (potenziell invasiven) Arten in zunehmendem Maße der kaum denkbare Schritt über bislang unüberwindbare geographische Ausbreitungsbarrieren ermöglicht. Für die grüne Branche gilt deshalb, dass grundsätzlich neue Pflanzenarten oder Kultursorten nicht eingeführt werden sollten, die nachweislich in anderen Ländern Verdrängungscharakter zeigen. Dies setzt natürlich voraus, dass der Händler oder Importeur genau über die jeweilige Art Bescheid weiß.

Vielfalt ausschöpfen
Einige der invasiven Neophyten werden gärtnerisch nicht mehr verwendet, wie das Drüsige Springkraut (Impatiens glandulifera) oder der Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum), gleichwohl sind viele von ihnen immer noch im Fachhandel erhältlich. Wünschenswert wäre es, dass diese Arten nicht weiter verkauft werden. Werden sie dennoch vom Kunden nachgefragt, z. B. aus gestalterischen Gründen, wären zumindest ein Hinweis auf ihre Invasivität und eine Beratung im sicheren Umgang und in der Entsorgung unumgänglich. Denkbar ist auch ein direkter Hinweis auf der Etikettierung, und zwar mit der Angabe zu Empfehlungen und möglichen Kontrollmaßnahmen (keine Anpflanzung in der Nähe von Gewässern und in der freien Landschaft, Stockausschläge sollten laufend und abgeblühte Blütenstände vor der Samenreife entfernt werden) und Tipps zur fachgerechten Entsorgung der Gartenabfälle. Eine einfache und wirkungsvolle Maßnahme ist die Verwendung von alternativen Pflanzenarten in Gärten, Parks, auf öffentlichen Flächen und entlang von Verkehrswegen, die sich im Habitus, in der Blütenfarbe und im Blütenzeitpunkt sowie ihrer Verwendung und Standortansprüchen weitgehend ähneln.
Es ist sicherlich erforderlich, hier die weitere Entwicklung genau zu beobachten. Außerdem sollte die Verwendung der zahlreich angebotenen züchterisch bearbeiteten Pflanzenarten (Hybriden) eher vermieden werden, denn dadurch kann eine Kreuzung der Gartensippen mit einheimischen Wildsippen – und eine Florenverfälschung – begünstigt werden.