1149873360.jpg

© DI Hartmut Schnedl

Wie Farben im Garten wirken

Ein Artikel von DI Hartmut Schnedl | 10.06.2006 - 09:08
1149873360.jpg

© DI Hartmut Schnedl

Wenn wir uns umschauen, sehen wir überall ausgedehnte Farbflächen, die sich übereinander zu stürzen scheinen: Auf Schildern, Autos, in Gärten – eine Kakophonie aus „Farbenlärm“, schreiben die Gartengestalter Nori und Sandra Pope. Von allen Gestaltungsmitteln wirken Farben am direktesten auf das Gefühl. Und schnell kann es passieren, dass es „zu bunt“ wird, dass von der erwarteten aufheiternden Wirkung nur mehr Missklänge übrig bleiben.
Viele Gartenbesitzer bevorzugen deshalb einen dezenten Farbeinsatz, angelehnt an das noble Unterstatement des klassischen englischen Gartens. „Gertrude Jekylls Ton-in-Ton aus dem 19. Jahrhundert ist immer noch sehr aktuell“, erzählt Veronika Walz, Garten- und Farbberaterin sowie Buchautorin aus Probstdorf. Es gibt aber regionale Unterschiede. „In Italien sind die Farbkombinationen viel mutiger. Hier scheut man sich nicht vor gewagten Kombinationen zurück wie Pink mit Orange.“ Anders als Nori und Sandra Pope tritt Walz auch für bunte Beete ein. Allerdings nicht uneingeschränkt: „Auch bei Bunt gibt es Regeln. Der größte Fehler bei der Farbgestaltung ist es, sich keine Gedanken zu machen.“

Sechster Sinn: Der Farbsinn
Veronika Walz veranstaltet Farbseminare für Hobbygärtner, Gartengestalter und angehende Landschaftsarchitekten. Regelmäßig beobachtet sie, dass ihre Schülerinnen und Schüler unbewusst zu den passenden Farben und Nuancen greifen. „Manche Menschen – meist sind es Frauen – haben einfach ein gutes Auge für Farben.“ Dass bei Männern dieses Talent eher rar ist, hat zum Teil biologische Gründe. Männeraugen haben mehr lichtempfindliche Stäbchen als Augen von Frauen. Dadurch können Männer zwar in der Dämmerung besser sehen, dafür nehmen sie Farbnuancen nicht so stark wahr. Und auch die Art der Informationsverarbeitung ist unterschiedlich. Frauen speichern visuelle Eindrücke in beiden Gehirnhälften, Männer nur in der linken. Das hat zur Folge, dass kaum ein Mann – Genies wie der Maler Monet ausgenommen – so gut zwischen den 70 Millionen Farbnuancen unterscheiden kann wie eine Frau.
Ein Trost für Männer gibt es: Farbwahrnehmung kann geübt werden. Doch auch hier haben Frauen einen unaufholbaren Vorsprung. Werden sie doch oft schon im Kindesalter darauf trainiert, ihre Kleidung farblich passend zusammenzustellen.Männer gehen das Thema Farbe generell eher rational und wissenschaftlich an, weiß Walz. Ein Beispiel dafür sind die Farbtheorien von Newton und Goethe: Da werden die Farben zerlegt und analysiert, kategorisiert, beschrieben und in Schemata gepresst. Das bekannteste ist der Farbkreis, in dem – je nach Anwendung – sieben, zwölf bis Millionen Farben angeordnet sind.

1149873448.jpg

© DI Hartmut Schnedl

Der Farbkreis
Das wichtigste Hilfsmittel zur Gestaltung farbiger Beete und Pflanzungen ist der zwölfteilige Farbkreis. Mit ihm können rasch passende Farbkombinationen gefunden werden. Bewährte Kombinationsprinzipien sind die Nachbarfarben-Harmonie, der Dreiklang, der Zweiklang und die Gestaltung Ton-in-Ton.

Nachbarfarben-Harmonie
Dafür werden zwei bis maximal fünf Farben verwendet, die auf dem Farbkreis unmittelbar nebeneinander liegen. Am besten beschränkt man sich auf Farben entweder aus dem kalten oder aus dem warmen Bereich. Als kalte Farben gelten Blau und Violett. Warme Farben sind Rot, Gelb und Orange. Grün steht in der Farbpsychologie zwischen den warmen und den kalten Farben und wird je nach Farbton einmal den einen, einmal den anderen zugeordnet. Die Farbe Rot ist bei der Nachbarfarben-Harmonie besonders zu behandeln: Keinesfalls soll ein Rot mit Blauanteil mit einem gelblichen Rot kombiniert werden, da sich diese beiden Farben schlagen. Allenfalls in sehr großen Beeten, die nicht auf einen Blick überschaut werden können, lassen sich Übergänge zwischen dem einen und dem anderen Farbton schaffen.

Der Dreiklang
Zeichnet man in den Farbkreis ein gleichseitiges Dreieck, so zeigen dessen Spitzen auf jene Farben, die miteinander zu einem Dreiklang harmonieren. Das Dreieck kann im Kreis beliebig gedreht werden, wodurch eine Reihe verschiedener Kombinationen entstehen. Am kräftigsten wirkt eine Kombination aus den drei Primärfarben Rot, Gelb und Blau. Um zartere Effekte zu schaffen, werden die Farben mit Weiß zu Pastelltönen aufgehellt.

Der Zweiklang
Die Kombination von Komplementärfarben nennt man Zweiklang. Komplementärfarben liegen im Farbkreis unmittelbar gegenüber. Der stärkste Kontrast ist der von Rot und Grün, wie er auch in der Natur häufig vorkommt. Für die Arbeit mit Zweiklängen ist wichtig, dass die beiden Farben nicht zu gleichen Teilen verwendet werden sollen. Der Kontrast wirkt am lebendigsten, wenn eine Farbe mit etwa zwei Drittel dominiert. Der Effekt hängt wesentlich davon ab, welche Farbe die Hauptfarbe ist. Ein Blau, aus dem Gelb hervorblitzt, bringt eine völlig andere Stimmung als ein Gelb mit blauen Elementen.

Ton-in-Ton
Als einfachste Form der Farbgestaltung gilt die Gestaltung Ton-in-Ton. Besonders spektakulär sind ganze Gärten in nur einer Farbe. Dabei soll darauf geachtet werden, zusätzliche Kontraste zu schaffen, mit verschiedenen Blüten- und Blattformen, Wuchshöhen und Texturen.

Gestalten mit Farbe
Pflanzen stehen im Garten nicht als isoliertes Element. Sie sind die wichtigsten Träger der Farbwirkung, sind aber selbst in einen Farbraum eingebettet, der von den Hauswänden, der Pflasterung, den Möbeln, Mauern und Zäunen und nicht zuletzt von der umgebenden Landschaft gebildet wird. Es hat zum Beispiel keinen Sinn, ein gelbes Beet vor einer gelben Hauswand zu pflanzen. Die Wirkung würde völlig verloren gehen. Die Grundfarbe des Farbraumes im Garten ist meist das Grün von Gras, Bäumen und Sträuchern.
Das dunkle Grün einer Hecke wirkt als Hintergrundfarbe, vor der sich die Farbnuancen abheben. Ein helles Gelbgrün kann verwendet werden, um Farben zu verbinden, die sich sonst schlagen würden.
Farben wirken ihrerseits zurück auf den Raum. Kalte Farben wirken kühl und schaffen Distanz. Sie können gut benutzt werden, um Gärten optisch zu vergrößern, vor allem wenn man Pflanzen mit blaugrünen, blauen, violetten, aber auch weißen Blüten in den Hintergrund setzt.
Warme Farben hingegen treten hervor und heischen nach Aufmerksamkeit. Sie verkürzen Distanzen und lassen große Flächen kleiner wirken. Eine spezielle Alarmfarbe ist Rot: Sie zieht den Blick auf sich und unterstreicht die Bedeutung dieses Teils des Gartens. Warme Farben sind im Allgemeinen freundlich und heiter. In Übermaß eingesetzt können sie allerdings grell und laut wirken.

Farbe und Licht
Physikalisch betrachtet ist Farbe nichts anderes als Licht mit einer bestimmten Wellenlänge. Für Gartengestalter hat dies wenig Bedeutung. Wichtig ist jedoch, dass Licht eine wesentliche Rolle bei der Wahrnehmung von Farben spielt. Sonnenlicht ist in den Morgenstunden bläulich: Blüten in Blau und Violett leuchten dann besonders hervor. Am Nachmittag und am Abend ist das Tageslicht eher rot. Dann kommen Rot-, Orange- und Gelbtöne besonders zur Geltung.
Je stärker das Licht, umso intensiver muss die Farbe sein, um überhaupt zur Geltung zu kommen. Pastelltöne verschwinden im grellen Sonnenlicht, leuchten aber umso intensiver, je dämmeriger es wird.

1149873478.jpg

© DI Hartmut Schnedl

Lieblingsfarben
Das Farbempfinden der Menschen ist Moden unterworfen. Im Barockgarten war es üblich, Blumen verschiedener Farben nebeneinander zu setzen. Aus einiger Entfernung verschmelzen die Farben zu einer emaillartigen Farbfläche. Im englischen Landschaftsgarten war man mit Farben sehr zurückhaltend. Es wurde mit sehr viel Grün gearbeitet, bunte Beete sind selten.
Die beliebteste Farbe im Garten ist Blau. Das könne damit zusammenhängen, dass es relativ wenige wirklich blaue Blüten gibt. Die meisten Blumen haben einen Stich ins Violett oder Purpur.
Heute haben Gartengestalter mehr Sorten und Farben zur Verfügung als jemals zuvor. Das macht es auch schwieriger, zu einem eigenen Stil der Gestaltung zu finden. „Man muss wahnsinnig viel wissen, viel Literatur lesen und Gartenbücher studieren“, sagt Veronika Walz. Inspirationen für die Gestaltung finden sich überall: Von alten Gärten und Parks bis hin zu zufällig beobachteten Farbkombinationen am Wegrand.