Das geliebte Haustier stirbt, auf einmal ist die Oma nicht mehr da, der kleine Bruder kommt nicht aus dem Krankenhaus zurück oder sogar ein Elternteil muss begraben werden – Tod und Trauer können urplötzlich in die behütete Kindheit eindringen und das Leben eines Kindes durcheinander wirbeln. Kinder nehmen den Tod oft viel bewusster wahr als Erwachsene denken. Allerdings ist das Verständnis von Tod und seiner Bedeutung abhängig vom Alter des Kindes und vom Verhalten seiner unmittelbaren Bezugspersonen.
„Opa schläft aber tief!“
Der Thanatologe (Sterbeforscher) Joachim Wittkowski hat die Entwicklung des kindlichen Todeskonzepts in verschiedene Stufen eingeteilt: Kinder bis zum dritten Lebensjahr verstehen den Begriff „Tod“ noch nicht. Allerdings empfinden auch Säuglinge und Kleinkinder intuitiv den Verlust eines wichtigen Menschen sehr deutlich. Zwischen dem dritten und dem fünften Lebensjahr entwickeln Kinder begrenzte Vorstellungen vom Tod. Sie halten den Tod aber für eine Art Schlaf oder eingeschränkten Lebens mit Bewegungsunfähigkeit oder Reglosigkeit.
Der Tod hat in der kindlichen Vorstellung nichts Endgültiges, sondern ähnlich dem Versteckspiel oder dem Totstellen im Spiel wird dieser Zustand als vorübergehend betrachtet. In dieser Phase schreiben Kinder einer Leiche noch Gefühlsregungen und Lebensfunktionen zu: zum Beispiel erkundigen sie sich, ob es denn dem Großvater nach der Beerdigung im Grab nicht zu kalt sei.
„Ist Oma jetzt ein Engel?“
Grundschulkinder im Alter von 6 bis 9 Jahre erkennen weitere Merkmale des Todes, wie z. B. Atemstillstand und Aussetzen des Herzschlags. Sie beginnen die Bedeutung des Todes und seine Endgültigkeit zu verstehen und erkennen. Sie wollen wissen, was nach dem Tod kommt und verlangen eindeutige Antworten. Sie stellen sich den Himmel bildhaft als eine Art Schlaraffenland vor.
Realistischer und detaillierter werden die Todesvorstellungen von Kindern erst nach dem neunten Lebensjahr. Die Zusammenhänge zwischen Tod, Sarg, Beerdigung und Friedhof können sie verstehen. Mit der Pubertät treten mehr und mehr philosophische Aspekte in den Vordergrund. Die Jugendlichen sind auf der Suche nach ihrer eigenen Identität und setzen sich mit dem Tod im Zusammenhang mit der Frage nach dem Sinn des Lebens auseinander.
Kindern weitehelfen
Wenn Kinder von einem Todesfall betroffen sind, brauchen sie viel Unterstützung, um gut mit dem Verlust und der Trauer umgehen zu können.
Die Einstellung der Erwachsenen zum Tod, bzw. deren Verhalten bei einem Trauerfall, prägt das Verhältnis der Kinder zum Tod. Denn Kinder lernen durch Beobachtung, vor allem kleine Kinder ahmen ihre Eltern nach und handeln dementsprechend. Häufig jedoch fühlen sich Eltern, die selbst durch den Tod eines Angehörigen Betroffene sind, nicht in der Lage, ihren Kindern Wissen über den Umgang mit dem Thema Tod zu vermitteln. Oft reagieren Erwachsene hilflos, wenn Kinder trauern. Sie sind entweder zu sehr in ihrem eigenen Kummer gefangen, um sich auf das Kind zu konzentrieren, oder aber sie versuchen das Kind zu schonen, indem sie es von allen Vorgängen, die mit dem Sterbefall verbunden sind, fernhalten. Mit beiden Verhaltensweisen wird beim Kind jedoch eine effektive Trauerarbeit verhindert.
„Warum weinst du, Mama?“
Kinder bringen je nach Persönlichkeit ihre Trauer anders zum Ausdruck: Von Wutausbruch bis zu scheinbarem Desinteresse. Sie entwickeln irrationale Schuldgefühle – häufig beim Tod von Geschwistern – oder aber sie versuchen stark zu sein, die Eltern zu unterstützen oder ungerührt zu erscheinen, wenn auch die Eltern wenig Gefühl zeigen können oder wollen. Der Trauerforscher Dr. Wolfgang Holzschuh weist darauf hin, dass von einem Todesfall betroffene Kinder vor allem Ehrlichkeit und Unterstützung seitens der Erwachsenen brauchen. Kleinkindern, die emotional den Verlust einer Bezugsperson verkraften müssen, helfen tägliche Rituale wie gemeinsames Spielen oder Vorlesen am Abend mit einer vertrauten Person, wenigstens etwas Geborgenheit und Ruhe zu geben. Psychologen sind sich einig, dass es für ein Kind enorm wichtig ist, dass seine Bezugspersonen – meist die Eltern – ihre eigene Trauer zeigen und damit dem Kind signalisieren, dass es Gefühle und Tränen ungehindert zulassen darf. Kinder brauchen in ihrer Trauer das Gefühl, nicht allein gelassen zu werden.
Wer, wie, was – wieso, weshalb, warum?
Vor allem aber brauchen sie Erklärungen, ehrliche und umfassende Antworten auf ihre Fragen rund um den Todesfall. Erwachsene versuchen, das Kind mit vertröstenden Worten abzulenken. Kinder malen sich daher in ihrer Fantasie häufig „Ersatzerklärungen“ aus – z. B. „mein Bruder ist weg, weil ich nicht lieb zu ihm war“ – was langfristig zu unverarbeiteten Verlustgefühlen und verdrängter Trauer führen kann.
Experten raten, Kinder in alle Gefühle, Entscheidungen und Vorgänge, die den Verstorbenen betreffen, miteinzubeziehen, damit sie den Verlust wirklich verarbeiten können. Dazu gehört auch, dass die Kinder über ihre Empfindungen reden dürfen. Kleinen Kindern, die noch Schwierigkeiten haben, ihre Gefühle verbal auszudrücken, sollte die Gelegenheit gegeben werden, sich kreativ – malend oder durch Rollenspiele – die Last von der Seele zu „reden“.
Auf Wiedersehen!
Auch Kinder brauchen die Möglichkeit, sich von dem Verstorbenen zu verabschieden, um den Tod akzeptieren zu können. Vor allem ältere Kinder sollten – vorausgesetzt, sie möchten es – den Toten aufgebahrt sehen und an der Beerdigung und dem Friedhofsbesuch teilnehmen dürfen.
Werden sie von diesen Ritualen des Abschiednehmens ausgeschlossen, fühlen sie sich doppelt verletzt – durch den erlittenen Verlust und durch das Gefühl, von den Lebenden nicht in die Trauergemeinschaft einbezogen zu werden. Es ist jedoch sinnvoll, den Kindern die Abläufe einer Beerdigung zu erklären, damit sie verstehen können, was passiert. Kinder, die trauern, brauchen ein Erinnerungsstück an den Toten – sei es ein Taschentuch der Oma, das Kuscheltier des verstorbenen Bruders, einen Pullover der Mutter – das sie festhalten können, während sie langsam emotional loslassen. Und sie brauchen vor allem eins: eine enge Bezugsperson an ihrer Seite, die ihnen Halt und viel Liebe gibt!
Quelle: CMA/bearb. CE