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© DI Hartmut Schnedl

Wo dürfen Bäume wachsen?

Ein Artikel von DI Hartmut Schnedl | 02.12.2005 - 10:53

Wer ein Haus plant oder baut, muss eine ganze Reihe von Verordnungen und Gesetzen einhalten . Bei der Gestaltung von Gärten und Grünräumen ist man weniger eingeschränkt. Grundsätzlich kann ein Grundstück nach den Wünschen des Grundstücksinhabers bepflanzt werden. Dieses Recht gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Hier muss vor allem das Nachbarschaftsrecht in seiner neuen Fassung vom 1. Juli 2004 berücksichtigt werden.

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Wem gehört der Baum?Ein Baum ist Eigentum des Grundstücksbesitzers, auf dessen Grundstück der Stamm aus dem Boden herausragt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Baum ganz oder teilweise in ein anderes Grundstück hineinwurzelt. Steht der Baum an der Grenze zweier Grundstücke, so gehört er beiden Besitzer, und diese verfügen einvernehmlich über den Baum. Dies ist in § 421 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) geregelt.
Teile eines Baumes, die in das benachbarte Grundstück hineinreichen – also überhängende Äste oder auslaufende Wurzeln – durften bisher vom Besitzer des Grundstückes genutzt oder konnten auf eigene Kosten entfernt werden. Die Grundlage dafür bildete das Selbsthilferecht nach § 422 ABGB. Seit 2004 gilt eine Neuregelung. In ihr ist festgelegt, dass das Entfernen der Wurzeln und das Zurückschneiden der Äste fachgerecht und möglichst schonend zu erfolgen hat. Es dürfen nur jene Pflanzenteile entfernt werden, die weder die Statik des Baumes noch sein Überleben gefährden. Wenn nötig, ist dabei ein Fachmann zuzuziehen. Unsachgemäßes Hantieren an der Pflanze, die zum Absterben oder zum Umstürzen führt, wird rechtlich geahndet. Dem Besitzer des Baumes steht Schadenersatz für den Baum und für die Folgeschäden zu.
Die Kosten für die fachgerechte Entfernung der Wurzeln und das Abtragen der Äste hat der benachteiligte Grundeigentümer zu tragen. Wenn ihm durch eben jene Wurzeln oder Äste ein Schaden entstanden ist, oder wenn ein Schaden zu erwarten ist – weil z.B. die Wurzeln des Baumes ein Kanalrohr zu sprengen drohen – hat der Eigentümer des Baumes die Hälfte der notwendigen Kosten zu tragen.

Klettern verboten
Etwas anders verhält es sich bei Kletterpflanzen, die in den benachbarten Garten hineinwachsen. Nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofes OGH gelten Kletterpflanzen als Immissionen. Dem Betroffenen steht sowohl Beseitigungs- als auch Unterlassungsanspruch zu. Das heißt, er darf nicht nur die unerwünschten Pflanzenteile auf seinem Grundstück entfernen, er hat auch ein Recht darauf, dass sein Nachbar die Pflanze entfernt und zukünftig verhindert, dass sie in sein Eigentum eindringt. Im Wiederholungsfall sind auch Schadenersatzleistungen denkbar. Das neue Nachbarschaftsrecht hat an dieser Rechtsauffassung nichts geändert.

Recht auf Licht
Mit dem Zivilrechtsänderungsgesetz von 2004 wurde der Begriff der „negativen Immission“ ins Nachbarschaftsrecht eingeführt. Im Unterschied zu Immissionen wie Abwasser, Rauch oder Lärm, ist damit der Entzug von Licht und Luft gemeint. Nach der neuen Rechtslage kann sich ein Grundstückseigentümer gegen diese negativen Immissionen mit einer Unterlassungsklage zur Wehr setzen, wenn diese von Pflanzen und Bäumen verursacht worden sind. Das bedeutet, dass ein Baum, der das Nachbargrundstück in einem Ausmaß beschattet, das zu einer nicht ortsüblichen oder unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks führt, zurückzuschneiden oder zu entfernen ist. Wichtig sind die Ausdrücke „ortsüblich“ und „unzumutbar“. In Villenvierteln oder in Alleen geht man davon aus, dass ein großes Maß an Beschattung üblich ist. Anders bei Grundstücken von frei stehenden Neubausiedlungen. Nicht ortsüblich sind auch Pflanzungen, die nicht in die Umgebung passen. Im Kleingartengebiet, in einer waldreichen Gegend, in Fremdenverkehrs- und Industriezonen sind unterschiedliche Maßstäbe anzulegen. Bäume, die als Naturdenkmal gelten oder unter Naturschutz stehen, sind von den neuen Regelungen nicht betroffen.
Als Beispiel für unzumutbare Beeinträchtigung werden vom Gesetzgeber drei Fälle genannt:

  • Wenn große Teile des Nachbargrundstücks vermoosen oder versumpfen oder in anderer Weise unbrauchbar werden.
  • Wenn an hellen Sommertagen zu Mittag eine künstliche Beleuchtung im Nachbarhaus notwendig wird.
  • Wenn eine bereits bestehende Solaranlage durch den Schattenwurf unbrauchbar wird.

Bevor ein Nachbar Klage gegen den Entzug von Licht einbringt, hat er einen Antrag auf Vergleich zu stellen oder einen Mediator zu konsultieren. Ein Prozess kann frühestens stattfinden, wenn drei Monate ohne gütliche Einigung verstrichen sind, oder wenn vor Ablauf dieser Frist die Schlichtung aussichtslos erscheint.