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Die Frühlingsgeneration von Araschnia levana ist orange gefärbt © Wirestock Creators/Shutterstock.com

Insekt des Jahres 2023

Tagfalter mit Saisondimorphismus

Ein Artikel von Renate Stoiber (bearbeitet) | 13.12.2022 - 15:32

Das Landkärtchen (Araschnia levana) verdankt seinen Namen der relativ bunten und von zahlreichen Linien unterschiedlicher Dicke durchzogenen Flügelunterseite. An der Oberseite zeigt sich der saisonale Dimorphismus, denn während die Frühlingsgeneration eine orangefarbene Grundfärbung mit schwarzer Zeichnung besitzt, ist die Sommergeneration überwiegend schwarz mit einem gebogenen weißen Band auf Vorder- und Hinterflügel.

„Das Landkärtchen ist das 25. Insekt des Jahres‘! Zum dritten Mal zeichnen wir somit einen Tagfalter mit diesem Titel aus. Das Landkärtchen zeigt wunderbar, dass auch bei weit verbreiteten und vermeintlich gut bekannten Insekten noch viel Forschungsbedarf besteht. Wir wissen zwar, was die Ausbildung der unterschiedlichen Farbmuster steuert, nicht aber welchen Zweck diese wirklich haben“, so Prof. Dr. Thomas Schmitt, Vorsitzender des Kuratoriums und Direktor des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts in Müncheberg.

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Die Sommergeneration von Araschnia levana ist dunkel gefärbt mit auffallenden weißen Bändern © Agami Photo Agency/Shutterstock.com

Unterschiedliche Bedingungen – unterschiedliche Färbungen

In Laborexperimenten konnten Forscher zeigen, dass sich Raupen des Landkärtchens unter Langtagbedingungen (mehr als 15 bis 17 Stunden Licht) zur Sommergeneration entwickeln. Bei kürzerer Taglänge und dunkleren Bedingungen legen sie eine Pause ein und entwickeln sich nach dem Überwintern zu Faltern der Frühlingsgeneration. Bei Bedingungen, die sich zwischen den beiden Formen liegen, bilden die Falter ein Flügelmuster aus, das zwischen den beiden Generationen liegt. Verantwortlich dafür sind Hormone aus der Gruppe der Ecdysteroide und deren Wirkungszeitpunkt in der Puppe. Die Ausschüttung ist durch die Tagelänge kontrolliert, eine frühere Ausschüttung bedingt die Sommergeneration.

Auch in der Eiablage zeigt sich der ausgezeichnete Tagfalter speziell. Einerseits befestigt er seine Eier anders als andere in Europa vorkommende Tagfalter an Schnüren, die wie verkehrte Türme an der Unterseite von Brennnessel-Blättern hängen. Andererseits ist nicht jede Brennnessel für die Eiablage geeignet, denn diese brauchen eine hohe Luftfeuchtigkeit für eine erfolgreiche Entwicklung. Die genutzten Pflanzen sollten also an feuchteren Stellen wie z. B. Hochstaudenfluren in Bach- und Flusstälern wachsen.

Die Hitzesommer ließen die Population aufgrund dieser Ansprüche sinken, in gut strukturierten Landschaften mit Hecken, Gebüschen, blühenden Wiesen und naturnahen Wald- und Gewässerrändern können Araschnia levana aber noch häufiger sein. So ist das Insekt des Jahres 2023 ein Indikator für eine ökologisch intakte Kulturlandschaft wie sie leider immer seltener wird.


Quelle: Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung