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Pflanzenzüchtung als Antwort auf den Klimawandel

Ein Artikel von Renate Stoiber (bearbeitet) | 21.01.2021 - 10:00

Schon im Samenkorn ist das Wachstum von Pflanzen angelegt und damit auch der Ertrag bei der Ernte. Zumindest unter normalen Bedingungen sollte das so sein, die Landwirtschaft steht aber vor unterschiedlichen Herausforderungen: Der Klimawandel mit lang andauernden Hitzeperioden, die Stellung der Landwirtschaft in der Lebensmittelwertschöpfungskette und der Wunsch der Bevölkerung nach regionalen Lebensmitteln.

Dabei trägt die Saatgutwirtschaft eine besondere Verantwortung, denn sie ist es, die mit der ständigen Weiterentwicklung des Saatguts Richtung zukunftsfitten Sorten dann stabile Erträge und eine hohe Qualität der Produkte auch bei Wetterextremen hervorbringt. Wie man diese großen Aufgaben von Seiten der Zuchtorganisationen gerecht werden kann, darüber diskutierten Branchenexperten im Rahmen eines  Hagelversicherungs-Webinar.

Züchtung im Wettlauf mit dem Klimawandel

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Die Saatgutwirtschaft ist auf dem Weg zur Weiterentwicklung des Saatguts hin zu zukunftsfähigen Sorten auch bei Wetterextremen © Business stock/Shutterstock.com

Zum Thema Pflanzenzüchtung im europäischen Umfelt gab Dr. Michael Gohn, Geschäftsführer der Probstdorfer Saatzucht GmbH & Co KG, Saatgut Austria-Obmann und Vizepräsident der Europäischen Saatgutvereinigung (Euroseeds), einen Überblick über die rechtliche Lage in der EU. Es sind derzeit zwölf Richtlinien für verschiedene Kulturarten in Kraft – die meisten aus 1966 – sie werden durch das österreichische Saatgutgesetz 1997 umgesetzt. Eine Neufassung der Saatgutgesetzgebung lehnte das Europäische Parlament ab, durch die Einstufung der neu entwickelten Züchtungsmethoden als GMO (genetically modified organism) ergeben sich starke Einschränkungen in der Anwendung. Die Diskussion geht weiter.

Laut Univ.Prof. DI Dr. Hermann Bürstmayr, Leiter des Institutes für Pflanzenzüchtung und des Institutes für Biotechnologie in der Pflanzenproduktion an der Universität für Bodenkultur Wien, ist mit einer Abnahme der Produktivität der pflanzlichen Produktion in den großen Ackerbaugebieten Österreichs zu rechnen. Er bezog sich dabei auf Modellrechnungen von Haslmayr et al. 2018. Spezifische Herausforderungen sind Hitze- und Trockenheitseinwirkungen in der kritischen Wachstumsphase und Witterungsschwankungen sowie Änderungen bei Schädlingen und Krankheiten. Eine regional angepasste Züchtung mit Selektion in „real time“ ist wichtig, kann aber keine Wunder vollbringen, die Erträgen werden trotz angepasster Arten insgesamt sinken.

Zur Risikobewertung bei der Sortenzulassung äußerte sich DI Klemens Mechtler, Leiter der Abteilung für Nachhaltigen Ackerbau der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Sortenkandidaten werden in mehrortigen und mehrjährigen Versuchen im Vergleich mit aktuellen Sorten beurteilt. Thema sind Anbau-, Krankheits- und Qualitätseigenschaften, regionale Unterschiede in der Sortenreaktion werden berücksichtigt. Im Rahmen des Klimawandel sind besonders folgende Eigenschaften besonders wichtig: rasches Jugendwachstum, Frühreife, Widerstandskraft gegenüber Lagerung, Krankheiten und wärmeliebenden Schaderregern, Toleranz gegenüber Wassermangel und Hitzestress und Abreifverhalten.

Züchtungsziele – Risiken und Potenzial

Als Ursachen für neue Trends und auch Innovationen in der Pflanzenzüchtung sieht DI Dr. Johann Blaimauer, Bereichsleiter für Saatgut und Holz der Raiffeisen Ware Austria (RWA), neben den sich verändernden klimatischen Rahmenbedingungen, die eine Anpassung in der Genetik bedingen, auch veränderte Ernährungsgewohnheiten, veränderte Produktionstechnologien und Veränderungen in den Konsumtrends sowie neue Züchtungstechnologien. So komme es zu einer Zunahme von Winterformen und einem Trend in Richtung wertvolle Körnerfrüchte in der Ernährungsphysiologie. Ein Augenmerk liegt auch auf der Weiterentwicklung von Nischenkulturen wie Amaranth, Kichererbse und Linse.

Risiken und Potenzial von Genome Editing bei Nutzpflanzen stellte Dr. Andreas Heissenberger, MA, Leiter der Abteilung Landnutzung & Biologische Sicherheit im Umweltbundesamt Wien, in den Fokus seiner Ausführungen. Es geht hier um zielgerichtete Veränderungen des Genoms von Organismen, darunter auch Nutzpflanzen. Sie können bei vielen Pflanzenarten relativ einfach angewendete werden, so können schnell unterschiedlichste Produkte entstehen bzw können durch komplexe Veränderungen im Erbgut Krankheitsresistenz und Stresstoleranz erhöht werden. Derzeit gibt es in der EU noch keine Zulassung solcher Nutzpflanzen, eine fundierte Risikoabschätzung der Umweltrisiken, z. B. zum Auswilderungspotenzial ist notwendig.

Das Webinar zum Nachhören.


Quelle: ÖHV