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Auf dem Weg zum Doppelschirm

Ein Artikel von Peter Springer | 25.09.2012 - 11:38
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Der Zwang zur Einsparung von Energie in der Zierpflanzenproduktion ist inzwischen allgegenwärtig. Kein Betrieb kann es sich bei den derzeit hohen Kosten und geringen Erlösen heute noch leisten, Energie zu verschleudern. Im Rahmen der Einsparmöglichkeiten offenbaren sich derzeit einige Trends. Diese betreffen weniger die Wahl der Energieträger, als mehr die Möglichkeiten zur Wärmedämmung. Energieschirme nehmen dabei eine besondere Stellung ein, denn mit ihnen lässt sich der Energieverbrauch eines Gewächshauses erheblich senken. Untersuchungen diverser Forschungseinrichtungen haben festgestellt, dass die Potenziale in diesem Sektor noch lange nicht ausgeschöpft sind.

Gewebe werden immer professioneller
Klimaschirme sind derzeit am besten geeignet, um auch durch eine Nachrüstung erheblich an Energie einzusparen. Dabei werden die Gewebe immer professioneller und erfüllen noch weitere Aufgaben. So wie bei den "Revolux"-Geweben von Ludvig Svensson, die nicht nur Schattieren und Isolieren, sondern darüber hinaus den Anteil an diffusem Licht im Haus erhöhen. Die Produktreihe der XLS Harmony Revolux ist aus diesem Grund mit weißen Kunststoffbändern, statt üblicherweise mit Aluminiumbändern ausgestattet. Die Energieeinsparung wird bei allen Geweben mit rund 47 % angegeben. Um reine Energieschirme, die auch tagsüber geschlossen bleiben können (so genannte Tagschirme), handelt es sich bei den Produkten XLS 10 Revolux und XLS 10 Ultra Revolux. Die Gewebe sind hoch lichtdurchlässig (87 bzw. 85 %). XLS 10 Ultra Revolux sorgt darüber hinaus durch seine matte Ausführung für einen erhöhten Anteil an diffuser Strahlung. Versuche am deutschen Gartenbauzentrum in Straelen haben gezeigt, dass damit in einlagigen Systemen Energie-Einsparungen von 34 % (Nachtanteil 25 %, Taganteil 9 %) und in Doppelschirmanlagen in Kombination mit einem normalen Energieschirm sogar 54 % möglich sind.

Tagschirm spart zusätzlich Energie
Tagschirme bieten eine interessante Möglichkeit, Energie individuell, d.h. je nach Lichtangebot und Bedarf der Kulturen einzusparen. Was aber macht den Vorteil eines solchen Tagschirmes aus? Ein normaler einlagiger Energieschirm mit einem modernen Gewebe (Schattierwert 60 %) spart etwa 32 % an Energie ein. Der Nachteil: er kann nur nachts wirken, um den Kulturen tagsüber kein Licht zu nehmen. Ein Tagschirm hingegen, der nur etwa 10–15 % des Lichtangebotes reduziert, lässt sich abends früher schließen und morgens später öffnen. Im Gegensatz zum normalen Schirm werden damit Zeiten abgedeckt, in denen schon oder noch geheizt werden muss, aber auch Licht zur Verfügung steht. Darüber hinaus trägt das Gewebe natürlich auch nachts zur Energieeinsparung bei. Je nach Kultur und Einstrahlung kann ein solcher Tagschirm sogar den ganzen Tag geschlossen bleiben. An kalten und sonnigen Tagen im Winterhalbjahr ist dies der Fall, was dann erheblich an Energie einspart. Die Regelstrategien der computergesteuerten Temperatur- und Kulturführung lassen dabei verschiedenste Optionen zu. Temperatur- und Lichtsummenstrategien helfen darüber hinaus, die natürliche Einstrahlung je nach Bedürfnissen der Kulturen auszunutzen. Entsprechende Versuche am Gartenbauzentrum in Straelen ergaben allein durch einen Tagschirm (als einlagiges System) ein Einsparpotenzial von rund 34%, wobei 25% auf den Nachtanteil und 9% auf den Taganteil zurückzuführen sind. In Doppelschirmanlagen kombiniert mit einem normalen Energieschirm lässt sich der Energieverlust sogar um 54% reduzieren.
Ein Tagschirm bringt aber noch weitere Vorteile. Die darin verwendeten Gewebe bestehen aus verwebten Kunststoffbändern, die nicht nur hoch lichtdurchlässig sind, sondern auch in einer speziellen matten Ausführung für einen erhöhten Anteil an diffuser Strahlung im Gewächshaus sorgen. Daraus resultieren nicht nur eine spätere Schattierung und somit ein höherer Lichtgewinn, sondern auch geringere Extreme im Bereich der Blatt-Temperatur mit positiven Auswirkungen auf die gesamte Kulturführung. In Doppelschirmanlagen sorgt der Tagschirm darüber hinaus für Vorteile besonders in den Morgenstunden, wenn sich der zweite transparente Schirm deutlich später öffnet. Der sorgt dafür, dass sich die über dem Schirm befindliche kalte Luft durch die Sonneneinstrahlung aufheizt. So wird das plötzliche Einströmen kalter Luft in den Pflanzenbestand vermieden, was üblicherweise nur durch einen erhöhten Energiebedarf zu kompensieren ist und Stress für die Pflanzen bedeutet.

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Gegenläufige Installation von Vorteil
Bei der Installation einer doppelten Energieschirmanlage wird von Experten zu einer gegenläufigen Ausführung geraten; das setzt allerdings ein entsprechend hohes Gewächshaus voraus mit Stehwänden von über 3,50m. Nur hier wirkt sich eine gegebenenfalls negative Beeinflussung auf das Gewächshausklima durch die Schirminstallation (verminderter Luftaustausch vor allem im Sommer) nicht gravierend auf den Pflanzenbestand aus. Uneinheitlich wird in dem Zusammenhang die Auswirkung der sogenannten Lichtstreifen diskutiert. Sie entstehen dann, wenn Schirmanlagen wegen des notwendigen Luftwechsels über die Lüftungsklappen nicht ganz geschlossen werden können. Probleme wie Trockenstellen und uneinheitliche Klimabedingungen im Pflanzenbestand aufgrund der unterschiedlichen Luftbewegungen entstehen vor allem dann, wenn das Haus in Nord-Süd-Richtung steht und die Lichtstreifen aus diesem Grund lange an einer Stelle stehen bleiben. Gewächshäuser in Ost-West-Aufstellung zeigen das Phänomen in dieser Intensität nicht. Hier wandert der Streifen mit der Sonne mit und sorgt für eine homogeneres Klima. Generell ist im Sinne einer optimalen Energieeinsparung wichtig, die Schirme fachgerecht zu installieren. Es nützt wenig, wenn die Gewebe nicht dicht am Glas oder an den Bindern anschließen. Lücken im System führen zu einer Kaminwirkung und lassen teure Energie entweichen. Wichtig sind bei den Abdichtungen auch Kantenschutzprofile, um die Gewebebahnen von Beschädigungen zu schützen.

Eine Aufhängung – zwei Gewebe

Ebenfalls in Straelen wird derzeit das neueste Produkt der deutschen Firma Reimann (Emsdetten) getestet. Dabei handelt es sich um ein Doppeltuch, also um einen Energieschirm mit zwei Lagen. Der große Vorteil dieses Produktes mit der Bezeichnung "PyroSilver Ultra Plus" ist die einfache Installation auch in bestehende Anlagen, denn es wird nur eine Aufhängung benötigt. Gegenüber einem einzelnen Energieschirm ist die Isolierwirkung aber gut doppelt so hoch. Von Nachteil ist, dass sich beide Gewebe nicht individuell steuern lassen. In neuen Gewächshäusern ist aus diesem Grund eine Doppelschirmanlage besser geeignet. Erste Ergebnisse haben in Straelen mit dem Doppeltuch eine Energieeinsparung von rund 48% erbracht. "PyroSilver Ultra Plus" besteht aus einem oberen Schattiergewebe mit eingewebten Aluminiumbändchen und einem unteren Tagschirmgewebe aus Garnen und transparenten Kunststoffstreifen. Beide Gewebe sind in Abständen von 20 cm miteinander verbunden. Dadurch hängt das untere Gewebe leicht durch und erzeugt ein Luftpolster, welches letztendlich für die zusätzliche Isolierung sorgt. Gleichzeitig ist der Bereich dadurch verstärkt und dient als Befestigungsort für die Aufhängungshaken. Der Hersteller spricht von einer zusätzlichen Energieeinsparung gegenüber einlagigen Schirmen von etwa 16 bis 19%. "PyroSilver Ultra Plus" steht derzeit in Weiß mit einem Schattierwert von 55 bis 60 % und in Grau mit einem Schattierwert von 65 bis 70% zur Verfügung. Die Standardbreite beträgt 350 cm.

Um ein Doppelgewebe handelt es sich auch bei der jüngsten Entwicklung "SHS Shade Therm Antifire B1" von Novavert (D-Greven). Es besitzt eine energiesparende Hohlkammerkonstruktion, in die bereits Verstärkungsbänder miteingearbeitet sind. Dadurch ergeben sich eine recht günstige Konfektion und die einfache Anpassung in bestehende Gewächshausanlagen. Das Doppeltuch besitzt im oberen Bereich ein Gewebe aus grauen und transparenten Kunststoffbändern und im unteren Bereich ein Gewebe nur aus transparenten Kunststoffbändern. Der Schattierwert wird mit etwa 65 % angegeben. Die reißfesten phosphor- und halogenfreien Bändchen reduzieren die Aufnahme von Feuchtigkeit und werden vor der Verwendung thermobehandelt. Dadurch weist das Gewebe eine nur sehr geringe Restschrumpfung auf. Darüber hinaus besitzt das Material keine abwaschbare Imprägnierung, was das Risiko von Pflanzenschäden minimiert. Bei einer Verwendung im Gewächshaus vorausgesetzt, garantiert der Hersteller eine UV-Beständigkeit von mindestens 6 Jahren. Auch Novavert betont, dass Hohlkammerschirme für die Nachrüstung bestehender Anlagen vorgesehen sind, bei denen eine moderne Doppelschirm-Anlage nicht möglich oder zu aufwendig und damit zu teuer wäre. Wenn immer es machbar ist, und vor allem in neuen Gewächshäusern, ist der Einbau einer doppelten Energieschirm-Anlage vorzuziehen. Denn neben dem etwas geringeren Isolierwert besitzt das Doppeltuch gegenüber einer Doppelschirmanlage den Nachteil einer weitaus geringeren Flexibilität. Doppelschirmanlagen bestehen in der Regel aus einem normalen Energieschirm mit einem hohen Isolierwert und einem transparenten Tagschirm mit einem geringeren Isolierwert, dafür aber einer hohen Lichtdurchlässigkeit. Voraussetzung sind allerdings zwei Installationssysteme, mit denen sich die beiden Schirme unabhängig voneinander bewegen lassen. Dafür ergeben sich daraus aber eine Fülle von Variationen, die Einsparpotenziale in sich bergen wie beispielsweise die Kombination in Abhängigkeit von den Witterungsbedingungen, dem Lichtangebot, der Klimaführung im Haus und dem Status bzw. den Bedürfnissen der jeweiligen Kultur. Ein weiterer Nachteil der Doppelgewebe besteht in ihrer Art der Installation. Diese erfolgt hängend und verursacht dadurch relativ große Schirmpakete, was zur Lichtminderung im Haus führt. Moderne Energieschirmanlagen hingegen werden heute als aufliegende Varianten mit Schubstangen installiert. Das sorgt für kleinere Schirmpakete und somit für bessere Werte in der Lichtdurchlässigkeit.

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Neue Schirmaufhängung
Novavert hat sich in der Vergangenheit darüber hinaus über die Aufhängung von Energieschirmen Gedanken gemacht und kürzlich mit HS² (Heescher Shading Hanging System) ein neues Befestigungssystem vorgestellt. Kernstück dieses Systems ist ein spezieller Kunststoffgleiter, der am Spanndraht entlangläuft. Anders als bei den üblichen Befestigungen mittels Haken, hält der Gleiter nicht das Gewebe direkt, sondern zunächst eine Aluminium-Profilschiene, in die dann das Gewebe über eine Kederschnur eingezogen wird. Die Befestigung besitzt relativ große Toleranzen, ist somit frei beweglich und hat ausreichend Spiel, um Spannungen im System abfangen zu können (z.B. durch thermisch bedingte Längenveränderungen an Geweben und Spanndrähten). Das verhindert Undichtigkeiten oder schwer laufende Anlagen, was wiederum deren Haltbarkeit erhöht. Gegenüber der üblichen Haken-Befestigung, bei der sich nur mit erhöhtem Aufwand und Unterbrechungen mehrere verschiedene Gewebebahnen auf einer Fläche nebeneinander aufhängen lassen, ist mit dem HS²-System alles möglich. Je nach Bedarf lassen sich die unterschiedlichsten Gewebe miteinander kombinieren, indem die einzelnen Bahnen einfach mit den Profilschienen verbunden werden. So kann beispielsweise auf die Ansprüche unterschiedlicher Kulturen oder Variationen im Lichtangebot in Verkaufanlagen eingegangen werden. Bereiche über empfindliche Kunststoffteile lassen sich mit UV-blockierenden Geweben ausstatten, während andere UV-Licht für die Kulturen durchlassen. Möglich sind auch Kombinationen in den Hausfarben einer Verkaufsanlage oder Werbedrucke. Und schließlich lassen sich mit dem System breitere Bahnen zusammensetzen, was die Gewächshauskonstrukteure nicht mehr auf den derzeit herrschenden Binderabstand von 3,60 m festlegt, um die Standardbreiten der Energieschirme einbauen zu können. Bei Beschädigungen des Gewebes braucht darüber hinaus nur die einzelne Bahn und nicht der gesamte Schirm ausgetauscht zu werden. Die Profile für den Einsatz im Haus besitzen Standardlängen von 3,20 und 6,40 m. Mit Verbindungsstücken lassen sie sich an die Gewächshausbreite anpassen. Für den Außenbereich gibt es Profile aus Aluminium mit einer Länge von 9,60 m.

Effektive Außenschattierungen
Interessant ist eine Entwicklung im Bereich der Schattierungen, die zu Außenanlagen tendiert. Im Prinzip ist eine bewegliche Außenschattierung klimatisch die beste Lösung, wenn ein Gewächshaus vor Überhitzung geschützt werden soll. Die Gewebe einer solchen Schattieranlage wären allerdings immer der Witterung und vollen Sonnenstrahlung ausgesetzt und aufgrund ihrer Konstruktion recht teuer. Daher haben sich im Gartenbau die Innenschattiersysteme durchgesetzt. Außenschattierungen besitzen aber auch Vorteile. So ist der innere Dachbereich völlig frei von Konstruktionsteilen, was eine einfachere Montage diverser Inneneinrichtungen zulässt (Bewässerung, Halte- und Transportsysteme, Kabelschächte, Heizung, Lüftung). Zudem ist der Schutz vor Hitze effektiver, wenn die Sonnenstrahlung bereits über dem Glas abgefangen wird. Bei einer Innenschattierung wandelt sich ein Teil des Lichtes nach dem Glasdurchgang in Wärme um und staut sich dann im Giebelbereich. Das niederländische Unternehmen Leen Huisman zählt zu jenen Spezialisten, die sich auch auf Systeme zur Außenschattierung konzentrieren. Mit "GreenTop" ist nun eine Variante entwickelt worden, die anders als bei den üblichen Systemen nicht in den Rinnen einer Gewächshausanlage befestigt wird. "GreenTop" ruht mit einem bockförmigen Rohrgestänge auf dem First. Von Vorteil ist, dass dadurch die Rinne und die beiden angrenzenden Dachflächen beispielsweise für Reinigungsgeräte und Servicewagen besser zugänglich bleiben. Leen Huisman geht sogar noch einen Schritt weiter. Da es sich bei der Schirmanlage trotz bester Technik nicht vermeiden lässt, dass durch die Gewebepakete im Gewächshaus Schattenwurf und damit eine Lichtminderung entsteht, gibt es das System mit einer integrierten Solarzelle. Die Photovoltaik deckt das gesamte Schirmpaket ab, schützt damit noch zusätzlich das Gewebe vor Witterungseinflüssen und produziert Strom als Ausgleich für die Lichtminderung. Die erste Anlage dieser Art ist auf dem neuen Gewächshauskomplex des niederländischen Orchideenbetriebes Ter Laak in Wateringen installiert worden.