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Pflanzenschutzmittelrecht

Ein Artikel von DI Dr. Matthias Lentsch | 30.08.2010 - 15:44

EU-Pflanzenschutzmittelverordnung
Die neue EU-Pflanzenschutzmittelverordnung soll speziell die Bereiche der Inverkehrbringung und der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln (PSM), die EU-Wirkstoffprüfung sowie auch die Kontrolle der Inverkehrbringung von PSM neu regeln. Die wichtigsten Elemente werden nachstehend aufgeführt.

Einführung eines Zonensystems:
Ab Mitte 2011 gibt es in der EU drei Zonen mit jeweils ähnlichen Bedingungen in Bezug auf Landwirtschaft, Pflanzenschutz und Umwelt (einschließlich Klima), wobei jeder Mitgliedstaat einer Zone zugeordnet ist (siehe Grafik). Zwischen Mitgliedstaaten einer Zone ist eine verpflichtende gegenseitige Anerkennung der Pflanzenschutzmittelzulassung vorgegeben. Da die Kompetenz für die Zulassung des PSM (der behördliche Akt) weiterhin im Kompetenzbereich der einzelnen Mitgliedstaaten verbleibt ist damit nicht eine automatische Zulassung für eine ganze Zone zu verstehen (Zonensystem Zonenzulassung). Trotzdem wird damit ein weiterer großer Harmonisierungsschritt auf EU-Ebene erreicht. Für die österreichische Landwirtschaft besteht mit dem vorgesehenen Zonensystem ein erleichterter Zugang zu zugelassenen PSM anderer Mitgliedstaaten innerhalb der mittleren Zone (z.B. Ungarn, Tschechien, Slowakei, Polen usw.). Überdies wird damit auch Preisdifferenzierungen zwischen den Mitgliedstaaten entgegen gewirkt.

„Substitutionskandidaten“ und „Vergleichende Bewertung“:
Bestimmte Wirkstoffe, die deutlich höhere Risiken für Verbraucher, Landwirt oder die Umwelt aufweisen als andere bereits genehmigte Wirkstoffe, werden in Zukunft als „Substitutionskandidaten“ („zu ersetzende Stoffe“) identifiziert. Bei der nationalen Zulassung von PSM, die derartige Wirkstoffe enthalten, muss die Behörde eine „vergleichende Bewertung“ der Risiken und Nutzen des PSM im Verhältnis mit einem für den Einsatzzweck bereits zugelassenen PSM oder einer nichtchemischen Bekämpfungsmethode durchzuführen. Dabei ist das Entstehen von Resistenzerscheinungen zu vermeiden, das zu substituierende PSM muss ein deutlich höheres Risiko für Gesundheit und Umwelt darstellen und es muss die Möglichkeit eingeräumt werden, Erfahrungen bei der praktischen Verwendung des Wirkstoffes zu sammeln.

Aufzeichnungs- sowie Informationspflichten:
Landwirte müssen detaillierte Aufzeichnungen über die PSM führen, welche sie verwenden und diese Aufzeichnungen mindestens drei Jahre aufbewahren sowie den zuständigen Behörden auf Anfrage zur Verfügung stellen. Dritte wie beispielsweise die Trinkwasserwirtschaft können bei der zuständigen Behörde um Zugang zu diesen Informationen ersuchen. Die grundsätzliche Möglichkeit für Dritte, Zugang zu Informationen über den Einsatz von PSM von Landwirten über die Behörde einzufordern, muss jedoch sehr hinterfragt werden und es ist zu hoffen, dass dies in Zukunft nicht Auslöser nachbarschaftlicher Probleme sein wird.

Einführung von Ausschlusskriterien („Cut-off-Kriterien“):
Die Bewertung der Wirkstoffe erfolgt grundsätzlich unter Anwendung harmonisierte Kriterien auf Basis einer Risikobewertung. Für einige als besonders negativ eingestuften Eigenschaften (mutagen, krebserzeugend, reproduktionstoxisch, bestimmte negative Umwelteigenschaften sowie den Hormonhaushalt schädigende Eigenschaften) wurden jedoch überwiegend „gefahrenbedingte“ Ausschlusskriterien festgelegt, die nur die konkreten Stoffeigenschaften aber nicht das tatsächliche konkrete Risiko bei der praktischen Anwendung für Mensch, Tier oder die Umwelt berücksichtigen. Diese Ausschlusskriterien werden jedoch erst wirksam, wenn die entsprechenden Wirkstoffe erneut zur Überprüfung anstehen, was in Einzelfällen noch etliche Jahre dauern kann. Darüber hinaus kann es auch Ausnahmefälle geben, wo der Wirkstoff mangels Alternativen noch zusätzlich maximal 5 Jahre am Markt bleiben darf. In diesem Zusammenhang muss jedoch auch darauf hingewiesen werden, dass eine drastische Reduktion der Anzahl der in PSM einsetzbaren Wirkstoffe auf EU-Ebene bereits auf Grund der Anwendung der derzeitig gültigen Richtlinie 91/414/EWG passierte. Im Zuge der EU-Altwirkstoffprüfung, die im Jahr 2003 begann und im März 2009 abgeschlossen wurde, mussten letztendlich ca. 75% der ursprünglich etwa 1000 Altwirkstoffe vom Markt genommen werden. Nur mehr ca. 250 Altwirkstoffe können weiter in Pflanzenschutzmitteln eingesetzt werden. Insbesondere für viele Kleinkulturen wie beispielsweise im Gemüsebau stehen daher bereits derzeit nicht ausreichend geeignete PSM zur Verfügung. Ein sinnvolles Resistenzmanagement ist in vielen Bereichen nicht mehr möglich.

„Wirkstoffe und PSM mit geringerem Risiko“:

Für Wirkstoffe, die voraussichtlich nur ein geringes Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt darstellen, sieht die Verordnung eine Genehmigung bis zu 15 Jahren vor. Auch die Datenanforderungen für PSM, welche diese Wirkstoffe enthalten sind geringer als im Normalfall um eine leichtere Zulassung dieser Produkte zu ermöglichen. Bei Vorliegen der erforderlichen Daten ist über eine Zulassung von „PSM mit geringem Risiko“ binnen 4 Monaten zu entscheiden. Eine derartige Regelung wurde von Österreich immer gefordert. Vor allem dem Biologischen Landbau könnte damit sehr viel geholfen werden, da davon auszugehen ist, dass etliche Stoffe bzw. Pflanzenschutzmittel wie z.B. Pflanzenextrakte oder bestimmte Pflanzenstärkungsmittel darunter fallen können.

Maßnahmen im Problembereich „Lückenindikationen“:
Die Möglichkeit einer Indikationserweiterung für geringfügige Verwendungen bei bereits bestehenden Grundzulassungen hat sich auch in der Vergangenheit bewährt und wird in ähnlicher Form weitergeführt. Insbesondere zur Lösung der dringenden Pflanzenschutzprobleme im Gemüsebau oder Zierpflanzenbau wurde im Zuge der Verhandlungen auf EU-Ebene auch immer wieder ein „Europäischer Fonds zur Schließung von Lückenindikationen“ gefordert, wobei sich die Europäische Kommission aus budgetären Gründen dagegen aussprach. Trotzdem muss nunmehr jedenfalls die Europäische Kommission bis November 2011 einen Bericht über die Einführung eines Fonds erstatten und gegebenenfalls auch einen diesbezüglichen Rechtsvorschlag unterbreiten.

Regelung des Parallelhandels:
Auf Druck fast aller Mitgliedstaaten wurden nunmehr sehr spezifische Regelungen für ein vereinfachtes Verfahren zum Parallelhandel festgelegt und die Frage der Identität ausreichend geklärt. Damit sollen in Zukunft gewährleistet werden, dass die derzeit sehr unterschiedlichen Vorgangsweisen und Auslegungen in den einzelnen Mitgliedstaaten, die zu vielen Problemen, nationalen Gerichtsverfahren sowie Vertragsverletzungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) führten, durch eine einzige Regelung auf EU-Ebene ersetzt werden, die auch alle bisherigen Urteile des EuGH in diesem Bereich berücksichtigt und damit eine Einheitlichkeit und Transparenz in der Anwendung sicherstellt.

Die neue EU-Pflanzenschutzmittelverordnung trat am 14. Dezember 2009 in Kraft, ist aber erst ab dem 14. Juli 2011 anzuwenden. Durch die Erlassung in Form einer EU-Verordnung bedarf es keiner weiteren Umsetzung in die nationale Gesetzgebung („beschränktes Umsetzungsverbot“) sondern die EU-Pflanzenschutzmittelverordnung ist direkt anzuwenden. Dadurch werden große Teile des derzeitigen Pflanzenschutzmittelgesetzes 1997, insbesondere auch die einzelnen Zulassungsverfahren derogiert und obsolet. In einem geplanten neuen, rudimentären Pflanzenschutzmittelgesetz werden nur mehr jene Bereiche national zu regeln sein, welche nicht bereits durch die EU-Pflanzenschutzmittelverordnung geregelt sind (z.B. Behördenstruktur, Straf- und Kontrollbestimmungen, zusätzliche Begriffsbestimmungen, Aus- und Weiterbildung für Vermarkter und Verkaufsberater, Übergangsbestimmungen). Die bisherigen „Ex-lege-Zulassungen“ aus Deutschland oder den Niederlanden werden durch die Zulassungsvorschriften der EU-Pflanzenschutzmittelverordnung ersetzt und laufen demnach (mit einer Übergangsfrist) aus.

Rahmenrichtlinie Pestizide
Die neue Rahmenrichtlinie Pestizide soll speziell den Bereich der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln einheitlich regeln und die neue EU-Pflanzenschutzmittelverordnung ergänzen. Die Mitgliedstaaten müssen neben der rechtlichen Umsetzung dieser Rahmenrichtlinie in die nationale Gesetzgebung auch „Nationale Aktionspläne“ mit konkreten Zielvorgaben zur Verringerung der Mengen, der Risiken und der Abhängigkeit von Pflanzenschutzmitteln unter Beteiligung der Öffentlichkeit ausarbeiten und erlassen. Die dabei zu treffenden Maßnahmen sind aus der nachstehenden Tabelle ersichtlich. Nachstehend werden die wichtigsten Maßnahmen näher erläutert.

Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, Information und Sensibilisierung:

Jeder Mitgliedstaat muss verpflichtende Aus- und Fortbildungsmaßnahmen zum Erwerb ausreichender Kenntnisse über die im Anhang I der Rahmenrichtlinie aufgeführten Pflanzenschutzthemen einführen. Diese Mindestqualifikationserfordernisse gelten sowohl für Landwirte als auch Vertreiber und Berater. Darüber hinaus ist bis vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Rahmenrichtlinie eine Bescheinigungsregelung zum Nachweis der Teilnahme an den Aus- und Fortbildungsveranstaltungen einzuführen. Zum Großteil werden diese Aus- und Fortbildungsmaßnahmen in Österreich bereits erfolgreich umgesetzt. Die Umsetzung der notwendigen Bescheinigungsregelung bleibt im Detail dem Mitgliedstaat überlassen. Da es in Zukunft beim Erwerb von Pflanzenschutzmitteln auch weitgehende Beschränkungen in der Produktpalette für nicht professionelle Verwender („Haus- oder Hobbygärtner“) geben wird (z.B. Beschränkungen auf Fertigpackungen oder geringe Verpackungsgrößen), diese aber dafür keinen Aus- und Weiterbildungserfordernissen unterliegen, wird zur Unterscheidung der Landwirte von den nicht professionellen Verwendern ein Ausweissystem für den Erwerb von Pflanzenschutzmitteln wahrscheinlich zielführend sein. Zur Information der Öffentlichkeit über Gesundheits- und Umweltauswirkungen von Pflanzenschutzmitteln sowie über nicht-chemische Alternativen sind Informations- und Sensibilisierungsprogramme einzuführen und zu fördern.

Wiederkehrende Prüfung von in Verwendung stehenden Pflanzenschutzgeräten:
Um negative Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf die menschliche Gesundheit (insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Anwenderexposition) und auf die Umwelt während der Ausbringung zu verringern wird eine regelmäßige Kontrolle der Ausbringungsgeräte für Pflanzenschutzmittel mit einem verpflichtenden Kontrollsystem eingeführt. Der Abstand zwischen den Kontrollen darf bis zum Jahr 2020 fünf Jahre und danach drei Jahre nicht überschreiten. Die amtlichen Kontrollstellen sind zu benennen. Binnen 7 Jahren nach dem Inkrafttreten der Rahmenrichtlinie müssen alle Pflanzenschutzgeräte mindestens einmal geprüft worden sein. Die Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltanforderungen für die wiederkehrende Prüfung sind im Anhang II der Rahmenrichtlinie festgelegt. Im Rahmen des ÖPUL ist die Pflanzenschutzgeräteprüfung förderungsrelevanter Bestandteil etlicher Maßnahmen (z.B. Integrierte Produktion), jedoch wurde der Abstand zwischen den Kontrollen mit maximal drei Jahren festgelegt und rechtfertigt daher eine entsprechende Leistungsabgeltung durch eine höherwertige Umweltleistung.

Maßnahmen zum Schutz der aquatischen Umwelt sowie von sensiblen Gebieten:

Als Maßnahmen werden beispielsweise die bevorzugte Verwendung von für die aquatische Umwelt nicht gefährlichen Pflanzenschutzmitteln, der effizientesten Ausbringungstechniken (mit geringer Abtrift) bzw. abtriftmindernde Maßnahmen in Raumkulturen vorgegeben. In Österreich wurden „Abtriftmindernde Maßnahmen“ bereits seit etlichen Jahren im Erlasswege eingeführt. Eine weitere Teilmaßnahme der Rahmenrichtlinie stellt die Verringerung oder gänzliche Einstellung der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln auf oder entlang von Straßen, Bahnlinien, sehr durchlässigen oder versiegelten Flächen oder in der Nähe von Oberflächengewässern oder Grundwasser dar. In bestimmten sensiblen Gebieten (z.B. Parks, öffentliche Gärten, Sportplätze, Schulgelände, Spielplätze) ist die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln zu minimieren bis gänzlich zu verbieten.

Integrierter Pflanzenschutz (IPS):

Die Anwendung der im Anhang III der Rahmenrichtlinie aufgeführten „Allgemeinen Grundsätze des Integrierten Pflanzenschutzes“ durch die Landwirte muss bis spätestens ab 2014 sichergestellt sein. Darüber hinaus sind die Landwirte zur freiwilligen Umsetzung von „Kultur- oder sektorspezifischen Leitlinien des Integrierten Pflanzenschutzes“ zu veranlassen. Diese Kultur- oder sektorspezifischen Leitlinien würden hinsichtlich des Pflanzenschutzes in etwa den derzeitigen IP-Maßnahmen im ÖPUL entsprechen. Die rechtliche Verpflichtung zur Schaffung von derartigen Anreizsystemen wirkt daher für das ÖPUL zusätzlich unterstützend.

Die neue Rahmenrichtlinie Pestizide trat am 25. November 2009 in Kraft ist binnen zwei Jahren in österreichisches Recht umzusetzen (bis November 2011). Bei der Umsetzung der Rahmenrichtlinie Pestizide in Österreich obliegt dem Bund nur die Grundsatzgesetzgebung. Die Ausführungsgesetzgebung und die Vollziehung hinsichtlich der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln liegen im Kompetenzbereich der Länder. Zur rechtlichen Umsetzung der Rahmenrichtlinie Pestizide in Österreich sowie zur Erstellung des ersten Nationalen Aktionsplanes wurde seitens des Lebensministeriums bereits das Projekt „UNAPP“ (Umsetzung und Nationaler Aktionsplan Pflanzenschutzmittel) gestartet. Informieren Sie sich aktuell über den Stand und die Inhalte des Projektes unter dem folgendem Link: HYPERLINK "http://unapp.lebensministerium" http://unapp.lebensministerium.at