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Keine Folie über der anderen

Ein Artikel von Ralf Ludewig | 24.03.2010 - 14:45
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Noch vor nicht allzu langer Zeit lag die Kernkompetenz deutscher Gewächshausbaufirmen beim Bau von soliden Produktionsgewächshäusern der Breitschiffklasse. Erst der Siegeszug der kos­­tengünstigeren Venlo-Typen aus holländischer oder belgischer Produktion störte diesen Frieden nachhaltig. Auch deutsche Produzenten nahmen nun den neuen Gewächshaustyp in ihr Programm auf. Doch mit den niedrigen Preisen der Konkurrenz konnte man nur schwerlich mithalten.
Aber das war nicht wirklich schlimm, denn zwischenzeitlich hatte sich ein ganz neues Geschäftsfeld aufgetan: die Verkaufsanlagen und Gartencenter. Der Boom in diesem Bereich bescherte der Gewächshausindustrie eine Reihe fetter Jahre, in denen man ganz und gar nicht traurig war, den Bau von Produktionsanlagen der ausländischen Konkurrenz zu überlassen.

Nun aber ist dieser Boom vorbei. Hinzu kam noch die allgemein ungünstige Wirtschaftsentwicklung. Die hochgradige Spezialisierung der Firmen hatte zudem dazu geführt, dass andere Geschäftsfelder kaum noch bedient wurden. Den Markt der Produktionshäuser hatte man schon lange verloren. Die Folge waren zahlreiche Insolvenzen und Betriebsaufgaben. Die Anzahl deutscher Gewächshausbaufirmen ist mittlerweile mehr als überschaubar.

Probleme der Branche
Der Bau von Gewächshäusern birgt für die ausführenden Firmen eine ganze Reihe von Problemen, die in anderen Industriezweigen nahezu unbekannt sind. Ein wesentlicher Punkt ist die Heterogenität der verschiedenen Projekte. Eine Gewächshausfirma muss in der Lage sein, heute ein Gartencenter mit 4000 m² Verkaufsfläche zu erstellen und morgen einen nur 80 m² großen Erweiterungsanbau an einem Blumenladen zu errichten. Dabei schwanken die Aufträge nicht nur extrem in der Größe, sondern weisen vor allem in der technischen Ausführung große Unterschiede auf. Man kann sich unschwer vorstellen, wie schwierig es sein mag, hier immer die richtigen Kapazitäten vorzuhalten.

Kernaufgabe einer Gewächshausfirma ist heute die Projektplanung. Das Gewächshaus selbst entsteht in einem Netzwerk von Fremdleistungen, die alle schließlich wieder beim Gewächshausbauer zusammentreffen, der alle notwendigen Teile schließlich zu einem schlüsselfertigen Objekt kommissioniert und durch Montagetrupps – eigene oder fremde – erstellen lässt.
„Von 10 Angeboten, die rausgehen, bekommen wir, wenn wir Glück haben, ein bis zwei Aufträge“, kommentierte der Geschäftsführer einer renommierten Gewächshausbaufirma die Lage.
Ein wenig unfair ist dabei sicher auch das Verhalten einiger Bauherren. Da lässt man sich zunächst eine detaillierte Planung und ein Angebot von einer deutschen Fachfirma erstellen, um dann anschließend die Preise und das Firmenlogo mit TippEx zu entfernen und das Schriftstück nach Holland zu faxen. Kein Wunder, dass der Vertreter aus dem Lande des Goudas dann billiger sein kann.

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Der Nutzen muss im Vordergrund stehen
Betrachtet man Berichte zu technischen Neuheiten auf Fachmessen, so wird man zum einen viel zu lesen haben, zum anderen wird man aber feststellen, dass nur die allerwenigsten Innovationen der vergangenen Jahre Eingang in die Praxis gefunden haben. Gewächshäuser ohne Sprossen, Sprossen aus Glas, Zick-Zack-Platten, bewegliche Solarmodule - sie alle sind genau so schnell verschwunden, wie sie aufgetaucht sind.
Die Praxis sucht in allererster Linie nach bezahlbaren und funktionierenden Lösungen. Wenn marginale Verbesserungen mit deutlichen Preiszuschlägen erkauft werden müssen, haben sie beim Gärtner keine Chance. Vor allem für die Fachfirmen ist der Aufwand zur Entwicklung eines neuen Gewächshaussystems enorm.
Betrachtet man dazu dann noch die geringen Stückzahlen, in denen ein neues System dann tatsächlich verkauft wird, hat man Verständnis für die Innovationsmüdigkeit der Branche. Zudem ist es ja auch nicht so, dass sich die Gärtner nach neuen Techniken verzehren. Viele Betriebe in Deutschland und Österreich befinden sich ganz oder in Teilen noch auf dem technischen Stand der ­70-er und 80-er- Jahre. Ziel wäre es hier zunächst einmal, den aktuellen Stand der Technik zu erreichen. Die Industrie bietet heute im Grunde genommen für jede kulturtechnische Anforderung ein ausgereiftes Produkt.

Welche Technik wird sich etablieren?
Verfolgt man die Entwicklungen am Markt, so lassen sich klare Trends erkennen. Vor 15 bis 20 Jahren wurde das Breitschiffgewächshaus als Produktionshaus durch die kostengünstigeren Venlo-Typen abgelöst. Eine logische Konsequenz aufgrund der stagnierenden bzw. rückläufigen Preise, die mit der produzierten Ware zu erzielen waren. Dieser Kostendruck hat sich heute noch weiter verschärft, sodass die Praxis nach noch kostengünstigeren Lösungen Ausschau hält. Viele Großprojekte, die jüngst erstellt wurden, sind daher Folienhauskonstruktionen. Zwar ist die Gewächshauskonstruktion nicht unbedingt billiger als ein Glashaus in Venlo-Bauweise, die Kosten für das Gesamtprojekt sind aber deutlich niedriger. Da wäre zunächst einmal der Energieschirm bzw. die Schattierung, die in einem Glasgewächshaus obligatorisch ist. Dank der guten Isolationseigenschaften von z. B. aufblasbarer Doppelfolie und der hohen Lichtstreuung benötigt man im Folienhaus gar keinen Energieschirm. Das allein spart 15–20 Euro/m².

Während in Glasgewächshäusern die Wärmeausbringung mit Warmwassersystemen dominiert - was dort auch sinnvoll ist -, gibt man in Folienhäusern überwiegend den preisgünstigeren Luftheizungssystemen den Vorzug. Das hat einen guten Grund, wenn man bedenkt, dass die IR-Durchlässigkeit der im Gartenbau verwendeten Folien bei 10 bis 40 % liegt. Da Warmwasser-Rohrheizungen einen hohen Anteil der Energie als Strah­lungswärme abgeben, wären die Ver­luste bei Folie ungleich höher wie bei Glas, welches für IR-Strahlung über 3000 nm weitgehend undurchlässig ist.

Durch die dezentrale Beheizung der Folienhäuser entfallen somit die Kosten für Kesselhaus, Kamin, Druckausdehnungsgefäße, Pumpen, Mischgruppen, etc. Auch die Klimaregelung gestaltet sich weniger aufwändig, da zum Lieferumfang eines direktbefeuerten Lufterhitzers eine thermostatische Regelung gehört. Für die Lüftung wird beim Folienhaus in der Regel ein einfacher Analog-Regler eingesetzt, damit ist das Abteil ausgeregelt. Klimacomputer kommen nur selten zum Einsatz. Ein weiterer Punkt sind die Fundamente. Während bei Glasgewächshäusern meist mit umlaufenden Streifenfundamenten gearbeitet wird, genügen im Folienhausbau Punktfundamente oder Schraubanker, was die Kosten im Vergleich erheblich verringert.

Die Zukunft gehört dem modularen Gewächshaus
Bei kleinen und mittleren Objekten haben sich Satteldach-Folienhäuser mit aufblasbarer Doppelfolie oder Luftpols­terfolie im Dach und senkrechten, lüftbaren Stehwänden am Markt etabliert. Für Großprojekte kommen vermehrt Haustypen zum Einsatz, die als Basiskonstruktion den von den Venlo-Typen bekannten Gitterbinder nutzen. Diese liegen in dem gebräuchlichen Raster von 9,60 m oder 12,80 m. Diese Basiskons­truktion kann mit den verschiedenen Varianten an den Steh- und Giebelwänden und im Dach eingedeckt und ausgeführt sein. Kombinationen aus Glas und Folie, UV-durchlässige Eindeckungen, Offendachlösungen, variable Stehwandlüftungen, alles ist möglich.

Der Trend geht zu einem „modularen Gewächshaus“, das der Kunde nach seinen speziellen Bedürfnissen zusammenstellen kann. Dies wird in Zukunft eine noch größere Standardisierung der einzelnen Komponenten notwendig machen. Bei großen Projekten sind Firmen auch eher bereit, Neues zu probieren und auf individuelle Kundenwünsche einzugehen.