Diente die Kammermeierei einst Kaiserin Sisi zur Erholung, stellte sie dieses Jahr den Rahmen für das 10-jährige Jubiläum der Schönbrunner Seminare. Das abwechslungsreiche Programm bot neben Fachvorträgen und einer umfangreichen Sortenschau die Möglichkeit zur Rohverkostung diverser Nachtschattengewächse sowie ein ausgefallenes Menü der Extraklasse von Spezialitätenkoch und Geschmackspädagoge Johann Reisinger.
DI Wolfgang Palme führte durch die Veranstaltung und schaffte es trotz den überschwemmungsbedingten Ernteeinbrüchen an der Versuchsanstalt Zinsenhof, die außergewöhnliche Vielfalt der Nachtschattengewächse in ihrem Formenreichtum zu präsentieren.
Bio-Physalis aus Österreich
Besonderes Interesse bei den Seminarteilnehmern regte der Vortrag von Christoph Wurm vom Verein Aniwanta-Nachbars Garten. Er stellte Bio-Physalis als Oberösterreichische Produktinnovation vor und erläuterte Hürden und erste Erfolge in Produktion und Vermarktung. Dass sich Innovationen rechnen, aber mitunter eine gehörige Portion Hartnäckigkeit bedürfen, zeigt die Geschichte der Bio-Physalis am Betrieb. Auf erste Versuche im Jahr 2005 mit einer kolumbianischen Sorte folgte die zu späte Aussaat von 'Schönbrunner Gold' 2006.
In diesem Jahr wurde bereits Vorsprache beim Spar-Gemüsezentraleinkauf in St. Pölten gehalten und die Idee als Innovation gelistet. Den Weg ins Regal schaffte die Bio-Physalis erstmals 2007 in Kleinstmengen bei Spar Oberösterreich, Achleitner Biohof GmbH und Pfeiffer. Der herbe Rückschlag folgte allerdings bereits ein Jahr darauf, als anstatt der Andenbeere (Physalis peruviana) fälschlicherweise Saatgut der Ananaskirsche (Physalis pruinosa) geliefert wurde. Drei Hektar Ananaskirsche ohne Absatzmöglichkeit bedeuteten den Totalausfall, trieben aber die eigenen züchterischen Ambitionen voran. Nach vier langen Versuchsjahren gelang 2009 der großflächige Anbau der Eigenzüchtung 'Little Buddha’, die durch ihre außerordentliche Größe und das feine fruchtige Aroma überzeugt. Sie wird in oben genannten Handelsketten bereits erfolgreich verkauft.
Gewinnbringende Innovation
Trotz der schwierigen Anlaufphase liegen für Christoph Wurm die Vorteile auf der Hand. „Physalis ist bei einjähriger Kulturführung in Österreich schädlingsfrei, während sie in ihrem Hauptanbauland Kolumbien mit zahlreichen Schädlingen zu kämpfen hat“. Auch die Ökobilanz im Vergleich zu den südamerikanischen Früchten ist äußerst positiv. Während für 1000 g kolumbianische Physalis 1432 g CO2 verbraucht werden, müssen für die gleiche Menge an Bio-Physalis nur 175 g CO2 aufgewendet werden, was eine Emissionseinsparung von 88 % ergibt. Auch die Lagerfähigkeit von Physalis bewertet der Bio-Landwirt als sehr positiv.
„Bei den richtigen Lagerbedingungen halten die Früchte mehrere Wochen und lassen sich bei einer späten Ernte bis in die 2. und 3. Kalenderwoche einwandfrei lagern. Bei einem zweimonatigen Erntefenster von August bis September ergibt sich so ein Vermarktungszeitraum von immerhin sechs Monaten“.
Zukünftige Optimierungen der Lagerung sollen sogar bis in die 5. Kalenderwoche reichen. Wurm schließt im Rahmen der gezielten Weiterzüchtung auch die Entwicklung einer frostresistenten Sorte für eine mehrjährige Kultur nicht aus. Als geschätztes Marktvolumen gibt er 1 Mio. Verpackungseinheiten an. Das Marktpotenzial schätzt er auf 2 bis 8 Mio. Euro Wertschöpfung pro Jahr, was der Existenzgrundlage von 20 landwirtschaftlichen Betrieben entspricht.
Wos da Bauer ned kennt ...
Wie schwierig es sein kann, unbekannte Gemüse- und Obstsorten auf den Markt zu bringen, zeigte auch eine Diskussion mit Christian Konvalina, früherer Simmeringer Gärtner mit Paprika- und Rispenparadeiserkultur, heute Einkäufer für Obst und Gemüse für die Supermarktkette Spar. Frei nach dem Motto „Wos da Bauer ned kennt, frisst a ned“ liegt für ihn die größte Schwierigkeit bei der Einführung unbekannter Lebensmittel darin, dass der Konsument ganz einfach nicht weiß, was er mit den unbekannten Neuen machen soll.
„Der Kunde muss die Produkte zuerst kennen, bevor er sie kauft“ weiß er aus der Praxis zu berichten und belegte dies am Beispiel von Mixpaprika im Spar-Sortiment. Diesen Sommer wurde erstmals der Versuch gestartet, beim Tricolore-Paprika-Mix den grünen gegen einen orangen Paprika auszutauschen. Nach einem dreiwöchigen Verkaufseinbruch, verursacht durch den höheren Preis, geht der neue Rot-Gelb-Orange Mix nun „wie die Hölle“ berichtete Konvalina.
Auch beim Speisekürbis war die Skepsis der Österreicher am Anfang groß, erst die Entwicklung von Broschüren und eigener Rezeptaufkleber auf den Früchten machten den Kürbis zum Renner im Gemüseregal.
Bei einer entsprechenden Verbraucherinformation ist es also durchaus möglich, unbekannte Obst- und Gemüsesorten auf den Markt zu bringen. Gerade bei der unglaublichen Fülle an Nachtschattengewächsen ist das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft.