1151926090.jpg

© Nicole Stöger

Paradiesische Früchtchen

Ein Artikel von Nicole Stöger | 04.07.2006 - 13:38
1151926009.jpg

© Nicole Stöger

Neben der integrierten Pflanzenproduktion steht zunehmend der ökologische Anbau von Obst und Gemüse im Interesse von Erzeuger und Verbraucher. Deshalb hat die Bayerische Staatsregierung der LWG (Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau) einen Gemüsebauversuchsbetrieb (ökologischer Anbau/Bamberg) zugeteilt.Ökologie im Fokus
Egal ob es um Sortenfragen, spezielle Probleme bei der Kulturführung oder um die Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Verfahren geht – die Versuche und Untersuchungen der LWG decken ein weites Spektrum ab. Schwerpunkt im ökologischen Anbau ist der Gemüsebau.Die Ergebnisse der Versuche kommen in Form von Anbauempfehlungen und Beratungsunterlagen sowohl Erzeugern als auch Verbrauchern zugute. Versuchsfragen werden jährlich mit der Praxis abgestimmt.

Der Betrieb wirtschaftet nach den Vorgaben der EU-Öko-Verordnung. Nach der Versuchsauswertung gelangen alle Produkte in den Fachgroßhandel und damit zu den Verbrauchern.Die ökologische Wirtschaftsweise ist arbeitsintensiver als die integrierte Pflanzenproduktion. In der Regel muss ökologisch erzeugtes Obst und Gemüse höhere Marktpreise erzielen.Vielfalt in jeder Hinsicht
Tomaten sind das beliebteste Gemüse in Deutschland, jeder Bundesbürger vernascht rund 20 Kilogramm der Früchte. Mit ungewöhnlichen Farben und Geschmackstomaten versuchen vor allem regional vermarktende Gemüsebaubetriebe sich vom Massenangebot abzuheben. Samenechte Sorten
Die robusten Sorten fruchten durch Selbstbestäubung. Die Samen im Inneren der Frucht lassen sich also erneut aussäen, und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zeigt sich wieder die gleiche Sorte. Dies gilt nicht für Hybridsorten, die mit dem Namenszusatz F1 gekennzeichnet sind.

1151927451.jpg

© Nicole Stöger

Fruchtfestigkeit von Tomaten
Im LWG – Tomatenversuch unter Glas wurde die Fruchtfestigkeit von zehn Tomatensorten (Typ „runde Hellfrucht“ für Einzelernte) getestet. Die Tomaten wurden an drei Terminen mit Hilfe des Bareiss-Gerätes gemessen. Dabei wird die Fruchtfestigkeit von Obst und Gemüse zerstörungsfrei auf einer Skala von 0 bis 100 gemessen. Pro Sorte und Wiederholung wurden je 20 Tomaten an drei Messpunkten am größten Fruchtdurchmesser („Äquator“) gemessen.

Messzeitpunkte:
1. sofort nach der Ernte
2. eine Woche nach der Ernte
3. zwei Wochen nach der Ernte

Ergebnisse
Die praktische Messung zeigte, dass die Tomaten – auch bei gleichmäßig erscheinender Oberfläche innerhalb der drei Messpunkte am „Äquator“ – große Differenzen aufwiesen. Das Ergebnis der Fruchtfestigkeitsmessung der runden Hellfruchtsorten ergab einen Skalenwert von 50 und höher. Die Früchte unterhalb dieses Messwertes sind nur bedingt oder gar nicht marktfähig. Bei den Sorten ‘SG 32065’ und ‘Pannovy’ konnten am dritten Messtermin (zwei Wochen nach der Ernte) nur noch 17 Früchte, bei ‘Anjolie’ und ‘SG 32012’ nur noch 19 Früchte (z. B. Früchte geplatzt) gezählt werden. Dies ist beim Vergleich der jeweiligen Mittelwerte zu berücksichtigen. Bei der ersten Fruchtmessung zeigte sich, dass 10 % der Früchte von ‘Pannovy’ zu weich, also nicht mehr marktfähig waren. Bereits nach einwöchiger Lagerung (bei 11 bis 12 °C) konnten nur noch alle Früchte der Sorten ‘Albis’, ‘Barbados’ und ‘Ducati’ als 100 % marktfähig im Hinblick auf die Festigkeit (Messwert > 50) eingestuft werden. Nach zwei Wochen Lagerzeit zeigten noch alle Früchte der longlife-Sorte ‘Ducati’ die nötige Festigkeit über dem Bareiss-Wert 50, was bei den anderen Vergleichssorten nur noch eingeschränkt der Fall war.

Ökologische Tomaten
Die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau hat in ihrem ökologischen Gemüsebau-Versuchsbetrieb 30 ungewöhnliche Tomatensorten unter einem Regen-Schutzdach angebaut. Viele Sorten sind auch für den Hausgarten interessant. Die Bewertungen wurden nur in einem Jahr durchgeführt, weitere Vergleichswerte sind noch nicht vorhanden. Die BaumtomateDie Baumtomate ist eine besonders wüchsige Sorte, deren Saatgut nur wenige kleine Saatgutanbieter unter der Sortenbezeichnung ‘De Berao’ führen. Sie hat längliche, zu grünen Schultern neigende Früchte mit etwas mehligem Fruchtfleisch. Als Kochtomaten sind sie auf Grund des geringen Wassergehaltes hervorragend geeignet, in Salaten sind sie weniger geschmacksintensiv. Das Außergewöhnliche an der Baumtomate ist ihre Widerstandsfähigkeit gegen die Kraut- und Braunfäule. Im Vergleich trug ‘De Berao’ 3,5 kg Tomaten je Pflanze.Anmerkung: Die Baumtomate ‘De Berao’ ist eine Tomatensorte, wogegen die echte Baumtomate Cyphomandra betacea, auch Tamarillo genannt, einer anderen Gattung der Nachtschattengewächse angehört. Die Robusten
‘Phantasia F1’, eine normal runde Tomate und die geschmacklich ausgezeichnete Cocktailtomate ‘Philovita F1’ leisten der Kraut- und Braunfäule bis in den Oktober Widerstand. ‘Phantasia F1’ lag mit 4,8 kg Früchten je Pflanze zwischen 100 und 150 g, wie ‘Diplom F1’, ‘Culina F1’, oder ‘Maranello F1’, sie wurde geschmacklich jedoch schlechter bewertet. ‘Diplom F1’ war mit dem höchsten Ertrag bis Mitte August die früheste Sorte im Test, sogar früher als die bekannte ‘Matina’.

1151927476.jpg

© Nicole Stöger

Die „Normalen“
Am ertragreichsten unter den roten Normalsorten mit gutem bis mittlerem Geschmack waren ‘Mirabel’ und ‘Bolero’ mit je über 5 kg. Geschmacklich am besten wurden die mit ca. 16 g pro Einzeltomate kleinfruchtige ‘Dolce Vita F1’ beurteilt, dann folgte ‘Picolino F1’ mit rund 40 g schweren und relativ früh reifenden Früchten. Beide sind nicht widerstandsfähig gegen die Kraut- und Braunfäule und daher unbedingt auf eine Überdachung angewiesen. Die Pflanzen trugen 1,5 bzw. 2,8 kg Tomaten.

Die Andersfarbigen
‘Rose de Berne’ wird manchmal als die beste Tomate bezeichnet, im Vergleich lag sie geschmacklich und im Ertrag jedoch nur im Mittelfeld. Auffällig ist ihre rosarote Farbe. Die sehr gut schmeckende hell- und dunkelgrün gestreifte ‘Green Zebra’ brachte nur 2,5 kg Ertrag. Sie sollte nicht zu spät geerntet werden, da sie sonst unangenehm weich wird und weniger geschmacksintensiv. Wird sie gepflückt, wenn sich die hellgrünen Streifen gelb färben, schmeckt sie ausgeglichen aromatisch. Geschmacklich gut beurteilt wurde auch die dunkelgrüne ‘Ananastomate’, deren zahlreiche Kammerwände beim Durchschneiden orange sind. Sie erbrachte über 5,5 kg Ertrag, die Früchte wiegen je 300 bis 620 g und reifen erst ab Ende August. Ebenso spät wie die Ananastomate reifte die geschmacklich ansprechende aber nicht ganz so ertragreiche ‘Russische Tomate’. Sie ist braunrot und hat ein Fruchtgewicht zwischen 320 und 600 g. Die gelbe Tomate ‘Goldene Königin’ war etwas wässrig und auch geschmackloser, im Gegensatz zur orangegelben ‘Bolzano F1’, die mit 4,5 kg statt nur 2,8 kg auch ertragreicher war. Geschmacklich noch besser ist die gelbe Cocktailtomate ‘Orangino F1’, die aber nicht im Vergleichsanbau stand. ‘Yellow Pearshaped’ ist mit 1,3 kg je Pflanze wenig ertragreich und schmeckt wässrig, ist aber auf Grund ihrer zahlreichen leuchtend gelben Früchte interessant.

1151926090.jpg

© Nicole Stöger

Flaschentomaten
Die Flaschentomaten ‘Corianne’ (4 kg je Pflanze) und ‘Incas’ (2,3 kg je Pflanze) schmeckten mehlig. Bei der Frischverkostung fanden sie wenig Anklang. Daher sind sie eher zur Soßenbereitung oder zur Herstellung von Tomatenmark geeignet. Dies gilt auch für die ‘Andenhorn’ (4,3 kg), die sich lediglich durch ihre dreieckig-längliche Form auszeichnet sowie für ‘Ochsenherz’ (über 5 kg).