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© BOKU Wien

Ökologische Alternativen

Ein Artikel von Ulrike Fassler | 31.03.2015 - 15:52
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Trockenheit und Hitze werden in den Sommermonaten, bedingt durch den Klimawandel, zunehmend die Lebensqualität der Stadtbevölkerung beeinträchtigen. In Ballungszentren liegt der Anteil von versiegelten Flächen bei Werten bis zu 80%. In Österreich werden zusätzlich täglich etwa 15 ha neu verbaut. Das Bodenleben wird durch die umfangreichen Versiegelungen bedenklich reduziert, Wasser- und abfallwirtschaftliche Probleme treten auf und der Grundwasserspiegel fällt immer weiter ab.

Die Erweiterung von möglichen Begrünungsflächen zur Verbesserung der mikroklimatischen Bedingungen sowie die Erstellung widerstandsfähiger, trockenresistenter Rasenmischungen muss daher eine relevante Forderung an die Raum- und Stadtplanung bleiben.

 

Schotterrasen begrünen temporär genutzte Flächen

Für manche bisher großteils versiegelte Flächen, wie z. B. temporär genutzte Parkplätze scheint es dafür auch bereits attraktive und ökologisch nachhaltige Lösungen zu geben – die  Schotterrasenflächen.

Um die Eignung von Schotterrasen zu untersuchen, wurde von 2006 bis 2008 ein von der EU gefördertes wissenschaftliches Projekt unter dem Titel „Green Concrete“ zwischen Deutschland, Österreich und Italien durchgeführt. Das Konsortium war als Kooperation zwischen den universitären ­Einrichtungen des Instituts für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau der Universität für Bodenkultur (BOKU Wien), dem Fachbereich Landschaftsarchitektur der Fachhochschule Erfurt/D und der Abteilung Landespflege der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau Veitshöchheim/D aktiv.

Die Zielsetzung hinter „Green Concrete“ hieß, ökologisch nachhaltige Alternativen zu herkömmlichen Bodenversiegelungen zu entwickeln. Die Anlage von Schotterrasen schien den geforderten Bedingungen am ehesten zu entsprechen.

Die Vorteile von Schotterrasen standen zu diesem Zeitpunkt bereits u. a. durch die Studienergebnisse der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL 2000) fest.
So zeigen sich Schotterrasenflächen durchlässig für die Versickerung von Niederschlagswasser. Dieses wird von der Vegetationstragschicht und den Pflanzen aufgenommen und verdunstet bzw. an das Grundwasser abgegeben, womit der natürliche Wasserkreislauf aufrecht bleibt. Somit wird das Kanalsystem entlastet und Spitzenabflüsse werden bei Starkregenereignissen – wie diese zukünftig zunehmend vorkommen werden – reduziert. Bei Hitze wiederum sind Schotterrasenflächen gemäß den Studienergebnissen imstande, die Oberflächentemperaturen gegenüber Asphaltflächen beträchtlich zu reduzieren.   

Und zu den ökologischen Aspekten gesellt sich noch ein ganz wesentlicher ökonomischer Vorteil, denn die Herstellung von Schotterrasenflächen gestaltet sich einfach und kostengünstig.
Zu den wesentlichen Forschungsfragen von „Green Concrete“ zählte die Frage nach der Eignung von Baustoffrecyclingmaterialien für die Herstellung einer Vegetationstragschicht und deren Umweltverträglichkeit und Begrünbarkeit. Weitere Beschäftigungsschwerpunkte betrafen die Erstellung geeigneter Saatgutmischungen, die Belastbarkeit und die Verwendbarkeit von Schotterrasenflächen sowie die Erfassung von deren mikroklimatischen Auswirkungen.

Forschungsschwerpunkte: Materialauswahl und technische Umsetzung

Das Projekt unterschied eine Anfangs- und ein Hauptphase. In der Anfangsphase des Projekts wurden geeignete Materialien für den Bau der Versuchsflächen anhand von Materialproben ausgelesen und am Ende des Verfahrens 13 Baustoffrecyclingmaterialien nominiert.

Danach folgte die Errichtung von Versuchsflächen an den 4 verschiedenen Forschungsinstititutionen Veitshöchheim/D, Erfurt/D, Wien und Goldrain/I. Jeder Standort widmete sich einem eigenen Forschungsschwerpunkt.

Spezielle Untersuchungen

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© BOKU Wien

Die deutschen Institutionen untersuchten die Auswirkung der Versickerungsfähigkeit auf das Mikroklima und die Grundwassererneuerung, ebenso wie die Verdunstungsleistung der Vegetationsdecke.
In Österreich wurde an der Entwicklung der Vegetation geforscht.
In Goldrain in Südtirol konnten direkte Praxiserhebungen in Form eines Monitorings der Belastungstoleranzen bei Schotterrasen durchgeführt werden. Das Ergebnis weist nach, dass Schotterrasen unter der Bedingung einer temporären Regenerationsmöglichkeit hohen Belastungsintensitäten ausgesetzt werden können.

Standarderhebungen

Erhebungen wie bau- und geotechnische Untersuchungen wurden regelmäßig an allen vier Standorten durchgeführt. Dazu zählen die Erfassung der Tragfähigkeit, der Wasserdurchlässigkeit, der Bodendichte und Ebenflächigkeit. Anhand der erworbenen Ergebnisse wurde ein Kriterienkatalog für die Praxis erstellt.

Vegetationsuntersuchungen

Vegetationstechnisch wurden monatlich ab dem Aufkommen der Pflanzen der Gesamtdeckungsgrad, das Gräser-/Kräuterverhältnis, die Vitalität, der Blühaspekt und die mittlere Blatthöhe der Bepflanzung untersucht.

Für das Projekt hat die BOKU zwei Saatgutmischungen zusammengestellt. Neben einer reinen Gräserzusammenstellung nach RSM 5.1 wurde eine eigens entwickelte Saatgutmischung aus Gräsern, Kräutern und Leguminosen – die sogenannte BOKU-Schotterrasenmischung – entwickelt.

Die Entwicklung und die Berechnung sowohl des Gesamtdeckungsgrades als auch des Deckungsgrades der Einzelarten, der Absenz und Präsenz sowie des Gräser-/Kräuterverhältnisses wurde jeweils einmal kurz nach Beginn und gegen Ende des Projekts aufgenommen. Das Verfahren sollte die Entwicklung der einzelnen Arten, die Veränderung der Artenzusammensetzung und die Auswirkungen der Beparkung aufzeigen.

Zielsetzung war ein Gesamtdeckungsgrad von 50 % bei gleichmäßigem Aufkommen der Vegetation über die gesamte Versuchsparzelle. In den Fahrspuren musste man jedoch einen geringeren Deckungsgrad tolerieren. Die Analyse der Entwicklung der Einzelarten ergab, dass der Gräseranteil bei starker Belastung zunimmt, z. B. in den Fahrspuren. Gräser sind strapazier- und regenerationsfähiger als Kräuter. Poa pratensis kommt dort verstärkt vor: Diese Gräserart hat lange Etablierungszeiten, aber sie ist sehr strapazierfähig.

Trotz ihrer geringeren Belastbarkeit sollte auf Kräuter nicht verzichtet werden. Mit ihren komplexeren Wurzeln tragen diese zur Wurzelarmierung der Vegetationstragschicht bei und sind somit trockenheitsresistenter. Kleearten können außerdem durch Knöllchenbakterien elementaren Stickstoff binden und diesen den nährstoffliebenden Gräsern pflanzenverfügbar machen.

Fazit

Mit dem Projekt konnte man nachweisen, dass Schotterrasen eine geeignete Methode zur Befestigung von Nutzflächen sind. Die getesteten Materialien sind für den Bau geeignet und regional verfügbar.

Die Anlage von Schotterrasen ist beträchtlich kostengünstiger als asphaltversiegelte Flächen. Zudem sollte bedacht werden, dass Schotterrasen einen wertvollen ökologischen Lebensraum darstellt.

Zielsetzungen für künftige Wiener Grüngleise: Mit lokal angepasstem Saatgut lassen sich Kosten sparen

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© Wiener Linien/Zinner

Ebenso wie Parkplätze bieten auch Gleiskörper in der Stadt die Möglichkeit zu einer Hebung der mikroklimatischen und ästhetischen Qualität. In vielen europäischen Städten gibt es bereits begrünte Gleisanlagen.

In Wien werden seit Ende der 1980er-Jahre entlang der Linie 62 in Lainz und der Linie 18 in Wien-Landstraße begrünte Streckenabschnitte geführt.
Die jüngste Gleiskörperbegrünung in Wien hatte man von 2010 bis 2012 im Zuge eines Streckenneubaus der Linie 25 umgesetzt. Dieses von der nationalen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderte Projekt wurde in Kooperation zwischen den Wiener Linien,  dem Projektpartner FCP, der Technischen Universität (TU Wien), der Universität für Bodenkultur (BOKU Wien) und dem Zentrum für Bildung und Forschung im ländlichen Raum (LFZ Gumpenstein) realisiert.

So entstand entlang einem Streckenabschnitt an der Tokiostraße ein herkömmliches be­trittfähiges Rasengleis mit klassischem Strapazierrasen. In weiterer Folge sollte auch in der Prandaugasse ein Grüngleis angelegt werden.
Für diesen zweiten Streckenabschnitt plante die Kooperation hingegen eine pflegeextensive Begrünung. Zu diesem Zweck entwickelte die BOKU eigene Saatgutmischungen. Lokal bis regional gesammelte Wildpflanzen wurden anhand von Keimtests hinsichtlich ihrer Temperaturtoleranzen getestet.

Anhand der Ergebnisse konnten sonnen-, halbschatten- und salzverträgliche Mischungen erstellt werden, welche man auf Versuchsflächen entlang der Lainzer Linie drei Jahre lang testete. Zusätzlich führte die BOKU mikrometeorologische Messungen an den zukünftigen Gleisstrecken durch. Als Ergebnis der Untersuchungen begrünte man den Streckenabschnitt in der Prandaugasse mit einer Sonnen- und einer Halbschattenmischung.

Beide genannten Begrünungen wurden zum Schutz der Pflanzen auf einer tiefliegenden Vegetationsebene vorgenommen, welche nun die notwendigen Pflegearbeiten nur mit Kleingeräten zulässt. Die lokal angepasste Gleisbegrünung hat gegenüber dem Rasengleis aus Strapazierrasen den Vorteil, dass bei der Bewässerung und Düngung und bei den Mähterminen wesentlich eingespart werden kann.

Weitere Gleisbegrünungen in Wien sollen zukünftig klimaangepasst verlaufen – heißt das Ergebnis dieser Projekte.

Green Concrete Schotterrasenmischung
ArtenMischungsanteil: Gewichts-%
Gräser
Festuca ovina duriuscula22
Festuca rubra commutata15
Festuca rubra rubra10
Festuca rubra trychophylla10
Lolium perenne2,0
Poa pratensis20,0
Gräser ges.79,0
Leguminosen
Lotus corniculatus2,5
Medicago lupulina2,0
Anthyllis vulneraria1,5
Leguminosen ges.6,0
Kräuter
Achillea millefolium2,0
Anthemis nobilis2,0
Bellis perennis1,0
Hieracium pilosella0,5
Petrorhagia saxifraga2,0
Plantago media2,5
Salvia nemorosa2,5
Thymus pannonicus2,5
Kräuter ges.15,0
Gesamt100,0