Prof. Dr. Manfred Köhler von der Hochschule Neubrandenburg/Deutschland befasst sich intensiv mit der Pflege und Wartung von Dachgärten. Er stellte fest, dass bei Dachgärten häufig Baufehler auftreten und das Niederschlagswasser nicht optimal abgeführt wird. Das kann wiederum zu Schäden bei der Stromversorgung führen, was kostenaufwändige Reparaturen zur Folge hat. Eine besondere Problematik sind auch Pflegemängel bei den Kulturen, die sich im Laufe der Jahre bemerkbar machen. Dem Referenten war es ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass sich auf Dachgärten Gehölze optimal entwickeln und Bodendecker über viele Jahre hinweg erfolgreich ohne großen Aufwand kultiviert werden können, jedoch z. B. Rosenrabatten einen deutlichen Pflegebedarf haben. An einem Dachbegrünungs-Objekt der Flächengröße 8.500 m² wurde weiters festgestellt, dass nach zehn Jahren durch die nicht regelmäßig durchgeführten Instandsetzungsmaßnahmen ein Kostenaufwand von 219.000 € erforderlich wurde. Rein theoretisch hätte bei diesem Objekt durch eine regelmäßige Kontrolle und Versorgung der Dachflächen eine deutliche Kosteneinsparung stattfinden können, wobei diese theoretische Ersparnis trotz der regelmäßigen Pflege etwa 97.000 € betragen hätte.
Dr. Köhler empfahl aufgrund dieser Ergebnisse, Dachgärten einer kontinuierlichen Pflege und Wartung zu unterwerfen, um eine ökonomische Kosten-Nutzen-Analyse zu erreichen.
Feinstaubbindung – wissenschaftliche Untersuchungen
Relevante Ausführungen kamen auch von Dr. Olga Gorbachevskaya von der Humboldt-Universität in Berlin. Sie stellte fest, in welchem Umfang Gehölze, Stauden, Gräser usw. in der Lage sind, pro Jahr Staub aus der Luft aufzunehmen und somit zu einer erfolgreichen Schadstofffilterung beizutragen. Auch ein Vergleich mit Dach-Abdeckungsmaterialien wie Geotextilien und Schotter wurde durchgeführt. Auslöser dieser Untersuchungen war ein Auftrag der Fachvereinigung Bauwerksbegrünung e.V. (FBB), da aufgrund wissenschaftlicher Untersuchungen jährlich 65.000 Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Folge der Feinstaubaufnahme auftreten.
Dr. Gorbachevskaya kam zu dem Ergebnis, dass eine Dachbegrünung mit Sedum den besten Erfolg bringen kann. Hier wurde beobachtet, dass eine maximale Feinstaubbindung von etwa 10 g/m² im Jahr möglich ist. Den besten Erfolg brachte die Art Sedum album, die von der Referentin als ein Staubakkumulator bezeichnet wurde.
Die Wahrheit zur CO2-Bindung durch begrünte Dächer
Ebenfalls von der Humboldt-Universität in Berlin referierte Dipl.-Ing. Susanne Herfort über ihre aktuellen Untersuchungsergebnisse zur CO2-Bindung durch begrünte Dächer. Sie wies darauf hin, dass seit der Industrialisierung der CO2-Gehalt der Luft ständig zunimmt und die Steigerung bei ca. 2,4 ppm im Jahr liegt. Tatsache ist, dass Pflanzen zur Reduzierung des CO2-Gehaltes beitragen, da sie es kontinuierlich aufnehmen und durch die Photosynthese als Kohlenstoff festlegen. Ungünstig ist natürlich, dass in der Folge durch Pflanzenverbrennungen CO2 wieder freigesetzt wird. Aufgrund der schon vorliegenden Erfahrungen wurden zur Feststellung der CO2-Bindungen Versuche mit verschiedenen Sedum-Arten sowie einer Mischung von Sedum, Gräsern und krautigen Pflanzen und einem üblichen Substrat durchgeführt.
Das Ergebnis der Untersuchungen und Versuche von Susanne Herfort besagt, dass es – bezugnehmend auf eine extensive Dachbegrünung in Deutschland – z. B. mit einer Moos-Sedum-Bepflanzung möglich wäre, knapp 20.000 t CO2 im Jahr aufzunehmen. Diese Menge entspricht jedoch nur 0,002 % der üblichen CO2-Emissionen, die immerhin 804 Mio. t CO2 betragen.
Als Fazit wurde festgehalten, dass eine extensive Dachbegrünung dazu beiträgt, CO2 aus der Luft dauerhaft in Form von Kohlenstoff zu binden. Immerhin sollte beachtet werden, dass, wenn bei den in Deutschland jährlich neu versiegelten Flächen nur 10 % extensiv begrünt würden, allein durch diese Biomasse mindestens 19.000 t CO2 gespeichert werden könnten. Diese Menge kann jedoch um ein Vielfaches höher sein unter Berücksichtigung der CO2-Speicherung im Substrat. Abschließend wies die Referentin jedoch darauf hin, dass es durch extensive Dachbegrünungen nicht möglich sein wird, den Klimawandel aufzuhalten, aber einen kleinen Beitrag zur CO2-Minderung könnten sie dennoch leisten!
Mit extensiver Dachbegrünung zu höherer Speicherkapazität
Prof. Dr. Wolfgang Dickhaut, HafenCity Universität Hamburg, berichtete über Möglichkeiten der Speicherkapazität von Niederschlag durch eine extensive Dachbegrünung. Er zeigte auf, dass die Abflussbeiwerte von Niederschlägen selbstverständlich abhängig sind von der Dicke der Beläge und Neigung des Daches, den Pflanzenarten, der Niederschlagshöhe, der Temperatur und der jeweiligen Region. Immerhin wurde aber doch bei einem Versuch in Karlsruhe durch Messungen der LWG Veitshöchheim festgestellt, dass bei einem mittleren Jahresniederschlag von 720 mm bei einer Substrathöhe von ca. 70 mm nur 310 mm von einem extensiv begrünten Dach abfließen und somit der mittlere Wasserrückhalt ca. 57 % beträgt.
Bei einem weiteren Versuch am Potsdamer Platz in Berlin wurde der abfließende Niederschlag von Dächern über einen Zeitraum vom Juni 1997 bis Januar 1998 gemessen. Dabei wurde festgestellt, dass der Abfluss nicht nur durch die Dachbegrünung allein verringert werden konnte, sondern dass auch noch das eingesetzte Material wesentliche Bedeutung hatte. In dem genannten Zeitraum lag die Niederschlagsmenge bei etwa 280 mm, von denen etwa 260 mm von einem konventionellen Dach abgeflossen sind. Je nach Belag war jedoch der Abfluss von Gründächern deutlich geringer. Dieser schwankte in Abhängigkeit des Belagsmaterials zwischen etwa 130 mm und etwas mehr als 50 mm. Dickhaut kam zu dem Resultat, dass durch ein extensives Gründach im Schnitt nur 20–30 % der Niederschlagsmenge in die Zisterne abfließt. Die festgestellten Werte bei diesem Versuch waren sogar geringer als die Abflusswerte, die einer offiziellen Richtlinie entnommen werden können. Diese liegen bei etwa 30–40%. Diese Untersuchungen veranlassten Dickhaut zu der Empfehlung, dass bei dem Aufbau eines Gründaches ein mehrschichtiges Material zum Einsatz kommen sollte, und zwar bestehend aus einer Speicher-schutzanlage, einem Drainageelement, einem Filtervlies und der erforderlichen Substratschicht. Auf diese Weise könnte erreicht werden, dass eine große Menge des Niederschlags vom Gründach gespeichert wird.
Dachbegrünungsaufbauten im Grenzbereich
Mit dem Aufbau von Begrünungsanlagen bei geneigten Dächern befasste sich Prof. Dr. Yvonne-Christin Bartel von der Hochschule Ostwestfalen-Lippe/Deutschland. Sie machte darauf aufmerksam, dass eine Differenzierung des Aufbaus in der üblichen Fachliteratur im Allgemeinen nicht erfolgt. Jedoch sollten für geneigte Dächer je nach Neigungsgrad bestimmte Vegetationsschichten bzw. Konstruktionen für die vorgesehenen Begrünungsanlagen zum Einsatz kommen, um Rutschgefahren zu verhindern. Laut Bartel sollten für geneigte Dächer folgende Voraussetzungen erfüllt werden: Bis zu einer Neigung von 15 ° sind lagerungsstabile Vegetationsschichten auszuwählen. Von 15–30 ° sollte eine konstruktive Rutsch- und Schubsicherung geplant und auch eingebaut werden. Von 30–45 ° ist eine gesonderte statische Berechnung empfehlenswert. Darauf basierend ist auch die Konstruktion auszuführen. Ab 45 ° Dachneigung ist grundsätzlich von Dachbegrünungen abzuraten. Ein Erosionsschutz ist immer vorgesehen, was auch auf Flachdächern selbstverständlich ist. Bartel wies darauf hin, dass es durchaus Optimierungsmöglichkeiten bei Steildachbegrünungen gibt, um Rutschgefahren zu vermeiden. So sollte auf Filtervliese verzichtet werden und immer die „richtige Abdichtung“ ausgewählt werden. Auch ist die Auswahl des richtigen Schüttstoffes von großer Bedeutung. Tatsächlich gibt es heute bereits Schüttstoffe, die eine hohe Lagersicherheit gewährleisten. Sie merkte abschließend an, dass unbedingt im Bezug auf die derzeit bekannten Neigungsbereiche der Dachbegrünung bei den Richtlinien Aktualisierungsbedarf besteht und deshalb dieses Thema bald aufgegriffen und entsprechend verändert werden sollte.
Leitfaden für Fassadenbegrünung
Auch in Österreich wurde zu dem verwandten Thema „Fassadenbegrünung“ ein Fachseminar unter dem Motto „Grüngewandt 2.0“ veranstaltet, welches am 22. Feb in der Technischen Universität Wien stattfand. Das Seminar wurde von ÖkoKauf Wien, dem Programm für umweltfreundliche Beschaffung der Stadt Wien; von der Wiener Umweltschutzabteilung-MA 22 und vom Verband für Bauwerksbegrünung veranstaltet.
Das enorme Flächenausmaß an Fassaden in den Großstädten bietet sich für Begrünungen an und wird vor allem als potenzielle Möglichkeit bei der Regulierung des städtischen Mikroklimas gesehen. Diese Thematik gewinnt aufgrund der zunehmenden baulichen Verdichtung und aufgrund des Klimawandels wachsende Bedeutung.
Das mögliche Ausmaß klimaregulierender Maßnahmen durch Bauwerksbegrünungen wird in Wien derzeit durch ein Forschungsprojekt untersucht. Die MA 22 und das Institut für Bauphysik der TU arbeiten im Rahmen des CE-EU Projektes „Urban Heat Island (UHI)“ an der Entwicklung und Anwendung von Maßnahmen und Anpassungsstrategien zur Minimierung des globalen Phänomens von urbanen Hitzeinseln.
Besonders in den vergangenen Jahren hat sich dank laufender technischer Optimierungen das Marktsegment für die Fassadenbegrünung erheblich erweitert. Um die Installation und Anwendung der zahlreichen neu auf dem Markt erschienenen fassadengebundenen Systeme fachgerecht umzusetzen und die damit verbundenen wachsenden Unsicherheiten bei den ausführenden Betrieben auszuräumen, wurde von der „ÖkoKauf Wien“ Arbeitsgruppe 25 in Grün- und Freiräume in Kooperation mit dem österreichischen Verband für Bauwerksbegrünung (VfB) und der Universität für Bodenkultur Wien ein Leitfaden für Fassadenbegrünungen ausgearbeitet, welcher im Rahmen der Fachtagung vorgestellt wurde. Dieser wurde mit bautechnischen und vegetationstechnischen Grundlagen zu fassaden- und bodengebundener Fassadenbegrünung ausgestattet. Das Herzstück des Leitfadens stellt eine Übersicht über die Systematik zur Fassadenbegrünung mit elf Kategorien von bodengebundener bis fassadengebunder Begrünung dar. Alle erhobenen Systeme können mit Hilfe dieser Systematik eindeutig zugeordnet werden.
Eine Best-Practice-Übersicht über besondere fassaden- und bodengebundene Begrünungen in Wien vermittelt einen Eindruck von den bereits umgesetzten Aufträgen.
Abschließend informiert eine Checkliste über die Fördermöglichkeiten für Fassadenbegrünungen im Wiener Raum.
Der Leitfaden „Fassadenbegrünung“ kann downgeloaded werden unter: http://www.wien.gv.at/umweltschutz/raum/gruene-waende.html
Gesundheitliche Aspekte
Neben zahlreichen weiteren Themen zu ökologischen Aspekten, zur architektonischen Gestaltung und zur Biodiversität war auch die gesundheitliche Wirkung von Fassadenbegrünungen ein wesentlicher Schwerpunkt der Tagung.
Im Gegensatz zu Dachbegrünungen erstrecken sich Fassadenbegrünungen über weitaus in der Stadt sichtbare Flächen. Die Pflanzen, inmitten von urbaner Bausubstanz, haben vielfältige positive Wirkungen. Neben der erwähnten Verbesserung des Mikroklimas und einer Verminderung von Lärmbelastungen lässt sich auch eine Erhöhung der allgemeinen Luftqualität messen.
Der Feinstaub, wovon in Wien täglich ca. 360 kg anfallen, ist gesundheitsbedenklich. Besonders für die Reduzierung des gefährlichen lungengängigen Feinstaubs sind Fassadenbegrünungen geeignet, hob Dr. Hannes Moshammer vom Institut für Umwelthygiene an der Medizinischen Universität Wien anhand seiner wissenschaftlichen Untersuchungen hervor. Nicht zu unterschätzen sind auch die positiven psychologischen Auswirkungen, zu welchen fassadenbegrünte Bauwerke beitragen.
Österreichischer Verband für Bauwerksbegrünung: Aktuelle Projekte in Österreich
Der Verband für Bauwerksbegrünung ist gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur Wien Projektkoordinator für Forschungsprojekte. Auch international engagiert sich der Verband durch seine Mitgliedschaft bei der europäischen Föderation Bauwerksbegrünung (EFB).
Untersuchungen am Institut für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau an der Universität für Bodenkultur Wien haben gezeigt, dass die Kühlleistung der Pflanzen mit der Lufttemperatur perfekt zusammenspielt. Die Pflanzen kühlen vor allem in Hitzeperioden am stärksten. Eine Grünwand in Wien mit rund 850 m2 Fläche erbringt an einem heißen Sommertag ca. eine Kühlleistung von 75 Klimageräten mit 3000 Watt Leistung und acht Stunden Betriebsdauer. Es spricht folglich sehr viel dafür, Pflanzen verstärkt einzusetzen, um den Energiehaushalt und das Mikroklima von stark verdichteten Bezirken zu verbessern, erklärt DI Bernhard Scharf von der Boku Wien. Forschungsschwerpunkt des österreichischen Projekts „GrünStadtKlima“ sind Messungen zum Wasserhaushalt und zum mikroklimatischen Effekt von Fassadenbegrünungen. Auf Basis von Messwerten wurde an der Boku Wien das Modell einer virtuellen Musterstadt simuliert und anhand dieser die Unterschiede bei Strahlungstemperaturen verschiedener Bauweisen analysiert. Für mikroklimatische Optimierungen konnten im Verlauf des Projektes auf raumplanerischer sowie auf Bebauungsplanebene neue Grundsätze formuliert werden. Intelligenteres Planen in Wechselwirkung mit dem klimatischen Umfeld, so lautet die Zielsetzung, welche hinter dem Projekt steht. Ein wissenschaftlicher Bericht wird demnächst veröffentlicht: https://forschung.boku.ac.at.
Das internationale Programm „ProGreenCity“ beschäftigt sich mit kleinklimatischen Vergleichen von begrünten gegenüber unbegrünten Bauwerken. Für die Erhebung der biometrischen Daten – die dreidimensionale Vermessung von Pflanzen hinsichtlich Masse und Blattfläche – ist die Boku Wien zuständig. Im Sommer 2013 werden Ergebnisse einzelner Pflanzenkategorien hinsichtlich deren mikroklimatischen Fähigkeiten bekannt gegeben. Das Projekt läuft noch bis Sommer 2014. http://www.progreencity.com
Neu ist das Kursprogramm „GrünAktivHaus“, welches sich als „Qualifizierungsnetzwerk“ versteht, erklärt DI Vera Enzi von der Boku Wien. Gemeinsam mit zahlreichen Partnern aus den Bereichen Bauwerksbegrünung, Gebäudetechnik und Energietechnik hat man sich eine branchenübergreifende Zusammenarbeit zum Zweck des Wissenstransfers und der Optimierung und gegenseitigen Anpassung der verschiedenen Fachbereiche zum Ziel gesetzt. Mit drei beteiligten Universitäten ist auch die Forschung vertreten. Anhand der Planung und Umsetzung eines realen „Leuchtturm“-Projektes wird an der Entwicklung eines Kursprogrammes, einem sogenannten Clustornetzwerk gearbeitet. Dieses soll Firmen, welche nachhaltige Bautechnologien umsetzen möchten, als Anlaufstelle für Bildungsmaßnahmen und für Informationsarbeit bei der Realisierung von Bauwerken dienen.