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Grün lohnt sich

Ein Artikel von Ulrike Fassler | 06.06.2012 - 08:33
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Aufgrund der Freiflächenknappheit im Stadtgebiet bietet vor allem der versiegelte Raum mit seinem großen Flächenanteil an Dächern und Fassaden eine breite Gestaltungsvielfalt für die Schaffung von „Grün“. Nicht nur die ästhetischen Faktoren, sondern insbesonders Nachhaltigkeitsüberlegungen zur Verbesserung des Kleinklimas und zur Feinstaubbindung im städtischen Raum haben in den vergangenen Jahren zur Weiterentwicklung dieser Begrünungstechniken beigetragen. Zahlreiche Systemlösungen lassen sich mittlerweile als Gesamtpakete anbieten. Gerade auch die Fassadenbegrünung birgt technische Herausforderungen. Hierbei ist u. a. die Gewährleistung von ressourcenschonenden und zugleich effizienten Bewässerungsformen zu nennen. Während für die technische Umsetzung der Dachbegrünung bereits entsprechende Önormen vorhanden sind, müssen die Önormen für die Fassadenbegrünung noch ausgearbeitet werden, sodass vorerst noch auf die FLL-Richtlinie aus Deutschland zurückgegriffen wird. Aktuell arbeitet die Wiener Umweltschutzabteilung (MA 22) einen Leitfaden für Fassadenbegrünungen aus. Dieser soll als Informationsbroschüre dienen und die Entscheidung für die Wahl geeigneter Systeme an geeigneten Standorten erleichtern. Auch einen „Behördenguide“ wird dieser enthalten. Der Leitfaden wird in den nächsten Monaten zur Verfügung gestellt.

Projekte helfen kalkulieren
Um die Vorteile und das Zukunftspotenzial von vertikalen Begrünungen öffentlich zu demonstrieren, hat die Stadt Wien bereits im Sommer 2009 ein Pilot-Projekt zur Fassadenbegrünung eines öffentlichen Gebäudes umgesetzt. Die Zentrale der MA 48 am Wiener Gürtel erhielt auf einer Fläche von 850 m2 eine grüne Fassade. Insgesamt 2.850 Laufmeter an Aluminiumschalen wurden mit Stauden, Gräsern und Kräutern wie z. B. Federnelke, Blaugräser und Thymian bepflanzt.
Das Projekt wurde von der Stadt Wien gemeinsam mit der MA 42 durchgeführt und wird weiterhin von Dachgrün-Experten fachlich begleitet und von der BOKU Wien wissenschaftlich untersucht und dokumentiert.
„Besonders in den nächsten Jahren ist mit einer weiteren intensiven Aktivität bei den Bauwerksbegrünungen zu rechnen“, kündigt DI Vera Enzi vom österreichischen Verband für Bauwerksbegrünung bereits an. Als derzeitige Aufgabe sieht sie die kalkulatorische Ermittlung der tatsächlichen nachhaltigen Vorteile von Bauwerksbegrünungen. Diese Werte werden in Form weiterer öffentlicher Projekte ermittelt. In Wien wird derzeit im Stadterweiterungsgebiet Aspern in Zusammenarbeit der Firmen Tech Metall, Optigrün und Hydrip in Kooperation mit verschiedenen Universitäten in Österreich und Deutschland (BOKU Wien, EMG Mainz, Wuppertal) als wissenschaftliche Partner das Projekt Progreencity durchgeführt. Im Rahmen dieser Untersuchungen, welche zeitgleich auch in Spanien und Deutschland laufen, wurden sechs Mikrohäuser in der Größe von jeweils 30 m2 errichtet. Davon werden drei Komplexe komplett mit Dach- und Fassadenbegrünung ausgestattet. Sensoren für die Innen- und Außenraumfeuchte- und Temperaturmessung werden die kleinklimatischen Vorteile von begrünten gegenüber unbegrünten Bauwerken aufzeigen.
In einem weiteren Projekt namens GrünStadtKlima, welches sich über insgesamt fünf Standorte in Österreich und Deutschland erstreckt, werden in Zusammenarbeit mit über 30 Partnern wie Verbänden, Firmen und Universitäten ebenfalls die ökologischen Fortschritte durch die neuen Begrünungslösungen hinsichtlich Mikroklima, Temperatur, Wasserspeicherung und Dämmung kalkulatorisch unter die Lupe genommen. Ein wissenschaftlicher Endbericht wird für April 2013 erwartet.
Welche Leistungen Bauwerksbegrünungen in der Schadstoffbeseitigung erbringen können, soll ein für 2013 geplantes Kompetenzprojekt zum Thema „Baustoff Pflanze“ ermitteln. Ein seit 2011 auf internationaler Ebene laufendes Projekt zum Thema Qualitätssicherung und Ausbildung in der Dachbegrünung mit dem Titel „Transfer of Innovation“ sorgt für aktiven Informationsfluss (Österreich, Deutschland, Schweiz, England, Griechenland, Ungarn und Schwe-
den).

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Pflegeleichte Intensivbegrünung
Laufend bieten die technischen Fortschritte erweiterte Einsatzmöglichkeiten bei Dachbegrünungen. ZinCo GmbH, Nürtingen/D, präsentiert u. a. das neuartige Dachbegrünungssystem „Sommerwiese“. Damit lassen sich alle Varianten der einfachen Intensivbegrünung realisieren – zum halben Gewicht und halber Aufbauhöhe im Vergleich zum herkömmlichen „Dachgarten“ und dies auch auf Dächern mit Gefälle. Ausschlaggebend dafür ist das gänzlich neuartige und höchst effiziente System zur Bewässerung der Pflanzen. Kernelement ist das neue Drän- und Wasserspeicherelement Aquatec® AT 45 in Kombination mit dem Dochtvlies DV 40. Grundprinzip ist die Verteilung und Bevorratung von Wasser in den Mulden der Aquatec®-Elemente. Über die im Dochtvlies verankerten Dochte wird das Wasser nach oben gesogen und so dem Substrat direkt im Wurzelraum zur Verfügung gestellt. Die Wasserbevorratung in den Aquatec®-Elementen wird über Niederschläge bzw. über die in den Elementen eingeclipsten Tropfschläuche geregelt. Angeschlossen an eine Steuerungstechnik wird der Wasserhaushalt so bedarfsgerecht eingestellt. Vegetationstechnisch ist auf dem Systemaufbau „Sommerwiese“ alles möglich, was einer einfachen Intensivbegrünung entspricht. Alternativ bietet ZinCo auch eine speziell für diesen Systemaufbau entwickelten Kräuter-Rollrasen an.

Dachgrün für höhere Erträge
Die österreichische Firma Dachgrün GmbH &CO KG versteht sich als Partner für alle Gartenbaubetriebe, die Dachbegrünungen und bodenungebundene Fassadenbegrünungen vertreiben oder ausführen möchten. Auch Betrieben, die keine oder nur wenig Erfahrung haben, bietet Dachgrün einen umfassenden Service. Die Dachgrün-Experten bieten kompetente Beratung und Hilfestellung in der Planungs-, Angebots- und Bauphase. Darüber hinaus liefert Dachgrün die gesamte Gründachsystem-Produktpalette und setzt dabei auch auf „Qualität aus eigenem Anbau“. So werden die Sedum-Sprossen, Flachballenpflanzen und Sedummatten in Österreich auf Dachsubstraten gezogen. Als echter Komplettanbieter in Sachen Gründach zeigt Dachgrün, dass auch auf dem kleinen österreichischen Markt ein umfassendes Sortiment und Service für die Gärtner und Gartengestalter möglich ist. Speziell für kleine Dächer von Einfamilienhäusern, Gartenhäusern oder Garagen hat Dachgrün die vier Varianten der Kompakt-Naturdachsysteme entwickelt. Diese sind österreichweit einsetzbar, einfach in Anlieferung und Verlegung und mit einem klar definierten Preis pro m² perfekt für eine schnelle Angebotskalkulation. Dachgrün-Partner können damit in wenigen Arbeitsschritten ein qualitativ hochwertiges dauerhaftes Gründach herstellen.
Begrünte Dächer lassen nicht nur den Traum vom Dachgarten wahr werden. Neben ästhetischen und kleinklimatischen Funktionen können Dachbegrünungen auch noch weitere funktionale Vorteile z. B. bei der Energiegewinnung bieten. Die individuelle Energieproduktion mit Photovoltaikmodulen auf Dächern wird sich in Zukunft noch ausweiten. Begrünte Dächer ermöglichen durch Abkühlung der Umgebungstemperatur eine Leistungssteigerung der Solarmodule von bis zu 4 %. Das hat ZinCo GmbH auf seiner eigenen Versuchsanlage unter Beweis gestellt.

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Vielfältige Themenlösungen
Eine breite Vielfalt an verschiedenen Dachbegrünungen kann dank technischer Fortschritte bereits angeboten werden. Das Unternehmen Optigrün International AG, Krauchenwies/D, führt Extensivbegrünungen für Spar-, Leicht- und Naturdächer sowie für Retentions- und Schrägdächer mit Sedum-Kräuter-Gräser-Bepflanzungen durch. Bei den klassischen Intensivbegrünungen werden Stauden-Gehölz-Baum-Rasen-Bepflanzungen für Garten- und Landschaftsdächer oder Verkehrsdächer umgesetzt. Auch für den Energiesektor werden von Optigrün zukunftsfähige Lösungen wie z. B. das Thermodach mit Sedum-Gras-Kraut- oder Stauden-Gehölzbepflanzung bzw. das Solargründach mit Sedumauflagen angeboten.

Fassadensysteme
Seit den vergangenen drei bis vier Jahren drängen für die Fassadenbegrünung viele neuartige Systeme auf den Markt. Neben der klassischen bodengebundenen Fassadenbegrünung erlauben zahlreiche neue Entwicklungen in der Substrat-, Dünge- und Bewässerungstechnik auch die bodenunabhängige fassadengebundene Fassadenbegrünung. Diese fassadengebundenen Systeme sind zwar kostenintensiver als die bisher durchgeführten Begrünungsformen mit Kletterpflanzen. Diese bieten jedoch den Vorteil, dass großteils kein direkter Kontakt mehr zwischen Fassade und Pflanze gegeben ist und somit die Gebäudefassade nicht durch Haftwurzeln bzw. Haftscheiben von selbstkletternden Pflanzen besiedelt werden kann. Somit sind die fassadengebundenen Systeme auch an vollkommen versiegelten und knapp zugänglichen Stellen realisierbar.
Neben mikroklimatischen Verbesserungen bieten Fassadenbegrünungen u. a. noch den weiteren Vorteil der Wärmedämmung und Lärmminderung. Damit einhergehend erfahren manche Gebäude eine Aufwertung der Bausubstanz sowie einen ökologischen Mehrwert.
• Die Firma Grünwand – Tech Metall Erzeugung, Handel, Montage GmbH und  die Firma Dachgrün GmbH CoKG wurden im Jahr 2009 von der Stadt Wien und der MA 42 für die Ausführung eines  Pilotprojekts der großdimensionalen Fassadenbegrünung des Gebäudes der MA 48 beauftragt. Das auf Pflanztrogprofilen aus Aluminium beruhende System wird über Tropfschläuche versorgt. Autarke Bewässerung durch Einleitung der Dachwässer und einfache Montage sind die möglichen Vorteile des Systems Grünwand. Eine Düngung ist dadurch nicht unbedingt notwendig. Das Projekt wird von der Universität für Bodenkultur Wien wissenschaftlich begleitet und dokumentiert.
• 90deGREEN, Hochstrass/NÖ ist Anbieter eines bepflanzbaren vorgehängten Fassadensystems, welches vor allem auch für Klimazonen mit längeren Winterperioden entwickelt wurde und zeitgleich den Baukörper an sich schützt. Dieses ist als patentiertes Komplettsystem von der Mauer bis zur Pflanze verfügbar. Die Montage des Systems kann auf jede Wand erfolgen. Beliebige Wärmedämmstoffe von bis zu 30 cm können zusätzlich zur Wärmedämmung von 90deGREEN eingebaut werden. Die Aufbaustärke sowie die Pflanzenauswahl können kundenspezifisch abgestimmt werden. Die Vorteile dieses Systems liegen u. a. in einer temperaturgesteuerten Bewässerungsanlage und einer Wärmedämmung im Bereich der Pflanzenwurzeln, welche den Pflanzen vor allem in den kalten Jahreszeiten Schutz bietet. Verwendung finden die begrünten Wände auch als vertikale Garten- und Designelemente, als mobile Wände sowie als Lärm- und Sichtschutzelemente.
• Bei der Optigrün-Systemlösung „Fassadengarten“ von Optigrün International AG, Krauchenwies-Göggingen/D, handelt es sich ebenfalls um ein fassadengebundenes Begrünungssystem auf Substratbasis. Das Kernstück ist ein hochwertiges substratbefülltes Kassettensystem (Optigrün-Fassadenelement) aus Aluminium, das fertig befüllt und auf Wunsch schon bepflanzt geliefert wird. Es muss nur noch mit wenig Aufwand in die schon angebrachten Einhangschienen gesetzt und die Bewässerungstechnik installiert werden. Eine hohe Auswahl in der Oberflächenfarbe und Befüllung der Aluminum-Fassadenelemente mit Bims (weiß), Lava (braun) oder Ziegelsplitt (rot) bietet eine Fülle an Gestaltungsmöglichkeiten und Individualität. Ein weiterer Vorteil ist die Flexibilität dieses Systems. Sowohl die Fassadenelemente, die Pflanzen als auch die Tropfbewässerung können unabhängig voneinander an der Fassade entnommen und ausgetauscht werden. Der „Fassadengarten“ ist sowohl für die Gestaltung von Außenfassaden als auch Wänden in Innenräumen einsetzbar.
•Beim Fassadenbegrünungssystem Helix® Elegans, von Helix Pflanzensysteme GmbH, Kornwestheim/D, dient als Pflanzenträger eine substratfreie zu mind. 50 % vorkultivierte, in Sandwichbauweise hergestellte Vegetationsmatte, auf denen die Pflanzen bereits zum Montagezeitpunkt gut eingewachsen sind. So können die Pflanzen auch den extremen Bedingungen an der Fassade standhalten. Geeignet sind Bodendecker, Kleingehölze, Stauden und Gräser. Diese Vegetationselemente werden in Aluminiumkassetten eingelegt und vollautomatisch mit Wasser und Nährstoffen versorgt.
• Für Fassadenbegrünungen im kleinen Stil bieten sich die Systeme von Humko GmbH, Bled/Sl, an. Das Unternehmen stellt eine neue Möglichkeit der Wandbepflanzung mit dem modellgeschützten System Ascon & Ekens vor, das schon seit 2000 entwickelt und produziert wird. Neben dem selbsttragenden System ASCON Maxi Duo Solitary mit automatischem Bewässerungssystem und dem zweiseitigen System ASCON Maxi Duo Fence werden weiters noch die Minivarianten ASCON Mini Fassadenpaneel und ASCON Mini Solitary mit Beleuchtungs- und automatischem Bewässerungssystem für die Bepflanzung mit Zierpflanzen, Duftpflanzen, Kräutern und Gemüse angeboten. Diese sind für den Gebrauch für innen und außen geeignet.

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Pro- und Contra-Argumente
Für eine ökonomische und fachgerechte Vorgehensweise sollten die in der Checkliste (aus dem Ratgeber für Fassaden- und Dachbegrünung 2002) angeführten Fragen vor Beginn eines Begrünungsprojektes gestellt und bei Bedarf mit Hilfe eines Experten gelöst werden. Ebenfalls ist die Kenntnis der Vorteile, aber auch der möglichen Nachteile von Bauwerksbegrünungen in jedem Fall Voraussetzung, um den Pflege- und Kostenaufwand einkalkulieren zu können.
Die Wartung und Bewässerung des Systems ist je nach Standort mehr oder weniger umfangreich und muss genau an die Standortgegebenheiten angepasst werden. Die Bewässerung fassadengebundener Systeme wird mit Tropf- oder Sprühschläuchen durchgeführt. Bei der Bewässerungsintensität ist auf Standortfaktoren wie z. B. Windrichtung und -stärke sowie die Ansprüche der Bepflanzung hinsichtlich Wasserspeicherfähigkeit, Staunässeverträglichkeit, Frostresistenz und Nährstoffbedarf zu achten.

Checkliste für die optimale Fassadenbegrünung

  1. Rechtliche Grundlagen – Erlaubnis des Hausbesitzers und Klärung rechtlicher Einschränkungen und Vorgaben
  2. Gebäudeorientierung – die Himmelsrichtung entscheidet über die Pflanzenauswahl: süd- und west-/ostgerichtete        Fassaden sollten mit laubabwerfenden Pflanzen bepflanzt werden. Diese beschatten im Sommer und lassen im Winter die Sonne durch. Nord-. bzw. west- und ostseitig ausgerichtete Fassaden benötigen immergrüne Bepflanzungen mit eventuellem Wärmeschutz darunter
  3. Standort und Klima: Klimaverhältnisse und Luftbelastungen berücksichtigen
  4. Boden- und Substratverhältnisse klären
  5. Außenwand-Baustoffe: Klären, für welche Befestigung die Außenwand geeignet ist und ob auch ausreichend Haftgrund für Selbstklimmer vorhanden ist
  6. Windverhältnisse müssen bei der Entscheidung für die Befestigungskonstruktion und die Pflanzen berücksichtigt werden.
  7. Eine Regenwassernutzung zur Bewässerung der Pflanzen sollte in jedem Fall auch aus nachhaltigen Gründen durchgeführt werden
  8. Pflegeart und -umfang sowie die Sicherheitskontrollen klären
  9. Zur Anwuchssicherung Schutzmaßnahmen für Jungpflanzen vorsehen
10. Pflanzenspezifische Eigenschaften und Gestaltungsziele berücksichtigen
11. Höhen-Breitenverhältnisse der Wandfläche berücksichtigen
12. Abstimmung mit vorhandener Rahmenbepflanzung
13. Ermittlung der Kosten (inkl. Pflegekosten) und eventueller Fördermöglichkeiten

Weiterführende Links:
www.wien.gv.at/umweltschutz/raum/index.html
www.wien.gv.at/amtshelfer/umwelt/stadtgaerten/begruenung/innenhofbegruenung.html
www.gbstern.at/teams/ueberblick
www.umweltberatung.at/start.asp
www.oegla.at/d/plbueros.htm
www.baunat.boku.ac.at/iblb.html
www.efb-greenroof.eu