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Symbolpflanzen auf dem Friedhof

Ein Artikel von Redaktion | 06.05.2011 - 14:56

Bernd Holster (45), Sozialkundelehrer der Klasse 6 b im Gymnasium einer Kleinstadt, hat Besuche auf dem kommunalen Friedhof als festen Bestandteil seiner Unterrichtsreihe „Tod und Trauer“ etabliert. „In meiner Klasse habe ich Kinder aus verschiedenen Kulturen und mit unterschiedlichen Glaubensrichtungen.
Viele Schülerinnen und Schüler gehen bei unseren Exkursionen das erste Mal auf einen Friedhof und die Erfahrung zeigt, dass sie immer hoch interessiert sind. Vor allem die vielen Symbole und Zeichen auf den Gräbern werden stark hinterfragt.“

Für dich soll’s rote Rosen regnen
Jeweils in Gruppen erarbeiten sich die Schülerinnen und Schüler ein von ihnen ausgewähltes Thema. Eine Gruppe hat sich für „Symbolpflanzen“ entschieden. Den Anstoß dazu gab der Onkel eines Schülers, der als Friedhofsgärtner seinem Neffen mit Hintergrundwissen und vielen Praxistipps zur Verfügung stand und vorbereitend mit den fünf Schülern den Friedhof besuchte. Heute steht die Friedhofsexkursion der Klasse an.

Kathrin (13) beginnt mit dem Referat: „Als meine Oma vor einem Jahr starb, haben wir einen Kranz für die Beerdigung bestellt, mit vielen weißen Lilien und Rosen, wunderschön. Meine Mutter hat mir erklärt, dass die Kreisform ein traditionelles Zeichen für Gott ist. Sie symbolisiert auch den Lauf der Jahreszeiten und die ewige Verbundenheit mit den Verstorbenen.
Die Lilien sind ein Zeichen der Unschuld, der Reinheit und der Hoffnung und schon seit Jahrhunderten eine traditionell verwendete Grabblume. Wer Rosenschmuck zur Beerdigung mitbringt oder Rosen auf das Grab seiner Angehörigen pflanzt, setzt ein Zeichen der Liebe.“

Grüner Rahmen
Die Klasse geht entlang der Hauptwege von einem Grab zum anderen. „Häufig findet man auf Friedhöfen Lebensbaumhecken oder Buchsbäume. Das sind immergrüne Gehölze, die symbolisch auf das ewige Leben und die Hoffnung der christlichen Auferstehung hinweisen,“ erzählt Lara (12), „andere immergrüne Gehölze wie Eibe und Wacholder sollen vor bösen Mächten schützen. Bäume mit hängenden Ästen, wie zum Beispiel die Espe, die Birke, die Ulme oder die Trauerweide werden als „Trauerform“ bezeichnet. Die Birke ist jedoch auch ein Symbol für Leben, Beginn und Licht.“
Vor einem großen Familiengrab bleiben sie stehen und Leo (13) übernimmt das Wort: „Meist werden immergrüne Gehölze als winterharte Rahmenbepflanzung eines Grabes ausgewählt. Sie bilden einen ruhigen Hintergrund für eine ganz persönliche, saisonabhängige Bepflanzung mit Blumen, die von Jahreszeit zu Jahreszeit anders aussieht.“
Und Kathrin ergänzt: „Blüten haben im Christentum verschiedene Bedeutungen: Sind sie geöffnet, gelten sie als Zeichen für die Erlösung der Seele, duften sie, verheißen sie das Paradies. Die Zahl Drei und mit ihr die Dreiecksform stehen im christlichen Glauben als Symbole für die heilige Dreifaltigkeit. Deshalb findet man auf Friedhöfen Pflanzen, deren Blätter dreieckig sind, wie Klee oder Efeu, oder die dreifarbige Blüten haben wie das dreifarbige Stiefmütterchen.“

Ein stiller Blumengruß
Die Klasse ist beeindruckt, was es auf dem Friedhof alles zu entdecken gibt. „Unglaublich“, staunt Sven (13), „ich dachte immer, naja, da stehen halt Blumen, damit es schön aussieht, aber dass da auch eine Botschaft dahinter steckt, das hätte ich nicht gedacht“.
Bevor die Klasse sich wieder auf den Weg zum Schulgebäude macht, fasst Bernd Holster die Erkenntnisse noch einmal zusammen: „Wie ihr seht, haben Blumen auf dem Friedhof nicht nur Schmuckwert, sondern eine tiefere Bedeutung bei der Grabgestaltung. Liebevoll bepflanzte und gepflegte Gräber bestimmen den Charakter eines Friedhofs. Sie schaffen Ruhe, verleihen dem Ort Würde und bieten Raum für Andacht, Meditation und Erinnerung. Erst mit Blumen und Pflanzen werden die Gräber zu individuellen Orten – zum Beispiel durch Blüten in den Lieblingsfarben des Verstorbenen.
Nicht nur zu den bekannten Trauertagen wie Allerheiligen oder Totensonntag, sondern auch zu privaten Erinnerungstagen wie Geburts-, Hochzeits- oder Sterbetag zeigt ein persönlich gestalteter Blumengruß die Verbundenheit der Lebenden mit den Verstorbenen. Die Sprache der Blumen wirkt auch über den Tod hinaus.“