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Substrate weiter auf Bio-Kurs

Ein Artikel von Peter Springer | 18.01.2011 - 16:24

Inzwischen verstehen es auch die Supermärkte immer besser, diesen Trend nach biologisch oder ökologisch hergestellten Produkten in ihren Sortimenten umzusetzen. Bio-Produkte grenzen sich vom Normalsortiment ab. Mit ihnen lassen sich zusätzliche Marktanteile gewinnen. Fast noch wichtiger als der streng geregelte Anbau dieser Produkte ist die mit dem Zertifikat verbundene Garantie. In der heutigen Zeit der Vertrauensverluste sind überprüfbare Sicherheiten ein Garant für steigende Umsätze. Die EG-Öko-Verordnung vom Januar 2009 regelt die Herstellung gärtnerischer und landwirtschaftlicher Erzeugnisse mit der Vorsilbe „bio“ oder „öko“. Sie sind geschützt und dürfen nur verwendet werden, wenn die Kriterien der Verordnung erfüllt werden. Das schafft beim Verbraucher Vertrauen und öffnet neue Märkte. Besonders bei den Nutzpflanzen ist die Anbaufläche für Bioprodukte in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Für Substrat­hersteller ist dies ein durchaus interessanter Bereich, denn die Anzucht von Jungpflanzen ist natürlich auch den Bestimmungen der Bioverordnung unterworfen. Das wie­derum setzt die Verwendung entsprechender Spezial­sub­s­trate voraus.

Torffrei ist nicht immer „Bio“ ...
Und „Bio“ ist nicht immer torffrei. Um von Beginn an mit eindeutigen Begriffen zu arbeiten, hier zunächst einige Erklärungen: Als Substrate werden gärtnerische Erdmischungen be­zeichnet, die im professionellen Erwerbsgartenbau zum Einsatz kommen. Sie müssen den sehr hohen Anforderungen an die jeweiligen Kulturpflanzen und Kultursysteme angepasst sein. Blumenerden hingegen sind Mischungen für den Hobbygärtner, oftmals von sehr geringer Qualität. Beide Typen können auch in der „Bio“-Version Torf enthalten, denn die EG-Verordnung für den Ökoanbau sieht neben chemisch unbehandelten Holzprodukten wie Holzfasern oder Rindenhumus auch Torf als Zuschlagstoff für gärtnerische Substrate vor. Darüber hinaus gelten in den Regelwerken der verschiedenen Bio-Verbände verschärfte Vorgaben für die Zusammensetzung der Substrate. Diese betreffen vor allem die Einschränkung oder auch Verbote von Torf als Substratbestandteil. Meistens wird aber der Einsatz von Torf in Vermehrungssubstraten zu einem Volumenanteil von 70 bis 80 % und in Kultursubstraten von 20 bis 30 % toleriert. Das heißt, „Bio“ garantiert nicht unbedingt torffreie Substrate oder Blumenerden. Ebenso können auch torffreie Mischungen ohne „Bio“-Siegel Verwendung finden, wenn beispielsweise ein Bestandteil der Mischung nicht den Vorgaben der EG-Verordnung entspricht. Das kann „belas­teter“ Kompost sein oder der Einsatz von mineralischen Düngern.

Fast jeder Anbieter nun mit „Bio“-Linien
Vor allem im Bereich der Topfkräuter, aber auch bei den Jungpflanzen für den Gemüsebau ist der Bedarf an „Bio“-Substraten in den vergangenen Jahren gewaltig gestiegen. Die Substrathersteller haben diese Entwicklung natürlich aufmerksam verfolgt und bieten in ihren Sortimenten inzwischen eigene „Bio“-Linien an. Mit torffreien Mischungen konnte sich allerdings noch keiner so recht anfreunden. Zu groß sind die Unsicherheiten in der Kulturführung und zu groß das Risiko auf Verluste. Torf ist und bleibt der ideale Mischungspartner für zuverlässige Substrate. Bei der derzeitig angespannten Wirtschaftslage, dem ständig steigenden Kostendruck bei sinkenden Erlösen ist es verständlich, wenn sich Gartenbaubetriebe auf funktionier­ende Systeme beschränken und keine Experimente eingehen. So bestehen die meisten „Bio“-Substrate aus torfreduzierten Mischungen. Beispielsweise jene des deutschen Substratspezialisten Brill. „Wir reagieren damit auf den ständig steigenden Bedarf an Substratmischungen, die von den organisch-biologischen und biologisch-dynamischen Verbänden anerkannt werden“, hieß es kürzlich im Rahmen einer großen Fachmesse. Die neuen ECO- und BIO-Substrate von Brill sind gemäß der EU-Verordnung 834/2007 zertifiziert und damit für die Verwendung im ökologischen Landbau zugelassen. Das Sortiment umfasst im Bereich der Anzucht das „BIO Start“-Substrat aus einer Mischung von 50 % Weißtorf und 50 % Schwarztorf sowie „ECO Start“ aus 45 % Weißtorf, 35 % Schwarztorf und 20 % Substratkompost, jeweils mit einer rein organischen Aufdüngung für die Jungpflanzenkultur. Der Kompostanteil in der „ECO Start“-Mischung verbessert die biologische Aktivität und trägt darüber hinaus zur Nährstoffversorgung bei. Um dies auch beim „BIO Start“-Substrat zu erreichen, sind hier je Kubikmeter 2,5 kg Mikroorganismen zugesetzt. Weiterhin enthält die neue Substratserie von Brill mit „BIO Grond“ und „ECO Grond“ zwei Preßtopferden für eine breite Palette an Gemüsekulturen und Zierpflanzen. Hier ist – wie bei Preßtopferden üblich – der Schwarztorfanteil mit 80 bzw. 65 % höher. Die „ECO“-Linie verfügt auch hier wieder über einen Kompost-Anteil von 20 %. Mit zwei Topfsubstraten schließlich rundet Brill seine neue Bio-Serie ab. Es sind „BIO Pot“ aus je zur Hälfte Weiß- und Schwarztorf sowie „ECO Pot“ aus 30 % Weißtorf und 20 % Schwarztorf. Ergänzt wird diese Mischung mit 25 % Substratkompost und 25 % Holzfasern. Insbesondere „ECO Pot“ eignet sich durch den Anteil der Holzfaser für eine breite Palette an Freiland-Kulturen (erhöhte Luftkapazität, schnelle Wiederbenetzbarkeit, gute Kapillarität). Der Weißtorf sorgt in der Mischung für eine stabile Substratstruktur, der Schwarztorf für eine hohe Wasserspeicherfähigkeit und Pufferfähigkeit. Alle Bio-Substrate verfügen über einen organischen Dünger, dessen Frei­setzung temperaturabhängig ist. Brill rät daher, die Substrate sofort zu verarbeiten und nicht zu lagern.

Strategie gegen Trauermücken
Trauermücken sind vor allem im biologischen Pflanzenanbau ein großes Problem, das sich durch den Einsatz von organischen Düngern auf Basis tier­ischer Produkte und Kompost als Ersatzstoff noch weiter verstärkt. Um dies zu mindern, wird von Floragard mit „Flora-Protect“ eine neue Substratstrategie angeboten. Hierbei wird Torf in der Substratmischung zur Hälfte durch Kokosmehl, Perlite und gütegesichertem Grünschnittkompost ersetzt. Außerdem wird ein Mittel beigemischt, welches die Attraktivität für Trauermücken deutlich reduzieren soll, aber dennoch für den Bioanbau zugelassen ist. Was es ist, bleibt allerdings ein Betriebsgeheimnis. Floragard betont, dass sich der Erfolg der neuen Strategie in langjährigen Testreihen und Praxisversuchen bestätigt hat. Der Befallsdruck durch Trauermücken lässt sich von Anfang reduzieren, was den Pflanzenschutzaufwand mindert und – wichtig bei Biokulturen – den Richtlinien der internationalen organisch-biologisch und biologisch-dynamisch wirtschaftenden Verbänden entspricht. Als Einsatzbereich der neuen Substratmischung wird vor allem der Gemüsebau und hier speziell die Kultur von Bio-Topfkräutern genannt. Um auf den Bedarf des biologischen Pflanzenbaus reagieren zu können, stehen auch bei Jiffy neue Bio-Substrate im Vordergrund. Die Produkte werden unter dem Tref-Logo vermarktet, seitdem die Tref-Gruppe als Substrathersteller von Jiffy übernommen wurde. Die Pflanzenernährung hat sich im Bio-Bereich bisher immer als etwas schwierig herausgestellt. Gerade Kräuter werden in einer sehr kurzen Zeit kultiviert und sind auf schnell wirkende Nährstoffe angewiesen (vor allem Stickstoff). Die „Bio“-Substrate zeichnen sich durch die Verwendung des neuen organischen Düngers ECO 11 PL aus. Es ist ein ökologischer Basisdünger mit einer Formulierung ohne Verwendung tierischer Produkte. Das soll den Befall von Trauermücken nachhaltig reduzieren. Trotzdem sorgt der Dünger auch bei den kurzen Kulturzeiten für eine optimale Nährstoffversorgung mit einer Wirkungsdauer von 10 bis 12 Wochen. Tref führt innerhalb der „Go“-Reihe vier Substratmischungen, die mit diesem Spezialdünger versehen und daher für den biologischen Landbau zugelassen sind (gelistet in der FiBL Betriebsmittelliste für umweltfreundliche Pflanzenproduktion). Bio ist modern – das hat sich auch die deutsche Klasmann-Deilmann GmbH zu Herzen genommen und seine Angebotspalette um die KKS Biosubstrate erweitert. Das Unternehmen hat sich dabei vorab einem engagierten Dialog mit ökologisch ausgerichteten Gartenbaubetrieben und Verbänden gestellt, um den unterschiedlichen Richtlinien der Anbauverbände in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Großbritannien sowie der EU-Bioverordnung gerecht zu werden. Als Basis für die Biosubstrate dienen hochwertige Grünkomposte aus eigenen Anlagen. Hier werden zudem biologisch-dynamische Kompostpräparate verwendet, um den Substrateinsatz auch in Demeterbetrieben zu ermöglichen. Die neue Bio-Linie besteht aus den Bio-Presstopf- und den Bio-Kräutersubstraten. Bei den Presstopfsubstraten gewährleistet ein bis zu 40 % reduzierter Torfanteil mit fermentierten Holzfasern die stö­r­ungsfreie Verarbeitung auf allen Presstopflinien. Bio-Kräutersubstrate erhalten einen Torfersatz von bis zu 50 % durch gütegesicherten Grünkompost, Kokos- und Holzfasern, Kokosgrieß, Ton und Sand. Hierbei handelt es sich um erprobte Rezepturen, die den Befallsdruck durch Trauer­mück­en minimieren. Möglich sind auch Rezepturen komplett ohne Torf. Alle Düngeroptionen sind gentechnikfrei und beinhalten beispielsweise Hornmehl und -späne aus BSE-freien Ländern sowie Kartoffelproteine oder fermentierte Reststoffe aus der Mais­keimöl-Erzeugung.

Holzfasern wieder entdeckt
Ökologische Aspekte prägen derzeit auch die Zuschlagstoffe für Substratmischungen. Neben dem Kompost steht die Holzfaser als Alternative oder Ersatz für Weißtorf im Mittelpunkt. Mischungen von Kompost und Holzfaser, durchaus auch in Kombination mit Kokos- und Rindenprodukten, besitzen derzeit die größten Chancen, Torf zu ersetzen. Spezielle Aufbereitungsverfahren tragen dazu bei, die Ersatzstoffe weiter zu optimieren. So verwendet der Substratspezialist Klasmann-Deilmann mit „TerrAktiv“ einen hochwertigen Grünkompost für seine Bio-Substrate, dem während des Rotteprozesses biologisch-dynamische Präparate zugesetzt wurden. Das sorgt für eine zusätzliche Aktivierung der Mikroorganismentätigkeit. „TerrAktiv FT“ ist eine innovative Weiterentwick­lung zu einer Biofaser, die nach speziellem Verfahren fermentiert wird. Die Fermentation stabilisiert die Biofaser und setzt zugefügte organische Nährstoffe um. So erhöht „TerrAktiv FT“ als Zuschlagstoff für Bio-Presstopferden deren Luftkapazität und optimiert die Wurzelentwicklung. Bei den Holzfasern heißt das neueste Produkt „GreenFibre“. Dabei handelt es sich um Holzhackschnitzel aus Weichhölzern, die thermisch/physikalisch aufgefasert werden. Während des Prozesses entstehen Temperaturen bis zu 125 °C, so dass pflanzenunverträgliche Stoffe aus den Holzhackschnitzeln gasförmig entweichen und „GreenFibre“ hygienisiert wird. Der Zuschlagstoff eignet sich in Kombination mit Torfrohstoffen optimal als Bestandteil von strukturstabilen Kultursubstraten. Die Fasern stehen für den jeweiligen Einsatz als „GreenFibre nutric“ mit feiner Struktur und stickstoffstabilisiert für Beet- und Balkonpflanzen, als „GreeFibre basic“ mit grober Struktur für Baumschulkulturen und als „GreeFibre organic“ mit zertifiziertem Biostatus zur Verfügung. Der Biostatus umfasst die Herkunft der Holzfaser aus PEFC-zertifizierter Forstwirtschaft. Mit der neuen Substratfaser „Topora“, einer thermisch aufbereiteten Holzfaser aus Fichtenholz, machte kürzlich das Unternehmen Kleeschulte auf sich aufmerksam. In Beimischung von 20 bis zu 40 % trägt die Faser in den Substraten zur Verbesserung des Lufthaushaltes bei und optimiert die Drainageeigenschaften. „Topora“ soll sich als außerordentlich strukturstabil erwiesen haben und sich durch die geringe Schrumpfung daher von herkömmlichen Produkten abgrenzen. Aufgrund ihres geringen Gewichtes eignet sie sich besonders als Zumischung zu schweren Torf- oder Kompostsubstraten. Kleeschulte bietet die Faser in drei Varianten an, darunter eine mit organischem Stickstoff zur Verhinderung von Stickstoff-Verlusten. „Topora-bio“ ist zugelassen nach der EU-Verordnung 2092/91 und in der Betriebsmittelliste für den ökologischen Landbau (FiBL 2009) aufgeführt.

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© Peter Springer

Die ökologische Nachhaltigkeit umschreibt die Zieldimension, Natur und Umwelt für die nachfolgende Generation zu erhalten. Das umfasst den Erhalt der Artenvielfalt, den Klimaschutz, die Pflege von Kultur- und Landschaftsräumen in ihrer ursprünglichen Gestalt sowie generell den schonenden Umgang mit der natürlichen Umgebung. Das Konzept der Nachhaltigkeit beschreibt die Nutzung eines regenerierbaren Systems in einer Weise, dass dieses System in seinen wesentlichen Eigenschaften erhalten bleibt und sein Bestand auf natürliche Weise nachwachsen kann. Das betrifft auch den Torfabbau und die Erhaltung der Moore als einzigartige Biotope und Überlebensraum selten gewordener Tier- und Pflanzenarten. Daher ist es nur zu begrüßen, wenn vor allem bei den Blumenerden für den Hobbygärtner der Anteil an Torf reduziert oder ganz eliminiert wird. Torfe in Blumenerden sind auch nicht wirklich zwingend notwendig. Als Wurzelmedium müssen sie Kulturen nicht an ihre Leistungsgrenze führen, um den bestmöglichen Profit da­raus zu erzielen. Das ist im Profi-Gartenbau anders, der muss davon leben. Deshalb sollte Torf in Blumenerden grundsätzlich verschwinden, zumal es inzwischen funktionstüchtige Alternativen gibt. Diverse Anbieter beweisen dies mit ihren neuesten Produkten. Wer also den Gedanken der Nachhaltigkeit in seinem Betrieb kompetent vertreten und dokumentieren möchte, der sollte die Winterzeit nutzen, um Lieferanten anzusprechen und „sein“ Spezialsortiment in Sachen Blumenerden zusammenzustellen.