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© Günter Sinn

Dynamische Baumkronensicherungen

Ein Artikel von Günter Sinn (Landschaftsarchitekt, Sachverständiger) | 14.09.2009 - 13:38
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Äste und Stämmlinge schwingen in ungleich­mäßig beschleunigter Bewegung oder stehen im Wind. Bei Sturmereignissen kann eine zu große Auslenkung zum Bruch führen. Um ein Aufschaukeln und das Resonanzversagen bei gleicher Frequenz des Schwingers und der Windturbulenzen zu verhindern, werden dynamische Kronensicherungen empfohlen. Deren Dynamik beruht auf der Dehnung des Sicherungsseils bei Belastung und/oder der Federwirkung mechanischer Konstruktionen, die in das Sicherungsseil integriert sind.

Die kurzen Dehnungs- und Federwege von wenigen Zentimetern der in der Praxis eingesetzten dynamischen Kronensicherungssysteme sind dem elas­tischen Ausschlag der schwingenden Baumteile nicht angepasst. Ein sanftes, ruck­freies Abbremsen der Schwingung ist nur bei langen Bremswegen möglich, die hier nicht gegeben sind.

Rechenbeispiele zur Erläuterung
Die Auswertung morphometrischer Daten von 14 Stämmlingen mit einem Basisdurchmesser von 32–57 cm und die Ermittlung der Belastungssituation bei Sturmwind der Stärke 12 nach Beaufort ergab im Durchschnitt in 2/3 Einbauhöhe einer Kronensicherung den Wert von 0,67 tm (niedrigster Wert 0,41 tm, höchster Wert 1,04 tm). Das heißt, eine Bruchsicherung laut ZTV-Baumpflege mit einer Bruchlast von 4 Tonnen ist im Sturm durchschnittlich mit 0,67 Tonnen (6,57 kN) belastet. Bei dieser Belastungssituation würden sich die handelsüblichen 4-t-Sicherungsseile oder Gurtbänder wie folgt dehnen (die Dehnungen verhalten sich weitestgehend proportional zu den Belastungen):
Crown Keeper (herkömmliche Handelsware): Belastung 1000 daN (10,00 kN) = Dehnung 0,96 %; Belastung 657 daN (6,57 kN) = Dehnung 0,63 %•Crown Tex (herkömmliche Handelsware): Belastung 1000 daN (10,00 kN) = Dehnung 1,92 %; Belastung 657 daN (6,57 kN) = Dehnung 1,26 %
Cobra/Boa (herkömmliche Handelsware): Belastung 1000 daN (10,00 kN) = Dehnung 1,00 %; Belastung 657 daN (6,57 kN) = Dehnung 0,65 %5 Meter lange handelsübliche Sicherungsseile dehnen sich demnach im Sturm zwischen 3,15 cm und 6,30 cm. Diese geringe Dehnung verteilt sich in der Regel auf die beiden Ankerpunkte der Kronensicherung, denn diese sind je nach Stämmlings- oder Astdicke und -länge mehr oder weniger beweglich. Ein starres Widerlager, von dem aus sich das Sicherungsseil in eine Richtung dehnen könnte fehlt in der Baumkrone.
Mit den zurzeit angebotenen thermofixierten Gurtbändern und Polyamidseilen oder ruck­dämpfenden Konstruktionen lässt sich das unbefriedigende Ergebnis der Dehnung zwar etwas verbessern, aber einen nachhaltigen Beitrag bei Starkwind leisten sie nicht.
Ein Hohlseileinsatz aus Gummi ergibt nach Angaben des Systemanbieters – unabhängig von der Länge des Sicherungsseils – schon bei Niedriglast eine Seilverlängerung um 20 cm. Die zusätzliche Dehnung eines 5 m langen Sicherungsseils im Sturm beträgt ca. 3 cm. Die Gesamtverlängerung von 23 cm verteilt sich auf 2 Ankerpunkte.
Crown Keeper (thennofixiert): Belastung 1.000 daN (10,00 kN) = Dehnung 6,82 %; Belastung 657 daN (6,57 kN) = Dehnung 4,48 %. Ein 5 Meter langes Sicherungsgurtband dehnt sich demnach bei Sturmwind rund 22 cm, verteilt auf 2 Ankerpunkte.
GEFA-Hohlseil aus Polyamid Belastung 1000 daN (10,00 kN) = Dehnung 6,27 %; Belastung 657 daN (6,57 kN) = Dehnung 4,11 %. Ein 5 Meter langes Sicherungsseil dehnt sich demnach bei Sturmwind rund 20 cm, verteilt auf 2 Ankerpunkte.

Dehnung ist zu gering
Wesentlich ist die Tatsache, dass die Material- und Konstruktionsdehnung, verteilt auf zwei Ankerpunkte, in allen Fällen zu gering sind, um ruckfreie Bremseffekte der Schwingung gesicherter Baumteile im Sturm zu bewirken. Hinzu kommt, dass sich im Laufe der Zeit das Dehnverhalten der Kronensicherungen durch ständige Re­ckung nachteilig verändert und gegen Null geht. Unter diesen Gesichtspunkten gibt es keine signifikanten Unterschiede in der Wirkung dynamischer und statischer Kronensicherungssys­teme.