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© Bestattung Wien

Die Aufbahrung

Ein Artikel von red. | 18.05.2006 - 18:10
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Nach Eintritt des Todes wurden dem Verstorbenen Augen und Mund geschlossen. Er wurde gewaschen, in Leinentücher gehüllt auf eine Bahre gelegt und damit zu dem meist außerhalb der Ansiedlung gelegenen Begräbnisplatz getragen, um dort beerdigt oder verbrannt zu werden. Dabei wurde in südlichen Ländern oder bei großer Hitze der Tote im Allgemeinen schon am Tag seines Ablebens beerdigt. Lediglich Verstorbene, die einem bestimmten Stand angehörten, wurden bis zu drei Tage in ihrem Wohnhaus aufgebahrt. In jenen Gegenden, in denen der Verwesungsprozess langsamer vor sich ging, wurde ein Toter meist bis zum nächsten Tag aufgebahrt.

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Werk der Barmherzigkeit
Aufbahren bedeutete ursprünglich auf eine Totenbahre legen. Erst als die Begräbnisfeierlichkeiten der Selbstdarstellung einer hervorragenden Persönlichkeit dienten, verstand man unter Aufbahrung die feierliche Schaustellung des Leichnams. Schon in vorchristlicher Zeit galt es als schimpflich, nicht bestattet zu werden, und das Alte Testament räumte sogar Verbrechern und Feinden das Recht auf ein Begräbnis ein. Doch erst mit dem Aufkommen des Christentums wird das Bestatten der Toten ein Werk der Barmherzigkeit.

Erste Totenhütten entstehen
Während des Mittelalters und darüber hinaus war die Beerdigung überwiegend eine kirchliche Handlung, bei der der Verstorbene im Sterbehaus aufgebahrt und anschließend unter Glockengeläute zur Pfarrkirche übertragen und nach der Totenmesse im Kirchhof bestattet wurde. Oft wurde der Leichnam im Familienhaus aufgebahrt. Für die ärmeren Bevölkerungsschichten in den Wiener Vorstädten, in denen öfters zwei Familien gemeinsam einen Raum bewohnten, stand oft nur ein Raum zur Verfügung, der mit dem Verstorbenen bis 48 Stunden geteilt werden musste. 1756 wurde angeordnet, auf den Gottesäckern offene Totenhütten zu errichten, in denen die Verstorbenen für die bis zur Beerdigung vorgeschriebene Zeit beigesetzt werden sollten.

Im Jahr 1771 sah ein Hofdekret die Abstellung der Toten in einer bei jeder Kirche herzustellenden Totenkammer vor, um den durch das längere Liegen der Körper in den Häusern entstehenden Gestank hintanzuhalten. Die schlechte Beschaffenheit sowohl der auf den Friedhöfen als auch der bei den Pfarrkirchen bestehenden Leichenkammern veranlasste die niederösterreichische Regierung im September 1796, für die fünf außerhalb des Linienwalles gelegenen Wiener Friedhöfe neue Bau-, Einrichtungs- und Betriebsvorschriften zu erlassen, die 1797 auch für die bei den Pfarren zu errichtenden Totenkammern angeordnet wurden.

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Die schöne Leich
Im Allgemeinen wurde bei den Trauerfeiern, die das Wiener Bürgertum für seine Verstorbenen veranstaltete, kein besonderer Pomp entfaltet. Erst seit dem Aufkommen der gewerblichen Unternehmen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Leichenbegängnis für wohlhabende Bürger zu einem Schauspiel, für das die Begräbnisfeierlichkeiten des Hofes in der Barockzeit als Vorbild dienten. Die öffentliche Zurschaustellung des Toten, die Totenfeiern und schließlich der Trauerzug von der Hofburg zur Kapuzinerkirche waren Mittel dynastischer Repräsentation und sollten der Öffentlichkeit die Macht und Herrlichkeit des Verstorbenen vor Augen führen.

Bei der von den großen Wiener Leichenbestattungsunternehmen angebotenen Aufbahrung in der Prachtklasse ruhte der Verstorbene in einem Prachtsarg unter einem Baldachin, bei dem zu beiden Seiten zwei silberne Engel mit Opferschalen standen, in denen färbige Flammen brannten. Der Wiener Begriff einer „schönen Leich’“ war geboren. Im Gegensatz dazu sah das Leistungsangebot für die sechste Klasse lediglich eine Aufbahrung des Verstorbenen unter dem Haustor vor.

Aufbahrung am Friedhof
Obwohl im Wiener Zentralfriedhof ab 1906 eine Leichenhalle zur Verfügung stand, war es nach wie vor üblich, den Verstorbenen bis zur Bestattung im Sterbehaus zu belassen. Erst als während des Ersten Weltkrieges die zur Bespannung der Leichenwagen benötigten Pferde nicht mehr im ausreichenden Maß zur Verfügung standen, legte man der Wiener Bevölkerung nahe, die Verstorbenen in den Friedhofshallen aufzubahren, die in den folgenden Jahrzehnten auch den Anforderungen entsprechend umgestaltet wurden. Die durch den Zweiten Weltkrieg bedingten Einschränkungen bewirkten einen allmählichen Wandel in den Aufbahrungsgewohnheiten, dennoch war in Wien noch bis 1943 unter bestimmten Voraussetzungen die Aufbahrung eines Verstorbenen im Wohnhaus möglich. 1945 wurden Wohnhausaufbahrungen aus sanitären Gründen untersagt.

Die Verlagerung der Trauerfeiern auf die Friedhöfe erforderte eine der kirchlichen Ordnung entsprechende bauliche Umgestaltung der Friedhofshallen. Der Verstorbene wurde in einem Raum aufgebahrt und zu dem mit den Angehörigen festgelegten Zeitpunkt in Begleitung des Amtsträgers der Kirche in die Einsegnungskapelle zur Abhaltung der Trauerfeier und anschließend zur Grabstelle getragen. In den Jahren nach 1955 wurden die Aufbahrungsräume mit Stirnwandaltären ausgestattet und der Ablauf des christlichen Begräbnisses auf zwei Stationen, Aufbahrungsraum und Grabstelle beschränkt.

Quelle: Bestattung Wien