Gras ist eine Steppenpflanze“, bringt Alexander Richter, Geschäftsführer von Richter Rasen, auf den Punkt, was es über Rasen zu sagen gibt. Die Vorfahren der heutigen Rasenarten waren Gräser auf Standorten, wo Trockenheit und Beweidung das Aufkommen von Wald verhindert haben: Huteweiden, die ungarische Puszta oder die nordamerikanische Prärie. Daran kann man sich orientieren, wenn es um die Anlage und Pflege von Rasenflächen geht. Was wir am Rasen schätzen – eine dichte, trittfeste Grasnarbe – ist das Ergebnis einer Selektion, die auf den Weideflächen stattfand. Das Vieh hielt das Gras kurz, dadurch wurden stressresistente, Ausläufer bildende Pflanzen begünstigt.
Fußball und Golf
Die kommerzielle Rasenproduktion begann Ende des 19. Jahrhunderts. Die hohen Ansprüche an Fußball- und Golfrasen und die wirtschaftliche Kraft, die dahinter steht, förderten die Entwicklung hoch spezialisierter Produkte. Ein Begleit-produkt der Rasenforschung sind hochwertige Fertigrasen für Hausgärten und öffentliche Flächen. Bei der Entwicklung neuer Rasenprodukte für den Garten- und Landschaftsbau zeichnen sich zwei Trends ab: Der besonders pflegeleichte Rasen und der Rasen für schattige Flächen.
Pflegeleichter Rasen
Fertigrasen erobert auch im Hausgarten immer größere Marktanteile. Der entscheidende Faktor ist die Zeit. So wie ein Fertigteilhaus quasi über Nacht errichtet werden kann, sollen auch der Garten und der Rasen möglichst sofort benutzbar und vor allem optisch ansprechend sein. Darüber hinaus soll sich die laufende Pflege auf ein Minimum beschränken.
Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bei öffentlichen und halböffentlichen Flächen. Immer weniger Personal ist für Wartung und Pflege der Anlagen zuständig. Dem Wunsch nach pflegeleichten Arten kommen Rasenproduzenten mit neuen Entwicklungen entgegen.
Richter Rasen aus Deutsch Brodersdorf bietet mit Holiday Rasen einen extrem langsamwüchsigen Rasen an, der vor allem für die Begrünung von Dachgärten, extensiven Grünflächen, aber auch für Golfplätze geeignet ist. Die dominierende Art ist die zarte Kammschmiele Koeleria macrantha – eine Art, die sich unter anderem in pannonischen Trockenrasen findet. Der Rasen hat einen geringen Wasser- und Nährstoffbedarf, er muss kaum bewässert und nur einmal im Monat gemäht werden. Die speziellen Qualitäten von Koeleria macrantha bedingen eine wesentlich längere Anzuchtphase als bei herkömmlichem Gebrauchsrasen.
Für Gebrauchsflächen ist Holiday Rasen weniger geeignet. Er regeneriert sehr schlecht und schließt Lücken nur langsam. Als pflegeleichtes Produkt für den Hausgarten bietet Richter Rasen deshalb einen strapazierfähigen Trockenrasen mit hohem Festuca-Anteil an, der auch in den mediterranen Raum geliefert wird. Zehetbauer Fertigrasen aus Matzneusiedel im Marchfeld hat als pflegefreie Alternative zu Trockenrasen Sedumsprossen für die extensive Begrünung im Programm. Teilweise gemischt mit Kräutern für Trockenstandorte eignen sie sich für Gründächer aber auch für Verkehrsinseln, Kreisverkehre und andere schwer zugängliche Flächen.
Licht und Schatten
Rasen sind Pflanzengesellschaften für sonnige Standorte. Im Schatten zeigen Rasen meist einen geringen Bodendeckungsgrad und bestehen aus schwach ausgebildeten Einzelpflanzen.
Seit einigen Jahren werden auch Rasenmischungen für beschattete Flächen entwickelt, die mit 25 bis 50 % des Lichtangebots für herkömmliche Rasen auskommen. Hauptbestandteil der Rasenmischungen sind Sortenzüchtungen der Lägerrispe Poa supina. Diese Art kommt in alpinen Läger- und Trittrasen vor und findet sich vor allem in der gut gedüngten Umgebung von Ställen. Sie gilt als schattenverträglichste Gräserart, bildet aber im Vollschatten keine zusammenhängende Rasennarbe aus. Poa supina ist strapazierfähig und wird auch für Sportrasen verwendet.
Schattenrasen sind pflegeintensiver als herkömmliche Rasen, da die Lägerrispe auf höhere Dünger- und Wassergaben angewiesen ist.
Grün ist nicht gleich grün
Die optische Qualität eines Rasens drückt sich in der Dichte der Grasnarbe und in seiner Farbe aus. Letztere ist aber auch Geschmackssache und unterliegt modischen Gewohnheiten. In den USA – wo dem gepflegten Grün im Vorgarten geradezu der Status eines nationalen Symbols zukommt – gibt man einem petrolartigen Grün den Vorzug. Das liegt an der dominierenden Wiesenrispe Poa pratensis, dem „Kentucky Bluegrass“. Ein Nachteil dieses dunklen Rasens ist, dass sich hellere Nebengräser auffallend bemerkbar machen.
In Mitteleuropa gilt ein saftiges Mittel- bis Dunkelgrün als Zeichen für einen gesunden Qualitätsrasen. Eine Ausnahme ist der Schattenrasen, der durch die Lägerrispe hell grüngelb gefärbt ist. Dieser Farbaspekt ist bei der Verlegung von Schattenrasen zu berücksichtigen: Wird er neben Spiel- und Strapazierrasen verlegt, fällt der Farbunterschied ins Auge, die Rasenfläche wird zum grünen Patchwork.
Qualitätssaatgut
Rasenkauf ist Vertrauenssache, meint Reinhard Zehetbauer, Geschäftsführer von Zehetbauer Rasen. In billigen Rasenmischungen gewinnt das schnell keimende Weidelgras Lolium perenne an Bedeutung, zu Ungunsten der Wiesenrispe Poa pratensis. Der Rasen entwickelt sich schneller, damit verbunden sind allerdings ein höherer Pflegeaufwand und oft eine geringere Robustheit des Rasens. Die Wiesenrispe entwickelt sich langsamer und das Saatgut ist doppelt so teuer wie das des Weidelgrases. In billigen Mischungen ist die Wiesenrispe oft gar nicht enthalten. Sie ist jedoch entscheidend für die Scherfestigkeit und Strapazierfähigkeit des Rasens, da sie starke Ausläufer bildet und tief wurzelt.
„Wir verbessern unsere Sortenmischungen ständig. Seit 15 Jahren machen wir Sortenversuche in unserem Betrieb. Zum Teil gemeinsam mit österreichischen Saatgutproduzenten“, sagt Zehetbauer. Bei der Entwicklung neuer Sortenmischungen wird Wert gelegt auf die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten, auf Farbe und Blattbreite, auf das Zusammenspiel der Sorten in punkto Wuchsverträglichkeit und Farbe und darauf, wie schnell es im Frühjahr ergrünt.
Mit und ohne Substrat
Eine Entwicklung von Zehetbauer Rasen ist der erdfreie Rasen. Sein Vorteil liegt darin, dass kein mitgeliefertes Substrat den Aufbau der (idealerweise) gut aufeinander abgestimmten Schichten des Unterbodens stört. Damit soll Staunässe von vornherein verhindert werden.
Richter Rasen kultiviert seine Rasen auf gut durchlässigem Quarzsandboden. Der Rasen wird 15 bis 18 Monate lang verschult, Sportrasen sogar zwei Jahre lang. Durch den sparsamen Umgang mit Dünger und Bewässerung wird das Gras winterhärter und widerstandsfähiger. „Die einzelnen Pflanzen können sich gut entwickeln und werden strapazierfähiger, im Unterschied zu schnell geschulten, mit Wasser und Dünger rasch hochgepäppelten Rasen. Gras soll strapaziert werden, man muss nur auf die Pflanze eingehen und schauen, wie sie reagiert“, erklärt Richter. Geliefert werde der Rasen auf 1,5 cm Quarzsandsubstrat, in dem sich die Wurzel gut entfalten kann und Staunässe an der Oberfläche verhindert. Rasen für Fußballstadien – wie er für das Ernst-Happel-Stadion geliefert wurde – werden mit bis zu 3,5 cm starkem Quarzsandsubstrat verlegt. Der fertige Rasen sei sofort bespielbar und besonders scherfest, so Richter.
Anlage und Pflege
Ein gut vorbereiteter Untergrund ist entscheidend bei der Anlage neuer Rasenflächen. Das ideale Substrat ist eine Unterlage aus gut durchlüftetem Quarzsand. Wenn die Böden zu fett sind, sollte Quarzsand zugemischt werden. Man kann gar nicht zu viel des Guten tun: Wird zu wenig Sand zugesetzt, hat man unter Umständen den gegenteiligen Effekt.
Als Dünger hat sich handelsüblicher Langzeitdünger bewährt. Von wasserlöslichem Dünger rät Zehetbauer ab: Der Stickstoff wird von der Pflanze innerhalb kurzer Zeit aufgenommen, was zu üppigem Wachstum zu Beginn führt, durch das die Pflanze geschwächt wird. Danach tritt bis zur nächsten Düngung Nährstoffmangel ein. Zu häufiges Gießen sollte vermieden werden. Tägliche Wassergaben machen den Boden nach oben
hin feucht und lassen ihn unten trocken. Die Wurzeln der Gräser bleiben an der Oberfläche und der Rasen ist nicht mehr so trockenresistent. Zu viel Wasser begünstigt überdies das Ausbreiten der einjährigen Rispe Poa annua. Sie zeichnet sich durch ihre helle, fast gelbe Farbe auffällig im Rasen ab und führt zu einem unregelmäßigen Erscheinungsbild. Eine dichte, regelmäßige Grasnarbe kann sich am besten herausbilden, wenn man auf die Ökologie der ursprünglichen Steppenpflanzen eingeht: Nicht zu viel Wasser, keine Staunässe, mäßige Düngung und vor allem ein regelmäßiges Kurzhalten der Gräser.