Zweck eines jeden Weges ist die möglichst direkte Verbindung zweier Punkte in der Landschaft. In der Gartengestaltung übernehmen Wege Funktionen, die mit diesem Prinzip in Konflikt kommen. Gartenwege verbinden nicht nur einzelne Nutzungseinheiten eines Gartens miteinander. Sie trennen und gliedern unterschiedliche Bereiche und sind Gestaltungselemente, die das Erscheinungsbild des Gartens prägen.
Der mittelalterliche Klostergarten wird durch Wege in streng geometrische Einheiten geteilt, ähnlich wie später die Gärten des Barock, wo Wege die Funktion von Gartenachsen übernehmen. Im chinesischen und im englischen Landschaftsgarten sind Wege der Szenerie untergeordnet.
Der Gartengestalter John Eck vergleicht sie mit der Handlung eines Romans: Die Wege geleiten den Betrachter durch den Garten, lenken seine Erfahrung und zeigen ihm nacheinander einzelne „Episoden“. Sie geben der Erfahrung des Gartens Form und Struktur.
Auch für Gartenwege gilt, dass sie möglichst schnell und bequem von hier nach dort führen sollen. Gleichgültig, ob es sich um einen formellen oder einen informellen Garten handelt, leiten sich daraus zwei Prinzipien für die Wegeführung ab:
1. Jeder Weg braucht ein Ziel
2. Jedes Abweichen von der direkten Linie muss begründet sein
Ein Weg, der weithin sichtbar im Nichts oder vor einer glatten Wand endet, ist frustrierend. Ebenso ein Weg, der auf ein Ziel hinstrebt, dieses aber ohne Notwendigkeit in gewundenen Arabesken tut, sich – wie Hermann Fürst von Pückler-Muskau in seinen „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei“ schreibt – „wie eine auf den Stock gezogene Schlange“ fortwährend dreht. In informellen Gärten ergeben sich die typisch geschwungenen Linien der Wege aus der Notwendigkeit, Hindernissen auszuweichen, seien dies Baumgruppen oder Geländeunebenheiten.
Dass diese Hindernisse vom Gestalter absichtlich hingestellt wurden, um eben eine sanfte Wegbiegung zu ermöglichen, soll der fertigen Anlage nicht anzusehen sein. Auch Richtungsänderungen müssen motiviert sein. So kann ein Weg auf eine Gartenbank zuführen, danach um 90 Grad schwenken, um das nächste Ziel – etwa einer Skulptur oder einem Brunnen – anzustreben. Meisterhaft verwirklicht ist diese Kunst der Wegeführung in den japanischen Gärten des 17. bis 19. Jahrhunderts.
Formell – informell. Die grundsätzliche Entscheidung für eine formelle oder eine informelle Gartengestaltung ist für die Wegeführung entscheidend. Im formellen Garten ist die Raumordnung deutlich wichtiger als die Funktion. Wege werden als gliedernde Elemente innerhalb einer einheitlichen Komposition wahrgenommen. Im informellen Garten steht die Abwechslung, das Unvorhersehbare im Vordergrund – ein Wechselspiel von Harmonie und Spannung. Die Veränderung des Gartens im Lauf der Tages- und Jahreszeiten wird in die Komposition miteinbezogen.
Im formalen Garten sind die Wege geometrisch exakt, ihre Kanten müssen scharf erkennbar sein. Dies spiegelt auch die Wahl des Wegmaterials und die Bepflanzung der Wegränder wider. Im organisch gestalteten Garten können Wege ausfransen, die Vegetation kann über die Wegkanten wuchern.
Das Material der Wegdecke ist unregelmäßig bis uneinheitlich. Wichtig ist es, die verschiedenen Stile nicht zu mischen, also Wege und Plätze nach dem gleichen Ordnungsprinzip zu gestalten.
Funktion. Bei der Planung des Wegesystems müssen Gestalt, Form und Farbe der Wege der Funktion des Gartens folgen. Wege sind keine „Highlights“ des Gartens, sondern den übrigen Gestaltungselementen untergeordnet. Vor allem in kleinen Gärten sollten Wege am Rand geführt werden, um die Fläche in der Mitte nicht zu zerschneiden. Davon ausgenommen sind streng formelle Gärten, in denen der Weg die Gliederung betont.
Innerhalb des Wegenetzes gibt es eine Hierarchie, die sich in der Wegbreite, aber auch in der Wahl des Wegmaterials niederschlägt. Die Ausführung hängt davon ab, wie oft der Weg benützt wird, von wie vielen Leuten gleichzeitig und ob er auch mit Transportmitteln (Scheibtruhe, Kinderwagen) befahren wird. Untergeordnete Wege, etwa im Gemüsegarten, kommen mit einer Breite von 40 bis 50 cm aus.
Eine Breite von 60 bis 80 cm ermöglicht bequemes Gehen und das Benützen einer Scheibtruhe. Sollen zwei Personen nebeneinander Platz haben, muss der Weg 120 bis 150 cm breit sein. Noch breitere Wege sind nur dann sinnvoll, wenn der Weg deutlich repräsentative Funktion hat, etwa im Vorgarten als Platz, auf dem Leute empfangen und verabschiedet werden.
Linien spielen für die Wahrnehmung von Bewegung und Richtung eine besondere Rolle. Wege als lineare Gestaltungselemente lenken den Blick und können dadurch bestimmte Merkmale des Gartens hervorheben oder abschwächen. Wege, die am Rand einer größeren offenen Fläche geführt werden, rahmen diese ein und heben sie dadurch hervor. Die Wirkung kann durch die Gestaltung des Weges und vor allem der Wegränder betont oder zurückgenommen werden. Unscharfe oder fließende Übergänge schwächen den Kontrast ab.
Wege aus Trittsteinen werden weniger stark als gliedernde oder lenkende Elemente wahrgenommen als gepflasterte Wege, deren Ränder durch andersfarbiges Pflaster markiert sind.
Wege, die auf sichtbares Ziel hinsteuern, wirken länger als Wege, deren Ziel hinter einer Biegung verborgen bleibt. Eine optische Verlängerung lässt sich auch durch einen einfachen perspektivischen Trick erzeugen, indem sich die Wegbreite nach hinten hin verjüngt. Vice versa erzielt man den gegenteiligen Effekt einer Verkürzung durch eine kontinuierlich Verbreiterung des Weges nach hinten zu.
Grenzsituationen sind immer faszinierend und ziehen den Blick auf sich. Wege, die entlang von Grenzen verlaufen, betonen den Kontrast der aufeinander treffenden Flächen, sie gliedern und wirken interessant.
Eine streng vorgegebene Wegführung drängt den Nutzer in eine untergeordnete Rolle. Lässt man ihm mehrere Wahlmöglichkeiten, fühlt er sich „freier“. Die Entscheidungspunkte – Wegkreuzungen und Gabelungen – sind herausragende Stellen des Wegenetzes und sollten durch Pflasterwahl oder Verlegeart hervorgehoben werden.
Wegebelag. Obwohl es gepflasterte Wege seit etwa viereinhalb Jahrtausenden gibt, bestanden Gartenwege Jahrhunderte hindurch aus wassergebundenen Decken. Heute gibt es ein schier unüberblickbares Angebot von Beton- und Natursteinpflastern, Platten und Klinkersteinen. Bei der Auswahl des Materials spielt seine Belastbarkeit eine untergeordnete Rolle, Griffigkeit (insbesondere bei Regen), Pflegebedarf und Haptik schon eher, vor allem aber ist der optische Eindruck, also Farbe, Form und Oberfläche, entscheidend.
Die Wahl des richtigen Materials solle stets einen Bezug zum Raum haben: Der Stil der Wege sollte zum Haus und zur Region passen. Wie weit dabei der Bezugsrahmen gezogen wird, ist unterschiedlich. In vorindustrieller Zeit, als wegen der hohen Transportkosten fast ausschließlich regionale Werkstoffe verwendet werden konnten, ergab sich dieser Bezug automatisch. Derselbe Stein aus dem lokalen Steinbruch wurde für den Bau von Mauern, für das Pflastern der Straßen und als Wegmaterial verwendet. War kein Stein vorhanden, übernahmen gebrannte Ziegel seine Funktion.
Bezug zum Raum bedeutet nicht unbedingt, dass ausschließlich die traditionelle Pflasterkultur aufgegriffen werden sollte. Vielmehr sollte Farbe, Größe und Form der Pflasterungen auf das Haus und die Landschaft abgestimmt sein. Großzügige moderne Architektur lässt sich nur in Ausnahmefällen mit Kleinpflaster passend kombinieren; grelle Farben passen nicht in ein eher rustikales Ambiente.
Generell ist es ratsam, mit gedeckten Farben zu arbeiten und helle Flächen und Komplementärkontraste zu vermeiden. Die horizontalen Flächen der Wege und Plätze sollen sich den vertikalen Gartenelementen unterordnen und sich nicht in den Vordergrund drängen. Gepflasterte Flächen signalisieren Dauerhaftigkeit, zu verspielte Varianten sind zwar kurzfristige Blickfänger, wirken aber auf Jahre hinweg ermüdend.
Nicht jeder Garten braucht Gartenwege. Gerade in kleinen Gärten wirken zu viele Pfade unruhig, vom Flächenverbrauch ganz zu schweigen. Hier bietet es sich an, die Wege zu einer einzelnen, größeren Pflasterfläche zusammenzufassen, von der aus die einzelnen Nutzungsbereiche mit ein paar Schritten zu erreichen sind. Auf der anderen Seite lassen sich wenig begangene Wege auch optisch zurücknehmen und als Rasenweg oder mit einzelnen Trittsteinen gestalten.
Nicht nur die Nutzung der Wege bestimmt die Ausführung. Auch umgekehrt beeinflusst die Weggestaltung die Nutzung. Breite Flächen mit einheitlichem Bodenbelag werden rasch durchschritten. Unregelmäßiges Pflaster und Trittsteine halten den Nutzer dazu an, langsamer zu gehen und seine Konzentration eher dem Boden zuzuwenden. Im japanischen Kaiyushiki oder Wandelgarten ist diese Kunst der Wegführung und Materialwahl zur Perfektion gereift.