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Das Moos des Jahres ist das Sparrige Kleingabelzahnmoos. In Deutschland gilt es als gefährdet. © Michael Lüth/senckenberg

Moos und Flechte des Jahres

Zähe Leimflechte und Sparriges Kleingabelzahnmoos

Ein Artikel von Alexandra Pickner (bearbeitet) | 19.01.2022 - 12:12
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Bei der Standortsuche ist die Zähe Leimflechte nicht wählerisch. © W. v. Brackel/senckenberg

Die Flechte des Jahres 2022 ist die Zähe Leimflechte (Enchylium tenax). Sie ist eine schwärzlich gefärbte Gallertflechtenart und bildet kleine Lager von wenigen Zentimetern Größe aus, die bei feuchter Witterung stark aufquellen. An offenen Stellen mit sandig-humosen bis tonig-lehmigen, basenreichen Böden oder in erdgefüllten Felsspalten sowie an Wegrändern, Deichen, aber auch an Mauern und in Pflasterfugen ist die Pionierflechte zu finden.
Das Moos des Jahres ist das Sparrige Kleingabelzahnmoos (Diobelonella palustris) Es tritt in einen bis zehn Zentimeter großen, weichen, gelbgrünen Rasen auf. Als „gefährdet“ wird das Moos in Deutschland eingestuft. Die Entwässerung von Mooren und die Einfassung von Quellen sowie Verbuschung und Bewaldung von Wiesenmooren ist der Grund für die Gefährdung.

Dr. Christian Printzen vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt erklärt: „Biologisch unterscheiden sich die beiden Arten des Jahres stark. Da ist zunächst mal ihre systematische Stellung: Flechten sind Pilze, Moose sind Pflanzen. Hinzu kommen Unterschiede in der Verbreitung und Häufigkeit. Die Flechte ist weltweit verbreitet und kommt auch in Deutschland häufig vor, wird aber oft übersehen. Das Moos ist auf hoch gelegene Quellfluren oder Bachränder beschränkt und wird selbst in seinen Kerngebieten in den Alpen und den höheren Mittelgebirgen immer seltener. Was die beiden verbindet, ist eine kuriose Geschichte verwirrender Namensänderungen!“.

Schon 1784 wurde die Zähe Leimflechte unter dem Namen Lichen tenax erstmals beschrieben - ein weiteres Mal 1797 als Lichen pulposus. Seit 1810 wurde sie rund 200 Jahre als Collema tenax bezeichnet. 2013 stellte sich im Zuge einer molekulargenetischen Untersuchung heraus, dass die Art nicht zu Collema gehört, sondern in eine „neue“ Gattung überführt werden musste, für die allerdings der bereits 1821 in Umlauf gebrachte Name Enchylium zur Verfügung stand.

Moos des Jahres

Ähnlich erging es dem Kleingabelzahnmoos. 1801 wurde die Art als Bryum palustre beschrieben, zwei Jahre später dann als Dicranum squarrosum. 1873 wurde sie in die Gattung Diobelon eingegliedert, 1915 zu Anisothecium und 1962 zu Dicranella. 1999 zeigten erste genetische Untersuchungen, dass die Art näher der Gattung Dichodontium steht. 2003 landete sie aufgrund von anatomischen Unterschiedlich schließlich in der Gattung Diobelonella, was sich durch neue genetische Untersuchungen erst dieses Jahr bestätigen ließ.

Die biologische Nomenklatur soll für Kontinuität sorgen. Die Kenntnisse zur Abgrenzung ähnlicher Arten verbessern sich fortwährend und der aus Gattung und Artzusatz gebildete Name soll die Verwandtschaftsverhältnisse abbilden. Darunter leidet hin und wieder die Stabilität der Benennung. Das ist zwar ein wenig mühsam, aber Artenkenner können auch mit älteren Namen etwas anfangen. 
Auch wenn in den vergangenen Jahren ökologische Themen (Umweltbelastung, Klimawandel) Grundlage für die Wahl der Arten des Jahres waren, so wollte man in diesem Jahr auf die zeitliche Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse hinweisen.


Quelle: Senckenberg