SIDESTREAMS NUTZEN   

Insekten verwerten organischen Abfall

Ein Artikel von Renate Stoiber (bearbeitet) | 20.01.2021 - 11:28

Wenn auch noch kein alltäglicher Anblick, sind verpackte, getrocknete oder frittierte Insekten trotzdem keine Seltenheit mehr. Mit der Leitlinie für gezüchtete Insekten als Lebensmittel ist seit Anfang 2017 auch in Österreich eine Orientierungshilfe für Züchtung und Inverkehrbringen sowie die Lebensmittelsicherheit von Insekten als Nahrung vorhanden. Wie auch in der Schweiz (ebenfalls 2017) sind Heuschrecken, Grillen und Mehlwürmer offiziell zum Verzehr zugelassen.

Erstaunliche Futterverwerter zur Reduktion von Abfall

In der Schweiz züchtet z. B. die Ensectable AG Mehlwürmer und verwendet dafür sogenannte Sidestreams, das sind Futtermittel, die für die menschliche Ernährung nicht oder nur in geringem Umfang vewendbar sind. Als Grundsubstrat dient Weizenkleie und andere Nebenprodukte aus Müllereien, dazu kommen Biertreber und unverkäufliche Karotten oder Salat. Und da zeigt sich eine weitere Einsatzmöglichkeit von Insekten, die Abfallverwertung.

Neben Gemüseabfall könnten Mehlwürmer auch Nebenprodukte aus der Soja-Verarbeitung, organische Reste aus der Gastronomie oder sogar Mist verwerten. Eine Studie hätte sogar gezeigt, dass Mehlwürmer sich von Styropor ernähren könnten, sagt Timothée Olivier, Sprecher des Verbands Swiss Insects. Und dabei sind Insekten auch erstaunlich effiziente Futterverwerter, optimistische Szenarien gehen davon aus, dass Werte von 2:1 möglich wären, das bedeutet zwei Kilo Futter ergeben ein Kilo Insekten (Schweine ca. 2,7:1). Das könnte ein Hinweis sein, dass Insekten bald einen wesentlichen Teil bei Abfallproblemen lösen könnten, aber nur wenn es gelingt, den Markt für Futterinsekten und essbare Insekten auszubauen und zu etablieren. Ausserdem müsste auch eine grundlegende Reduktion des Abfalls erfolgen.

Aus Abfall Nahrung gewinnen?

Das bedeutet aber nicht, dass Insekten, die Abfall verwerten, dann als Lebensmittel in den Verkauf gelangen. Sowohl in der Schweiz als auch in Österreich liegen hier starke Regelungen vor. Die Lebensmittelgesetzgebung regelt genau, was als Futtermittel in der Produktion dienen darf und wie die Aufzucht der Insekten erfolgt:

„Räumliche Bedingungen und Produktionshygiene in der Aufzucht werden so gestaltet, dass ein Schutz vor Schadorganismen gewährleistet ist und auch gezüchtete Insekten nicht ins Freie gelangen können. Es soll eine artenreine Zucht gewährleistet werden. Werden im selben Betrieb Insekten auch für andere Zweckbestimmungen (keine Lebensmittel) gezüchtet, so kommt die vorliegende Leitliniezur Anwendung, sofern es keine räumliche Trennung der Produktionslinien gibt. Zur Lebensmittelgewinnung gezüchtete Insekten werden nur mit für die Nutztierfütterung geeigneten Futtermitteln gefüttert. Die Bestimmung der Futtermittelhygiene-VO werden eingehalten. Speiseabfälle und tierisches Eiweiß werden nicht verfüttert.“ (Zitat aus der Leitlinie)

Die Doppelnutzung der Insekten sollte laut Olivier aber in Zukunft trotzdem Thema bleiben, denn sie sind genetisch weiter vom Menschen entfernt, viel weiter als Rinder und Schweine. Es sei möglich, dass solche Mischnutzungen unter Auflagen möglich werden könnten. Durch die Fütterung mit Gemüse, das nicht der Norm entspricht tragen die Würmer bei Ensectable bereits jetzt etwas zur Verringerung von Food Waste bei. Grundsätzlich sei die Insektenzucht auch für agrarische Betriebe denkbar, die so unverkauftes Gemüse oder andere Sidestreams beseitigen und verwerten könnten. So können organische Abfälle in nährstoffreiche Lebensmittel umgewandelt werden. 

Novel Food

Insekten gelten grundsätzlich als neuartige Lebensmittel (Novel Food) – sowohl als ganze Tiere als auch Teile von ihnen. Noch sind sie nicht in die Unionsliste zugelassener neuartige Lebensmittel aufgenommen, durch die kürzlich erfolgte Entscheidung der EFSA zur Eignung von Mehlwürmern für den menschlichen Verzehr zeigt sich aber eine Entwicklung in diese Richtung.

In Österreich sind Insekten im Ganzen (nicht vermahlen oder zerkleinert), die bereits vor dem Anwendungsbeginn der EU-Novel-Food-Verordnung (1. Jänner 2018) in Verkehr kamen, geduldet. Voraussetzung ist, dass sie als Insekten erkennbar bleiben.


Quellen: LID, Österreich isst informiert, APA-OTS/Ynsect