16-04-06_Mikroalgen_037_Untermann.jpg
Forschung

Verpackung aus Algen und Seegras

Ein Artikel von Alexandra Pickner (bearbeitet) | 02.11.2020 - 13:14

In der Industrie dienen Algen schon länger als Rohstoffquelle für Stabilisatoren oder als Verdickungsmittel. Forscher des geförderten Projekts BIOCARB-4-FOOD suchen nun nach nachhaltigeren Verpackungen, die über die notwendigen mechanischen und chemischen Eigenschaften verfügen. Algen und Meerespflanzen haben nicht nur interessante Verbindungen, sondern sind auch im Überfluss vorhanden, vermehren sich schnell und beeinträchtigen als alternative Biomassenquelle für Biokunststoffe nicht die Nahrungsmittelproduktion.

Die Algenindustrie erwirtschaftet schon heute einen Umsatz von rund 6,3 Mrd. Euro weltweit. Die besonderen physikalisch-chemischen und biologischen Eigenschaften von Algen und Seegras wecken ebenfalls die Interessen der Lebensmittel- und Pharmaindustrie. Algen und Seegräser bieten nähmlich als Kohlenhydratlieferant für Biokunststoffe großes Potenzial. Eine Teilaufgabe des Projekts ist es, neuartige Extrakte zu gewinnen, die als Lebensmittelzutaten, weit über den Einsatz als Gelier- oder Verdickungsmittel hinaus gehen.

Derzeit ist das Verfahren zur Kohlenhydratgewinnung aus Algen wenig erfolgreich, was die Verarbeitungszeit, aber auch den Wasser- und Energieverbrauch betrifft.
Die Hauptaufgabe des Projekts ist es daher neuartige, umweltfreundliche und effizientere Extraktionsmethoden wie Ultraschall, Mikrowellen und Enzyme zu erforschen und miteinander zu kombinieren, um den Prozess zu optimieren. Um auch die Ressourceneffizienz zu verbessern, sollen nach der Extraktion die verbleibende Biomasse, die immer noch reich an bioaktiven Verbindungen ist, zur Gewinnung von Kohlenhydraten und Fasern wie Zellulose und Nanozellulose genutzt werden. Dabei werden nicht nur bereits kommerziell genutzte Meeresalgen untersucht, sondern auch bislang wenig bis gar nicht verwendete Rohstoffe wie Seegras. Die entstandenen Produkte werden dann auf ihre Eigenschaften wie Struktur, Bioaktivität, Toxizität und technologische Verwendbarkeit untersucht und über eine Ökobilanz wird die Nachhaltigkeit der Verfahren geprüft. 

 
 

Vielversprechende Ergebnisse

Die bisherigen Projektergebnisse sind vielversprechend. Die Versuche mit Mittelmeer-Rotalgen (Gelidium sesquipedale) zeigen, dass die Agar-Gewinnung deutliche vereinfacht werden kann, wenn eine Heißwasserbehandlung mit Ultraschall kombiniert wird. So ist es möglich die Extraktionszeit im Vergleich zu herkömmlichen Methoden um das Vierfache zu verkürzen, ohne dass die Extraktionsbeute und die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Produkte wesentlich beeinträchtigt werden. Dadurch werden nicht nur Emissionen und Kosten gesenkt, sondern auch der ökologische Fußabdruck für die Agar-Produktion wird auf rund ein Fünftel gesenkt. 
Weniger gereinigte Agar-Extrakte aus der Mittelmeer-Rotalge weisen zusätzliche Funktionen, wie antioxidative und antimikrobielle Eigenschaften, die sie für verschiedenen Lebensmittelanwendungen interessant machen, auf. Kunststoff-Folien aus diesen Extrakten setzen bioaktive Substanzen frei und können so zur Lebensmittelkonservierung beitragen, indem sie das Verderben von Früchten verlangsamen. Diese Folien sind außerdem wesentlich widerstandsfähiger gegenüber Feuchtigkeiten als Folien, die mit hoch gereinigtem Agar hergestellt werden. 

Die Verwertungsmöglichkeit der Abfälle des im Mittelmeer heimischen Neptungrases (Posidonia oceanica) sind ebenfalls vielversprechend. Zum Leidwesen des Tourismus ist diese Pflanze massenhaft an Stränden zu finden. Ihre Inhaltsstoffe bieten aber großes Potential für biologisch abbaubare Verpackungen. Die Alge ist eine besonders gute Quelle für Lignozellulose mit deutlich besseren mechanischen Eigenschaften. Wird die Posidonia-Zellulose herkömmlichen Kunststoffen beigemengt, verbessern sich unterschiedliche wichtige Funktionen von Lebensmittelverpackungen, wie Gas- und Wasserdampfbarriere und thermische oder mechanische Eigenschaften. Die hohen antioxidative Kapazitäten der bioaktiven Substanzen im Neptungras lassen die Lebensmittel länger frisch bleiben. Ziel des Projekts ist es die Entwicklung von praktikablen Ansätzen zur Verwertung von Biomasse aus Meeresalgen und Seegräsern.


Quelle: Uni Hohenheim