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Die Marmorierte Baumwanze ist in Österreich nicht als Quarantäneschadorganismus gelistet © LFRabanedo/Shutterstock.com

Ernteschädlinge

Insekteneinwanderung durch Erderwärmung

Ein Artikel von Renate Stoiber (bearbeitet) | 26.11.2020 - 13:55

Zum Einen bedroht die Marmorierte Baumwanze den landwirtschaftlichen Anbau in Europa, zum anderen fällt sie im Winter in die Städte ein. Dort sucht sie auf Terrassen und in Wohnungen nach Überwinterungsmöglichkeiten, da sie unter zehn Grad Celsius inaktiv wird. Genau wie sie gibt es auch noch andere Schädlinge, die mit der Erderwärmung und der Globalisierung neue Lebensräume erobern. Olaf Zimmermann vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg in Baden-Württemberg beschäftigt sich mit den Spuren problematischer Einwanderer und hat dazu in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung Stellung genommen.

Wie konnte sich die Wanze ausbreiten?

Die Marmorierte Baumwanze (Halyomorpha halys) kommt ursprünglich aus Ostasien und wurde in Deutschland zum ersten Mal 2011 gesichtet, dieser Vertreter kam aus einem Chinagarten in Zürich über Konstanz an den Bodensee. 2015 kam es zu ersten Sichtungen in Dornbirn und Wien, 2016 zu häufigem Auftreten an Häusern in Wien wo sie nach Überwinterungsplätzen suchten.

Die Wanze ist polyphag, nutzt v.a. Obstkulturen aber auch Zierbäume und -sträucher oder Gemüsekulturen. Sie sticht mit dem Rüssel in Blätter sowie Früchte ein, es entstehen Flecken und Nekrosen, diese machen die Früchte für den Handel unbrauchbar. Befallene Pflanzenteile können auch absterben. Wird sie bedroht, stößt sie ein stinkendes Sekret aus, weshalb die Baumwanze auch als Stinkwanze bekannt ist.

Zimmermann spricht im Interview darüber, dass Europa von den Auswirkungen durch H. halys überrollt wurde, nach den Meldungen 2007 über große Ernteausfälle in Amerika, habe die Europäische Union die Art auf die Liste mit Alarmstufe gesetzt. Wenn eine solche Art gefunden wird, beginn sofort großangelegte Bekämpfungsmaßnahmen zu greifen. Nach fünf Jahren sei die Baumwanze unter der Annahme, dass sie sich in Europa nicht so stark ausbreite, aber wieder von der Liste genommen worden. Das war im Nachhinein gesehen ein Fehler, wie der Biologe feststellt, es folgten starke Schadwirkungen in mehreren Ländern.

Was tun?

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Eier und junge Larven von Halyomorpha halys © Mario Saccomano/Shutterstock.com

Nun sei die Bekämpfung der Wanze schwierig, es gebe keine zugelassenen Pflanzenschutzmittel, die den Bestand dezimieren können und als saugendes Insekt nimmt die Wanze nur wenige Giftstoffe auf. Wenn sie etwas aufnehme, dann bleibe es auch bei einem sogenannten „Knockdown-Effekt“ wie Zimmermann sagte: Die Wanze kippe um und laufe nach zwei Stunden wieder weiter.

Derzeit wird untersucht ob ein natürlicher Gegenspieler, die Samurai-Wespe, aus Asien nachgeholt werden sollte. Sie legt ihre Eier in die Eier der Wanze und dezimiert so die Nachkommenschaft. In Italien wurde der natürliche Gegenspieler ausgesetzt, in Deutschland gäbe es dazu Gespräche. Allerdings tauchte die Wespe im August erstmals in Deutschland auf, also könne es sein, dass die Natur das selbst regle.

Was kommt noch?

Im Raum Mailand ist der Japankäfer (Popillia japonica) bereits nicht mehr eingrenzbar, deshalb erwarte Zimmermann diesen in der kommenden Zeit auch weiter nördlich zu finden. Der Käfer könne einen gesamten Baum entlauben bzw. die Blüten von Rosenpflanzungen vernichten – ein großes Problem für Vorgärten und Parks. Bisher konnte sich die Art in Deutschland nicht etablieren.

Auch der Asiatische Eschenprachtkäfer (Agrilus planipennis) könnte in absehbarer Zeit zum Problem werden. In den USA kann man ihn bereits nicht mehr in den Griff bekommen und Bäume könne man nicht mit chemischem Pflanzenschutz schützen.

Die Dynamik der Zuwanderung neuer Arten nahm seit den 2000er Jahren stetig zu, durch Erderwärmung und globalen Handel eröffnet sich immer mehr Vertretern der Weg und die Etablierung in neuen Lebensräumen. Aber auch heimische Schädlinge wie der Junikäfer könnten sich besser vermehren, was immer mehr Problem für den Anbau mit sich bringt. Die Natur bewegt sich nach Norden, so Zimmermann. Das Naturbild werde ich in den kommenden Jahrzehnten stark verändern.

Mehr zu Schäden durch die Marmorierte Baumwanze in der Schweiz

Das gesamte Interview mit Olaf Zimmermann


Quelle: Süddeutsche Zeitung, AGES