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Das Pflanzen von Bäumen in abgeholzten Gebieten hat positive Auswirkungen, während es im natürlichen Grasland den Lebensraum von Pflanzen und Tieren gefährdet. © kram9/Shutterstock.com

Klimawandel

Potential Baumpflanzungen wird überbewertet

Ein Artikel von Red. | 13.11.2019 - 13:25

Durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe gelangt Kohlendioxid in die Atmosphäre und führt zu einer Erwärmung der Erde, einer Versauerung der Ozeane und einer Veränderung des Klimas. Einige Wissenschafter und Umwelt-Gruppen sehen im millionenfachen Anpflanzen von Bäumen eine Lösung für den Klimawandel, weil Bäume Kohlenstoff durch Photosynthese binden. Eine Gruppe von 46 Wissenschafter aus aller Welt, unter ihnen Prof. Dr. Vicky Temerton von der Leuphana Universität Lüneburg mahnen allerdings zur Vorsicht. Ein veröffentlichter Beitrag in der Fachzeitschrift Science zeigt, dass das Potenzial von Baumpflanzungen zur Eindämmung des Klimawandels drastisch überbewertet wird. Es wird gewarnt, das ein Anpflanzen von Bäumen an ungeeigneten Standorten, Ökosysteme stark beinträchtigen oder zerstören, die Intensität von Waldbränden erhöhen und die globale Erwärmung verstärken.

"Während das Pflan­zen von Bäumen in ab­ge­holz­ten Ge­bie­ten po­si­ti­ve Aus­wir­kun­gen ha­ben kann, zerstört es im natürli­chen Gras­land der Erde den Le­bens­raum von Pflan­zen und Tie­ren und wird außer­dem nicht genügend Koh­len­stoff bin­den, um die Emis­sio­nen fos­si­ler Brenn­stof­fe zu kom­pen­sie­ren." so Jo­seph Veld­man von der Te­xas A & M Uni­ver­si­ty

Die Autoren kritisieren mit ihrem Beitrag einen anderen, kürzlich in Science erschienen Artikel von Wissenschaftern der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich. Eine niederländische gemeinnützige Stiftung (DOB Ecology), eine Interessengruppe für das Pflanzen von Bäumen (Plant-for-the-Planet) und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanzierten die Forschungen. Behauptet wurde, dass weltweite Baumpflanzungen rund 205 Gigatonnen Kohlenstoff oder ein Drittel des Kohlendioxids, das seit der industriellen Revolution ausgestoßen wurde, kompensiert werden könnte.
Veld­man macht klar: „Da die geschätzte Kom­pen­sa­ti­on  von 205 Gi­ga­ton­nen Koh­len­stoff so hoch war, wur­de das Pflan­zen von Bäumen welt­weit als die bes­te Lösung für die Eindämmung des Kli­ma­wan­dels be­zeich­net. Wir wis­sen jetzt, dass die­se An­nah­me falsch war.“

Veldman und seine Co-Autoren kritisierten, dass die Schweizer Forschung schwerwiegende Mängel aufwies, die zu einer fünffachen Überschätzung des Potenzials neu gepflanzter Bäume für die Eindämmung des Klimawandels führten. Es wurde davon ausgegangen, dass Böden in Ökosystemen ohne Bäume keinen Kohlenstoff enthalten. Es wird aber in vielen Ökosystemen wie Savannen und Torfmooren mehr Kohlenstoff im Boden gebunden als in oberirdischen Vegetationen. Auch die Tatsache, dass Nadelwälder in gemäßigten kalten Klimazonen und Hochgebirgsregionen mehr Sonnenlicht absorbieren und mehr Wärme abgeben als baumlose Gebiert und so die globale Erwärmung eher zunimmt. Das Anpflanzen von Bäumen auf Wiesen und in Savannen, wie vom Schweizer Forscherteam vorgeschlagen, schädigt die Umwelt.

„Ur­al­te Wie­sen und Sa­van­nen ent­hal­ten eine im­men­se Ar­ten­viel­falt und er­brin­gen Dienst­leis­tun­gen für die Mensch­heit, wie z. B. Vieh­fut­ter und Grund­was­ser­neu­bil­dung. Wir befürch­ten, dass ein kurz­sich­ti­ger Fo­kus auf das Pflan­zen von Bäumen die An­pas­sungsfähig­keit der Men­schen an den Kli­ma­wan­del ver­rin­gert und gleich­zei­tig von den Bemühun­gen zur Er­hal­tung in­tak­ter Öko­sys­te­me und zur Re­du­zie­rung des Ver­brauchs fos­si­ler Brenn­stof­fe ab­lenkt.“ erklärt Veldman
Seine Co-Autorin Vicky Temperton von Leuphana fügt hinzu: „Eine öko­lo­gi­sche Sa­nie­rung könnte viel mehr zu natürli­chen Kli­malösun­gen bei­tra­gen, wenn wir uns nicht nur auf Wälder fo­kus­sie­ren, son­dern uns auch um Gras­land, Sa­van­nen, Busch­land und Torf­moo­re kümmern.“



Quelle: leuphana.de