Feuerbrand bei Hochstammbäumen

Ein Artikel von red. | 09.08.2005 - 17:24

Eine Quelle des Übels sind Hochstammbäume: Sie sind zwar ökologisch wertvoll, aber eben auch potenzielle Bakterienträger.

Der Feuerbrand wütet wieder in der Schweiz, der Befall war seit vier Jahren nicht mehr so stark. Das zeigen die Ergebnisse der Feuerbrandkontrolleure, die derzeit in vielen Gemeinden unterwegs sind. Gesamtschweizerisch sind bis jetzt 30.000 Niederstammbäume in Obstanlagen betroffen und rund 3.000 Hochstammbäume. Das heurige Wetter während der Blütezeit der Apfel- und Birnbäume – Ende April, Anfang Mai – war warm und feucht, ideal für die hoch ansteckende Bakterienkrankheit. Denn am häufigsten wird der Feuerbrand durch Bienen über die Blüten übertragen. Im Endstadium ist klar erkennbar, wenn ein Birnen- oder ein Apfelbaum vom Feuerbrand befallen ist: Die Äste sehen aus wie verbrannt. Doch bis dahin kann die Krankheit lange unbemerkt bleiben und sich trotzdem schon stark im Baum verbreitet haben.

Äste abschneiden ist heikel
Nicht zuletzt, weil der Feuerbrand nicht immer leicht erkennbar ist, ist er so gefährlich. "Wenn ein Obstbauer von außen an einem Ast Feuerbrandbefall sieht und den Ast dann zehn Zentimeter weiter hinten abschneidet, dann kann es sein, dass trotzdem schon Feuerbrand-Bakterien weiter hinten im Ast sind", sagt Eduard Holliger, Feuerbrandexperte bei der Forschungsanstalt Agroscope FAW in Wädenswil. "Die Baumschere ist dann schon infiziert, und wenn direkt beim nächsten Baum geschnitten wird, ist der Feuerbrand bereits übertragen."

Besser als der so genannte Rückschnitt sei es deshalb, die Äste von Hand zurückzureißen. So gebe es weniger Übertragungsmöglichkeiten und der Ast breche dann den Holzzellen entlang ab, die Zellen würden nicht geöffnet wie beim Schneiden. Jede Verletzung ist ein potenzielles Eingangstor für den Feuerbrand. Deshalb kann Hagel die Verbreitung des Feuerbrandes noch verstärken. Am sichersten sei es aber, befallene Bäume gleich zu roden, meint Holliger. Für die Bauern sei das zwar eine harte Maßnahme, dafür sei man sicher, dass von solchen Bäumen keine Gefahr mehr ausgehe.

Besonders stark vom Feuerbrand betroffen ist der Kanton St. Gallen. Dort sind bisher rund 17.000 Niederstämme infiziert, wie Andreas Schwarz, Leiter der kantonalen Pflanzenschutzstelle, sagt. Davon sollen 8.000 gerodet werden. Dazu kommen 2.600 befallene Hochstammbäume, hauptsächlich Birnbäume. Davon werden 1.500 gerodet. Der Feuerbrand-Befall ist denn auch in Gemeinden mit hohem Hochstamm-Anteil sehr hoch, etwa in Mörschwil, wo laut Schwarz die Situation besonders dramatisch ist. Dort werde man möglicherweise Birnhochstämme vorsorglich fällen müssen, um die Infektionsgefahr zu entschärfen. Weil man festgestellt habe, dass in über der Hälfte der Obstanlagen der Feuerbrand daselbst überwintert habe, seien aber auch von den Tafelobstbauern entsprechende Konsequenzen gefordert, sagt Schwarz. Hoch ist der Feuerbrand-Befall ebenfalls im Kanton Luzern. Bis Ende Juni wurden knapp 9.000 befallene Pflanzen gemeldet. Auch im Kanton Thurgau und im Bündnerland breitet sich der Feuerbrand aus. In der Westschweiz gab es bisher nur einen Fall.

Kantone bekämpfen unterschiedlich
Für Eduard Holliger hängt das Ausmaß des Feuerbrand-Befalls in den Kantonen auch mit den unterschiedlichen Bekämpfungsstrategien zusammen. Der Kanton Aargau etwa habe von Anfang an radikal durchgegriffen und habe deshalb auch heute nur wenige Probleme mit Feuerbrand, sagt er. Bäume, auf denen Feuerbrand entdeckt werde, müssten innerhalb von 48 Stunden gerodet werden, ohne Wenn und Aber. Im Kanton St. Gallen oder auch im Luzernischen dagegen blieben einzelne Bäume manchmal bis nach der Ernte stehen, dies erhöhe das Risiko.

Andreas Schwarz lässt dies nur teilweise gelten. Er hält fest, dass es in der Ostschweiz und in Luzern einfach sehr viel mehr Hochstämme – und damit potenzielle Feuerbrandquellen – gebe als im Mittelland. Im Kanton St. Gallen hätten viele Hochstammbesitzer eine starke Bindung zu den Bäumen, deshalb gebe es oft heftigen Widerstand gegen die Anweisung, einen Baum zu roden oder es werde zu wenig großzügig zurückgeschnitten. Im Gegensatz zum Kanton Aargau habe man mit Absicht nicht nur gerodet, sondern auch Rückschnitte bewilligt, "damit die Leute auch in der Praxis lernen, mit dem Feuerbrand umzugehen", wie Schwarz sagt.

Hochstämme sind gefährlich
Das wichtigste Problem im Zusammenhang mit Feuerbrand sind einzelne Hochstämme, die nur noch als Schattenspender dienen, aber nicht mehr gepflegt werden. Sie stellen als potenzielle Feuerbrandherde eine große Gefahr für nahe gelegene Obstanlagen dar. Aber auch Hochstämme, die zur Mostobstproduktion dienen und gepflegt werden, sind laut Schwarz problematisch, weil sie groß und schwer überblickbar sind. Der Feuerbrand könne sich leicht irgendwo einnisten und lange unbemerkt bleiben. Dort, wo Tafelobstproduzenten und Hochstammbesitzer nahe beieinander liegen, führt das zu Konflikten. Denn es gibt auch Argumente für die Hochstämme: Sie bieten seltenen Vögeln einen Lebensraum, sind ein Landschaftselement und werden deshalb auch mit Direktzahlungen unterstützt. Für Andreas Schwarz ist deshalb klar, dass der Feuerbrand eine langsame Entflechtung zwischen intensivem Kernobstbau und frei stehenden Hochstämmen bewirken wird. Vom Kanton aus wolle man diese Entwicklung beschleunigen, indem Hochstämme besonders gut kontrolliert würden. Vor allem Birnbäume: Weil diese zuerst blühen und der Feuerbrand von den Bienen dann auf die später blühenden Apfelbäume weiter getragen wird, stellen sie die größte Gefahr als Infektionsquelle dar.

Anlagen gezielt schützen
Einen anderen Weg hat der Kanton Aargau gewählt. Bestände, die explizit vor dem Feuerbrand geschützt werden sollen, wurden als so genannte Schutzobjekte gekennzeichnet. Unter den 152 Schutzobjekten befinden sich Baumschulen, Kernobstanlagen und wertvolle Hochstammwiesen. Die Umgebung dieser Schutzgebiete hat bei den Kontrollen durch die Gemeinden erste Priorität. Ferner sind die Besitzer selber verpflichtet, die Anlagen und die Umgebung im Abstand von 250 Meter mindestens zwei Mal jährlich zu kontrollieren. Das Konzept scheint wirksam zu sein: "Wir haben in diesem Jahr bisher noch keinen einzigen Fall von Feuerbrand", sagt Christian Eichenberger von der kantonalen Pflanzenschutzstelle. Er rechne zwar damit, dass bis zum Ende der Kontrollen noch einige Fälle auftauchen werden. Aber auch im letzten Jahr habe man nur in drei Gemeinden Feuerbrand-Befall gehabt.

Bekämpfung in den Kantonen vereinheitlichen
Die schweizerischen Bekämpfungsrichtlinien wurden von einer interkantonalen Arbeitsgruppe unter der Führung des Bundesamtes für Landwirtschaft überarbeitet und angepasst. Sie werden bald den Kantonen zur Konsultation vorgelegt. Den Obstbauern selber soll eine größere Verantwortung zukommen. Noch wichtiger ist aber aus der Sicht von Holliger, dass die Frist bis zur Vernichtung befallener Bäume vereinheitlicht wird. Je kürzer, je besser.

Schwierige Bekämpfung
Weltweit ist die Forschung auf der Suche nach einem wirksamen Pflanzenschutzmittel gegen den Feuerbrand, bisher ohne großen Erfolg. In der Schweiz sind drei Pflanzenschutzmittel mit einer Teilwirkung zugelassen, die allerdings nicht im großen Stil angewendet werden. Ferner laufen in der EU Versuche mit einem Hefepräparat.

Am wirksamsten gegen Feuerbrand wäre das Antibiotikum Streptomycin, das 2005 in einzelnen deutschen Bundesländern und im Vorarlberg mit Ausnahmegenehmigung eingesetzt werden durfte. In der Schweiz ist der Einsatz verboten. Einerseits weil die Gefahr der Resistenzbildung besteht, was in den USA bereits passiert ist, andererseits weil die Bienen den Wirkstoff in den Honig übertragen können.

Quelle: Landwirtschaftlicher Informationsdienst