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Wirklich reizend, diese Pflanze © Elizaveta Galitckaia/Shutterstock.com

Neophyt

Wirklich reizend!

Ein Artikel von Renate Stoiber (bearbeitet) | 19.07.2019 - 11:37

Langsam aber sicher scheint sich der Neophyt Ragweed, auch Ambrosia genannt, in Österreich zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem auszuwachsen wie der ORF heute auf seiner Webseite zusammenfasst. Es gäbe zwar noch viele Ungereimtheiten, klar sei aber, dass wir das ungeliebte Kraut wohl nicht mehr loswerden.

Allergener Einwanderer

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Der Neophyt ist gut zu erkennen © FloriCos/Shutterstock.com

Ambrosia artemisiifolia beschäftigt Österreichs Allergiker, besonders schlimm ist die Belastung von Ende August bis Anfang Septemer und im Osten und Süden des Landes. Beunruhigender Weise ist heuer bereits im Juli eine große Anzahl an Pflanzen gemeldet worden, so die Biologin Katharina Bastl vom Pollenwarndienst im Gespräch mit dem ORF, und es werden jeden Tag mehr.

Ursprünglich stammt Ragweed aus Nordamerika und bahnte sich in Europa den Weg von Südosten Richtung Westen. Der erste Fund in Österreich stammt bereits aus dem Jahr 1883 aus Innsbruck. Durch verunreinigtes Vogelfutter und Saatgut kam es in dichter besiedelten Gebieten um 1975 zu einer starken Verbreitung, auch die erste lokale Einbürgerung auf Hackfruchtäckern stammt aus den 1970er Jahren. Bis in die 2000er kam es zu einer neuen Ausbreitungswelle entlang von Straßennetzen, besonders Autobahnen.

Die Pflanze ist einjährig und krautig, Kennzeichen sind die gefiederten Blätter, ein weißlich behaarter Stängel und körbchenförmige Teilblütenstände. In Mitteleuropa wird sie bis zu 1,8 m hoch. Die kapselförmigen Samen sind klein und ideal für die Windverbreitung geeignet. Ragweed produziert deshalb ein sehr große Menge (bis zu eine Milliarde pro Pflanze und Blütezeit) der 20 µm kleinen und hochgradig allergenen Samen – nur vier Pollenkörner pro Kubikmeter Luft reichen aus, um Beschwerden zu erzeugen (bei Birkenpollen liegt der Wert bei zehn bis 13).

Nicht nur für den Osten ein Problem!?

Aktuell sind laut Ragweed Finder v.a. die Bundesländer Burgenland, Wien, Niederösterreich, Steiermark, Kärnten und Oberösterreich betroffen. Die Bundesländer gehen mit der Problematik aber unterschiedlich um, sieben konnten überzeugt werden beim Projekt Ragweed Finder mitzumachen. Laut Bastl haben auch Oberösterreich und Kärnten ein Problem damit, seien aber nicht kooperativ.

In einer Stellungnahme gegenüber ooe.orf.at sagt das Land Oberösterreich: „(Es) besteht nach europarechtlichen Vorgaben keine rechtliche Verpflichtung, eine Bekämpfung innerstaatlich zu regeln. Gesetze gegen Pflanzenwachstum zu verabschieden, ist auch nicht immer der einzig zielführende Weg. Maßnahmen mit Augenmaß und Hausverstand bringen hier jedenfalls mehr.“

Bernhard Gutleb, Naturschutzabteilung des Landes Kärnten, sprach gegenüber kaernten.orf.at davon, dass man Ragweed sehr wohl als Problem erkenne, allerdings mehr in den östlichen Bundesländern. Die Aufgabe des Naturschutzes sei die Förderung und der Schutz heimischer Arten und Lebensräume, Ragweed sei kein Teil davon und für die heimische Pflanzenwelt kein Problem.

Ein Problem ist der Neophyt aber sehr wohl für die heimischen Bauern, wie Botanikerin Rea Maria Hall, BOKU Wien, erklärt. Insbesondere Sommerkulturen wie Soja, Mais, Kürbis und Erdäpfel seien stark bedroht. Herbizide sind für Sommerkulturen sowieso gering vorhanden und wirken auch nur zum Teil gegen Ambrosia. Daneben ist auch die Verteilung der Samen durch die Arbeitsmaschinen ein großes Problem. Da die Unkrautsamen über den Wind verbreitet werden, bilden sich immens viele davon, die dann in den Reifen der Erntegeräte hängenbleiben und über die Straßen und andere Autos sehr weit verbreitet werden. Noch dazu sind die Samen von Ambrosia artemisiifolia bis zu 40 Jahre keimfähig!

Wie bekämpfen?

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Ambrosia artemisiifolia © domnitsky/Shutterstock.com

Um also einerseits Allergikern das Leben in der Pollensaison zu erleichtern und andererseits die Ernten zu retten braucht es eine Bekämpfung. Sowohl Hall als auch Bastl empfehlen damit bereits früh zu beginnen, bevor die Pflanzen in Blüte stehen. Ihre Devise lautet rechtzeitig mähen oder besser ausreissen – aber mit Handschuhen und idealerweise Augen- und Mundschutz sowie durch einen Nichtallergiker. Hier komme für die Landwirtschaft aber eine Erschwernis hinzu, bei einer EU-Förderung für eine Brachfläche darf 50 % erst nach dem 15. August gemäht werden – dann steht Ragweed bereits voll in der Blüte!

Als Vorbild-Region für die Bekämpfung dient derzeit das Burgenland. Mit einem neuen Gesetz will das Bundesland Grundstückseigentümer verpflichten, Ambrosia auf ihren Flächen selbst zu vernichten. Bei Verstößen drohen empfindliche Strafen, in Kraft treten soll das Gesetz mit Jänner 2020. Die Stadtgartendirektion Wien setzt auf eine Schulung der Angestellten und Beratungen für Einzelpersonen. Auch Niederösterreich arbeite eng und intensiv mit dem Pollenwarndienst zusammen.

Wichtig bei der Bekämpfung sind auch die ASFINAG und die ÖBB. Ragweed tritt grundsätzlich entlang des gesamten Streckennetzes auf, die ASFINAG ist sensibel für das Thema und optimiert den Mähzeitpunkt. Von chemischen Mitteln wird weitestgehend abgesehen, man geht neben Informationen vom eigenen Grünraummanagement und Autobahnmeistern auch auf Meldungen im Ragweed Finder ein. Bei der ÖBB sind besonders Baustellen und Güterumschlagplätze Problemstellen. Gemeldete Standorte werden manuell bearbeitet und mit Herbiziden behandelt. Die Herausforderung liegt in umgebenden, stark bewachsenen Flächen auf denen nichts passiert.

Wissenschafter sind energisch auf der Suche nach einem Nutzen der Pflanze, da es durch Zuflug aus Nachbarländern und Klimaänderunge wenig Möglichkeit gibt, eine völlige Beseitigung zu erreichen. Bisher konnte man eine Herbizidwirkung auf heimische Unkräuter und eine Verhinderung des Pilzwachstums auf Weinblättern feststellen. Botanikerin Hall rechnet mit fundierten Ergebnissen 2020: „Wir müssen lernen, mit ihr zu leben.“


Quellen: orf.at, ragweedfinder.at