Pflanzen bilden kleine und große Wurzeln aus. Während die großen Wurzeln neben der Versorgung mit Wasser und Nährstoffen auch eine Haltefunktion aufweisen, dienen die kleinen Feinwurzeln (Durchmesser bis 2mm) ausschließlich der Wasser- und Nährstoffaufnahme und sind somit für Bäume lebensnotwendig. Sie machen einen Großteil der organischen Substanz im Boden aus und haben damit einen wichtigen Einfluss auf die Kohlenstoffbildung im Boden. Trotz dieser enormen Bedeutung für Wälder und Klima ist nur wenig über die Lebensdauer von Feinwurzeln bekannt, es ist nicht bekannt wie lange sie leben. Ein Team aus Forscher ist jetzt dieser Frage nachgegangen.
Radiokarbonmethode gegen Jahresringe
Die Radiokarbonmethode basiert auf dem schwach radioaktiven Kohlenstoff-Isotop 14C. In der Atmosphäre ist es nur in sehr geringen Konzentrationen (etwa 10 -10 Prozent) zu finden. 5.730 Jahre beträgt die Halbwertszeit von 14C . Durch die Sonneneinstrahlung bildet es sich ständig neu, dadurch bleibt die Konzentration von 14C in der Atmosphäre etwa konstant. 14C wird wie „normales“ 12C in den Organismus eingebaut. Es werden keine neuen Kohlenstoffatome aufgenommen wenn der Organismus einmal abstirbt. Da aber 14C weiter zerfällt, kann anhand des Quotienten 14C/12C das Alter eines Organismus berechnet werden. Durch die Jahresringforschung (Dendrochronologie) wird das Alter von Bäumen anhand von Jahresringe bestimmt. Sie entstehen, wenn das Wachstum eines Baumes im Laufe eines Jahres zeitweise zum Erliegen kommt (Vegetationsruhe im Winter), bevor ab dem Frühling ein neuer Wachstumsschub einsetzt. Diese Phasen sind dann als Jahrringe in Baumstämmen oder Wurzeln erkennbar. Jahresringe sind allerdings nur beim Bäumen zu finden die in Klimazonen vorkommen, die ausgeprägte Jahreszeiten aufweisen.
Doppelte Messung
Die Lebensdauer von Feinwurzeln wurde bisher über die Radiokarbonmethode bestimmt. Dabei wurde ein durchschnittliches Alter von bis zu einem Jahrzehnt oder mehr definiert. Bei dieser Methode wird vorausgesetzt, dass der Baum über die Photosynthese Kohlenstoff auch direkt in die Wurzeln einbaut. Mittlerweile gibt es Aufzeichnungen von Minikameras (Minirhizotronen), die eine kürzere Lebensdauer von Feinwurzeln aufzeigen. Um Unsicherheiten vorzubeugen, werden zwei Methoden gleichzeitig angewendet. Die gesammelten Feinwurzeln werden in drei Gruppen (bis 0,5mm, 0,5-1mm und bis 2mm) gegliedert. Unter dem Mikroskop werden dann, per Dünnschnitt, die Jahresringe gezählt. Zeitgleich werden von denselben Wurzeln das Alter über die Radiokarbonmethode bestimmt. Die untersuchten Wurzel stammen aus europäischen Wälder, sie wurden in drei verschiedenen Ökozonen (gemäßigte Zone, borale und subarktische Zone) gesammelt, in denen die jeweiligen Arten als Hauptbaumarten vorkommen: Aus der Schweiz: die Waldkiefer (Pinus sylvestris), aus Deutschland: die Rotbkuche (Fagus sylvatica), aus Schweden die Rotfichten (Picea abies) und aus dem russischen Ural die Zwergbirke (Betula nana).
Große Unterschiede
Es gab große Unterschiede in den einzelnen Methoden: Die Datierung der Wurzel über Jahrringe ergab ein mittleres Alter zwischen ein und drei Jahren. Die Radiokarbonmethode lieferte Werte zwischen sieben und 20 Jahren.
Die Abweichung zwischen den einzelnen Methoden:
bei Wurzel unter 0,5mm: 6,7 Jahre
bei Wurzeln zwischen 0,5 und 1mm: 7,4 Jahre
und bei Wurzeln bis 2mm: 10,4 Jahre.
Die Berechnungen der Radiokarbonmethode lagen mit 10,1 Jahre höher als die Altersangaben durch Jahresringe. Bei den Zwergbirken wurden für die Wurzeln auch mit der Jahresringmethode ein höheres Alter (zwischen 4 und 12 Jahren) festgestellt. Die Radiokarbonmethode berechnete für die Zwergbirken ein Altern von 16 bis über 20 Jahre. Diese längere Lebensdauer könnte auch artspezifisch sein. Zwergbirken wachsen an der Baumgrenze. Diese Bedingungen erschweren das Wachstum und sie müssen mit ihren Ressourcen besser auskommen, dies könnte sich dann auf die Lebensdauer der Feinwurzeln auswirken.
Mögliche Gründe
Feinwurzeln sind kurzlebiger als bisher vermutet. Es wird angenommen, dass die höheren Werte der Radiokarbonmethode durch eine zeitliche Verzögerung zwischen Kohlenstoffaufnahme und -einbau zustanden kommen. Gründe dafür könnten sein:
- ein Austausch mit älterem Kohlenstoff in der Erde
- der Kohlenstoff der Feinwurzeln würde aus dem Boden und nicht aus Photosynthese stammen, dann müsste dieser ältere Kohlenstoff allerdings auch in Baumkeimlingen vorkommen. Dies ist nur in geringen Mengen der Fall.
Durch die kurze Lebenserwartung der Feinwurzeln weisen sie einen hohen Anteil an der Kohlenstoff-Bilanz des Waldbodens auf. Um genauere Modellierungen der Kohlenstoffflüsse im Boden zu ermöglichen, ist ein tiefes Verständnis dieser Vorgänge notwendig.
Quelle: pflanzenforschung.de