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Anzucht in Kulturrinnen

Ein Artikel von Peter Springer | 11.09.2014 - 08:00
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Wenn sich die niederländische Universität Wageningen mit ihrer Abteilung PPO (Praktijkonderzoek Plant en Omgeving: das heißt so viel wie Versuchsbereich Pflanze und Umwelt) einem auf den ersten Blick recht utopischen Thema widmet, dann sicherlich nicht ohne Hintergrund.

Bislang gab es eigentlich keine Notwendigkeit, die bekannten Containerquartiere in den Baumschulen neu zu erfinden. Und um Derartiges handelt es sich im Prinzip bei dem neuen niederländischen Kulturrinnen-System. Es gibt allerdings einige Unterschiede: Bei dem einen System wachsen die Pflanzen im Container und stehen auf der Fläche, bei dem anderen wachsen sie in langen, zusammenhängenden Kulturrinnen. Diese befinden sich auf einem stabilen Gestell in einer Höhe von etwa 80 cm, umgeben von einem Stützsystem aus Haltedrähten zur Befestigung der Gehölze.

Beide Systeme erfüllen höchste umweltschonende Vorgaben. Sie verändern den Boden nicht, lassen keine Nährstoffe oder Pflanzenschutzmittel versickern – ein geschlossener Kreislauf im Containerquartier ist vorausgesetzt. Und sie lassen sich ungeachtet der Bodenqualität praktisch überall installieren. Beide Systeme brauchen auch keine Rücksicht auf bodenbürtige Krankheiten, Nachbauprobleme durch Bodenmüdigkeit oder hartnäckige Unkräuter zu nehmen, denn sie sind ja unabhängig vom Boden.

Kulturrinne: Pro und Contra

Jetzt gibt es aber bereits Unterschiede: Um Einträge ins Grund­wasser zu verhindern, muss eine Containerstellfläche komplett versiegelt werden. Das ist aufwendig und teuer und wird auch nicht überall akzeptiert, weil es sich um eine Baumaßnahme mit ökologischer Belastung handelt – Beeinträchtigung des Bodenlebens und der Grundwasserneubildung. Das ist bei dem niederländischen Rinnensystem anders. Hier handelt es sich um ein offenes System, welches den Boden darunter kaum beeinträchtigt und das geschlossene Kultursystem quasi nur in der Rinne führt.

Es gibt aber auch Nachteile, denn die Rinne ist nur für die Anzucht einiger weniger Gehölzarten geeignet, vorzugsweise für jene, die als wurzelnackte Jungware weiter verarbeitet werden oder als Massenware in den GaLaBau gehen (z. B. als Hecke oder Landschaftsgehölz). Für längere Standzeiten sind die Rinnen zu klein. Die einzelnen Pflanzen verwurzeln ineinander und lassen sich nur als Jungware voneinander trennen.

Spezialfolie in Führungsschienen

Im Mittelpunkt des Systems steht eine genoppte Spezialfolie, eingehängt in Führungsschienen in einem Gestell. Die Folie ist dem bekannten „Superoot-Airpot“ entliehen, einem Pflanzgefäß mit einer speziellen Oberflächenstruktur. Diese Struktur wurde vor einiger Zeit entwickelt, um den gefürchteten Spiralwuchs der Wurzeln zu verhindern. In einfachen Rundcontainern neigen die Pflanzen dazu, ihre Wurzeln spiralförmig an der Wand des Containers entlang zu führen. Der Drehwuchs verzögert nach der Pflanzung die Durchwurzelung des Erdreiches und vermindert die Wasser- und Nährstoffaufnahme.

Bei zunehmender Dicke kann es außerdem zur Einschnürung des Wurzelhalses kommen. Durch die stark strukturierte Oberfläche des „Superoot-Airpot“ sind die Wurzeln gezwungen, immer wieder die Richtung zu ändern, was zu einem gleichmäßigen Wurzelbild führt. Die Kulturrinnen werden von einer Spezialmaschine mit Substrat gefüllt und dann mit den Gehölzen bepflanzt.

Automatische Erntemaschine

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Besonders interessant an diesem System ist die automatische Erntemaschine. Sie wurde in Zusammenarbeit mit dem Maschinenbau-Unternehmen Vertegaal als Hersteller, der Firma Logitec Plus (beide aus dem niederländischen Hazerswoude) als Vertriebs- und Marketingpartner und der Baumschule J.W. Crum in Opheusden/NL entwickelt.

Die Maschine ist in der Lage, die mit einem Zugnetz stabilisierte Folie aus dem Gestell zu ziehen, die Folie dann auszubreiten und den Wurzelballen auf ein Laufband umzuleiten. Mitarbeiter brauchen dann nur noch die Gehölze mit dem Wurzelballen zu entnehmen. Folie und Zugnetz werden sauber aufgerollt und stehen für die neue Kultur zur Verfügung.

Versuchsanlagen in den Niederlanden

Erste Versuchsanlagen der Rinnenkultur gibt es bereits in einigen niederländischen Baumschulen. Die größte davon befindet sich in der Baumschule J.W. Crum in Opheusden.
Das neue System wird zunächst einige Jahre getestet, um dessen Vorteile in der Praxis auch definitiv beurteilen zu können. Der Projektleiter in der Baumschule Crum äußerte sich recht positiv. Für ihn besitzt das System nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Vorteile.

Aufgrund der technischen Ausstattung ist nicht nur die Ernteleistung höher, es findet auch ein sehr viel schnellerer Wechsel in der Kultur statt. Darüber hinaus wird die Fläche besser genutzt, weil keine Wirtschaftswege oder Transportgassen notwendig sind. Der gesamte Pflanzentransport ist quasi automatisiert. Für die Mitarbeiter ist die „Tischhöhe“ sehr angenehm, z. B. wenn Schnittarbeiten oder Veredlungen anstehen. Das ist rückenschonend und senkt den Krankenstand.

Im Prinzip gut, aber recht teuer

Nach mehrjähriger praktischer Erprobung des Rinnensystems für Gehölze sind nun erste Ergebnisse veröffentlicht worden. Grundsätzlich wurde die Unabhängigkeit vom Boden als positiv bewertet. Dadurch lassen sich Wasser sowie Dünge- und Pflanzenschutzmittel wesentlich effektiver einsetzen, was Menge und Aufwand verringert und die Umwelt entlastet.

Aufgrund der kon­trollierten Bedingungen lässt sich eine höhere Bestandsdichte realisieren (statt etwa 12.500 Pflanzen je ha nun bis zu 60.000 Pflanzen je ha); das spart an Fläche und erhöht den Ertrag je Einheit.
Zudem zeigen die Pflanzen ein schnelleres Wachstum, was die Kulturdauer verkürzt und im Gegensatz zur Bodenkultur mehrere Sätze je Zeiteinheit zulässt. Im Vergleich zur Bodenkultur verfügten die Pflanzen in der Rinne über einen höheren Anteil an Feinwurzeln. Auch das ist auf die bessere Versorgung zurückzuführen.

Entsprechend gering war auch der Ausfall. Lag der Anteil an nicht absetzbaren Qualitäten in der Bodenkultur bei rund 30 %, betrug sie in der Rinnenkultur nur 5 bis 10 %. Pflanzen mit einem hohen Anteil an Feinwurzeln wachsen besser an und zeigen sich in der Folgekultur vitaler.

Ein weiterer Vorteil der bodenunabhängigen Rinnenkultur ist die Möglichkeit einer mechanisierten und automatischen Gehölzkultur. Diesem Thema sollen sich nun Folgeversuche widmen.

Systemvoraussetzungen

Von Nachteilen war in den Versuchs­berichten relativ wenig zu lesen. Nur ­so viel, dass mit rund 15 bis 30 Euro ­je laufendem Meter das System recht kostenintensiv ist. Allerdings, so hieß ­es, werden damit auch Kosten ein­gespart durch höhere Flächenerträge, ­geringere Ausfälle, bessere Arbeits­abläufe, Mechanisierung und den ­geringeren Aufwand von Betriebsmitteln. Zudem ist das System nicht überall installierbar – dieses benötigt nämlich gerade Flächen – und ist nur für Gehölze in der Kurzkultur geeignet.