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Sind Pestizide eine bisher unterschätzte Gefahr für Amphiben?

Ein Artikel von Red. | 12.02.2013 - 00:52
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Bei Amphibien, so die Einschätzung der Wissenschaftler, könnten Pestizide der Landwirtschaft durchaus eine potenzielle Bedrohung darstellen. Denn Amphibien besitzen eine feuchte und sehr durchlässige Haut, durch die Pestizide sehr schnell aufgenommen werden können. Zu den Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf junge und ausgewachsene Amphibien gibt es bisher jedoch kaum toxikologische Untersuchungen.
Ein deutsch-schweizerisches Forscherteam analysierte daher im Auftrag des Umweltbundesamtes die Wirkung von 7 Pflanzenschutzmitteln auf junge, einheimische Grasfrösche (Rana temporaria) - einem in Europa sehr häufig vorkommenden Frosch. Dabei testeten sie 4 Fungizide, 2 Herbizide und ein Insektizid.

Sterblichkeitsraten von 40 bis 100 %
Die jungen Frösche wurden bei den Versuchen in Behältnisse mit natürlichem Boden aus einem Feld gesetzt und mit den Pestiziden besprüht. Pro Pestizid starteten sie dabei mit einer zehnfach verdünnten Lösung. Die Forscher testeten danach die vom Hersteller empfohlene Konzentration. Zuletzt betrachteten sie die Auswirkungen auf eine zehnfach verstärkte Produktmenge.
Bei der empfohlenen Produktmenge der derzeit zugelassenen Pestizide starben im Versuch zwischen 40 bis 100 % der Tiere in einem Zeitraum von 7 Tagen nach der Applikation. Die stärksten Effekte hatte dabei das Fungizid „Headline“: Innerhalb von einer Stunde nach der Applikation waren alle Versuchstiere tot. Dieses Fungizid ist laut den Forschern sehr populär und wird derzeit bei 90 verschiedenen Nutzpflanzen weltweit eingesetzt.

Wie häufig dieses „Worst Case“ Szenario in der Realität tatsächlich auftritt ist derzeit noch nicht bekannt. Je Kulturpflanzenart und Dichte des Bewuchses könnte ein Hauptteil des Pestizids auch auf den Pflanzen landen, so dass die Frösche weitaus geringeren Konzentrationen ausgesetzt sind. Die Autoren halten es jedoch für durchaus realistisch, dass die Tiere im Feld auch in vielen Situationen mit der vollen Anwendungskonzentration in Kontakt kommen.

Zusatzstoffe der Pestizide unter Verdacht
Die Forscher weisen außerdem darauf hin, dass die schädliche Wirkung nicht unbedingt durch den Wirkstoff der Pestizide ausgelöst wird. Die Gefahr liegt womöglich eher in den Zusatzstoffen, die neben den Wirkstoffen in Pestiziden enthalten sind. Die Zusatzstoffe verleihen dem Pflanzenschutzmittel wichtige Eigenschaften für die Anwendung, z. B. eine bessere Lagerfähigkeit oder sie sorgen für eine bessere Verteilung des Wirkstoffs.
Verglich man in der aktuellen Studie zwei der getesteten Mittel mit gleichem Wirkstoff (Pyraclostrobin), wurden unterschiedliche Effekte beobachtet: Das erste („Headline“) enthielt u. a. 67 % von dem Beistoff Naphta und führte zu einer Sterblichkeitsrate von 100 %; Das zweite Fungizid (bisher noch ohne Zulassung) enthielt nur 25 % Naphta und 20 % der Versuchstiere starben nach der Aufnahme.
Die Autoren schlussfolgern daraus, dass nicht nur die Wirkstoffe auf die Tiere toxisch wirken könnten, sondern die Zusatzstoffe, deren Konzentration oder die Kombination unterschiedlicher Inhaltsstoffe miteinander, eine entscheidende Rolle spielen. Daher reicht im Zulassungsverfahren von Pestiziden eine Risikoabschätzung der Wirkstoffe allein nicht aus, so die Forscher.

Was können die Landwirte tun?
Carsten Brühl von der Universität Koblenz-Landau und Leiter der Studie empfiehlt den Landwirten, sich mit lokalen Naturschutzorganisationen zusammenzutun. „Wenn man weiß, dass ein Tümpel in der Nähe ist und die Informationen darüber hat, dass eine Frosch-Wanderung bevorsteht, kann man vielleicht die Applikation der Pflanzenschutzmittel um ein paar Tage verschieben. Das schadet den Landwirten nicht und würde den Fröschen schon mal helfen“, erläutert Brühl. Durch ihre Profession sind Landwirte am Naturschutz interessiert.

Quelle: Pflanzenforschung.de